12.09.2022

Baustellenverkehr untersagen durch Straßenverkehrsbehörde?

Alle Mühe gab sich der VGH München, um dem Antrag eines Anwohners zum Erfolg zu verhelfen, der den Baustellenverkehr auf dem Nachbargrundstück unterbinden wollte (Beschl. vom 22.07.2022, Az. 11 CE 22.1052).

Baustellenverkehr untersagen

Antrag auf Unterbinden des Baustellenverkehrs

Das Grundstück eines Anwohners grenzt an das Baugrundstück seines Nachbarn. Beide Grundstücke liegen im nördlichen Teil der M. Straße. Hier ist die Fahrbahn ca. 3 m breit und durch Zeichen 260 mit Zusatzzeichen 1020-30 StVO „Anlieger frei“ allgemein für Kraftfahrzeuge gesperrt. Die asphaltierten bzw. befestigten Grundstückszufahrten in diesem Bereich dienen Fußgängern, Radfahrern und dem motorisierten Verkehr bei Gegenverkehr als Ausweichmöglichkeit.

Der Nachbar erhielt einen Bauvorbescheid und danach eine Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage. Die Bauarbeiten dürfen erst begonnen werden, wenn ein gesonderter Baustellenabwicklungsplan vorgelegt und von der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt geprüft und freigegeben worden ist.

Der Anwohner beantragte beim VG München, die Stadt zu verpflichten, in dem Bereich des nördlichen Teils der M. Straße den Baustellenverkehr in der Bauphase des Bauvorhabens zu untersagen, hilfsweise, die Stadt zu verpflichten, vor Freigabe der Bautätigkeit des Nachbarn ein Sicherheitsaudit zu den zu erwartenden Gefährdungen während der Bauphase durchzuführen.

Das VG München lehnte den Antrag ab. Der Anwohner beschwerte sich vor dem VGH München.

>>> Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch den Beitrag „Anwohner durch Baulärm genervt – Was tun?“

Gibt es ein Verkehrszeichen, um Baustellenverkehr zu untersagen?

Der VGH München wies die Beschwerde zurück und begründete dies wie folgt:

Qualifizierte Gefahrenlage müsste bestehen

Als Rechtsgrundlage für ein Verkehrsverbot kommt grundsätzlich § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 3 StVO in Betracht. Hierzu müssen die materiellen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO vorliegen. Es müsste also eine qualifizierte Gefahrenlage bestehen.

Da aber die Straßenverkehrsbehörden nach § 45 Abs. 4 StVO den Verkehr, mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fälle von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürfen und wegen des aus § 39 Abs. 7 bis 11 StVO folgenden Ausschließlichkeitsgrundsatzes nur die in Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO vorgesehenen Verkehrszeichen angeordnet werden können, müsste ferner die Anordnung eines Baustellenverkehrsverbots durch die vom Verordnungsgeber vorgesehenen Verkehrszeichen einschließlich Zusatzzeichen möglich sein.

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Zusatzzeichen

Zusatzzeichen unterliegen zwar nicht dem Ausschließlichkeitsgrundsatz, aber auch sie müssen grundsätzlich den Vorgaben in der StVO (vgl. § 39 Abs. 3 Satz 2 und 3 StVO), der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) und den Mustern im Katalog der Verkehrszeichen – VzKat – entsprechen. Abweichungen von dem im amtlichen Katalog der Verkehrszeichen (VZ Kat) aufgeführten Zusatzzeichen sind nicht zulässig; andere Zusatzzeichen bedürfen der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle.

Die Stadt kann dem Begehren rechtlich nicht auf andere Weise als durch die Anordnung von Verkehrszeichen einschließlich Zusatzzeichen und Verkehrseinrichtungen Rechnung tragen. Eine verkehrsrechtliche Anordnung, die kein Verkehrszeichen einschließlich Zusatzzeichen oder keine Verkehrseinrichtung zum Gegenstand hat, kann sie nicht treffen.

Verkehrsrechtliche Anordnung mit begehrtem Inhalt nicht möglich

Eine verkehrsrechtliche Anordnung mit dem begehrten Inhalt ist daher nicht möglich. Die Anordnung eines Durchfahrtsverbots für Kraftfahrzeuge, die einer Baustelle zu dienen bestimmt sind, scheidet aus. Eine Kombination des Zeichens 251 („Verbot für Kraftwagen“) oder 253 („Verbot für Fahrzeuge über 3,5 t“) nach Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO mit dem als „Hinweis auf Gefahren durch verbale Angabe“ konzipierten Zusatzzeichen 1007-38 („Baustellenverkehr“) würde keine inhaltlich hinreichend bestimmte und widerspruchsfreie Verkehrsregelung darstellen.

Dasselbe gilt für die Kombination dieser Verkehrsregelungen mit dem bereits angeordneten Verkehrszeichen 260 („Verbot für Kraftfahrzeuge“) mit Zusatzzeichen 1020-30 („Anlieger frei“), die Verkehrsteilnehmer vor die Frage stellen würde, welche Regelung für sie gilt und ob etwa der gesamte Kraftverkehr (einschließlich Rad- und sonstigem Anliegerverkehr) wegen des Baustellenverkehrs ausgeschlossen sein soll.

Anlieger frei

Es gibt auch kein Zusatzzeichen, das zusammen mit dem bereits angeordneten Verkehrszeichen 260 mit Zusatzzeichen 1020-30 („Anlieger frei“) die Führer von Baustellenfahrzeugen vom Kreis der zugelassenen Anlieger ausnehmen könnte.

Kein Verbot für Baustellenfahrzeuge

Das Zusatzzeichen 1028-30 („Baustellenfahrzeuge frei“) sieht eine Ausnahme von einem Verkehrsverbot zugunsten von Baustellenfahrzeugen vor, jedoch nicht umgekehrt ein Verbot für Baustellenfahrzeuge. Auch eine Umleitung allein des Baustellenverkehrs wäre rechtlich nicht umsetzbar, weil auch hierfür keine Verkehrszeichen (etwa VZ 454 und 455.1) mit entsprechenden Zusatzzeichen zur Verfügung stehen.

Ergebnis

Der VGH wies die Beschwerde des Anwohners zurück.

Den Beschluss können Sie hier nachlesen.

>>> Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch den Beitrag „Bauarbeiten: Kann Taxifahrer Straßensperrung verhindern?“

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)