17.02.2022

Welcher Genesenenstatus gilt?

Ein Paukenschlag des RKI war die Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage. Wir stellen die aktuelle juristische Aufarbeitung dieser Entscheidung dar.

Genesenenstatus Dauer

Verkürzung des Genesenenstatus ohne den Gesetzgeber

Eine ungeimpfte Person hatte sich mit SARS-CoV-2 infiziert und erhielt daraufhin vom Gesundheitsamt vor dem 14.01.2022 eine Bescheinigung zum Nachweis des Genesenenstatus für sechs Monate. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV n. F. änderte die Rechtslage insoweit, dass nicht mehr eine feste Frist von sechs Monaten gilt, sondern hinsichtlich des Zeitraums auf die Internetseite des RKI verweist. Dort ist seit dem 15.01.2022 hinterlegt, dass der Genesenenstatus maximal 90 Tage betragen darf. Gegen die Verkürzung von sechs Monaten auf 90 Tage wendet sich der Betroffene.

VG Ansbach, Beschl. vom 11.02.2022, Az. AN 18 S 22.00234

Das Gericht sieht § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i. d. F. vom 14.01.2022 als verfassungswidrig an. Der Verweis des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV auf die Internetseite des RKI verstößt gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz und den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, so das VG. Der Gesetzgeber entscheidet nicht selbst über den Genesenenstatus, sondern überlässt dies einer Behörde.

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Kein Anspruch auf Genesenenstatus für 6 Monate

Eine von COVID-19 genesene Person beantragte das Ausstellen einer Genesenenbescheinigung über den Zeitraum von 6 Monaten.

VG Dresden, Beschl vom 11.02.22, Az. 6 L 97/22

Eine Genesenenbescheinigung ist nur das in verkörperter oder digitaler Form vorliegende, personalisierte, positive Testergebnis, soweit der Test den in der SchAusnahmV genannten Anforderungen entspricht. Das Ausstellen sonstiger Bescheinigungen ist nicht vorgesehen, sodass auf deren Erteilung, eventuell mit einem bestimmten Inhalt, kein Anspruch besteht. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der SchAusnahmV noch aus dem IfSG. Auch aus der VO (EU) 2021/953, welche das Ausstellen digitaler COVID-Zertifikate in der EU regelt, ergibt sich kein Anspruch dieser Art. Selbst wenn dies der Fall wäre, besteht kein Anspruch darauf, dass die Genesenenbescheinigung eine Dauer von maximal sechs Monaten haben muss. Das VG lehnte daher den Antrag ab.

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VG Osnabrück, Beschl. vom 04.02.2022, Az. 3 B 4/22

Der Genesenenstatus und damit seine Dauer hat eine hohe Bedeutung für die Freiheit der Betroffenen. Der Ausschluss dieser Personen von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben hat eine hohe Grundrechtsrelevanz, insbesondere in Bezug auf die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit und auf die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie auf weitere Grundrechtspositionen. In Anbetracht dieser Bedeutung verstößt es nach Ansicht des Gerichts gegen das GG, wenn die Dauer des Genesenenstatus mittelbar durch einen dynamischen Verweis auf die vom RKI im Internet veröffentlichen Vorgaben bestimmt wird. Für diese Weiterdelegation auf das RKI fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Folge: Die SchAusnahmV ist weiter i. d. F. vom 08.05.2021 anzuwenden. Der Genesenennachweis ist für den Zeitraum von 28 Tagen nach (positiver) PCR-Testung zu bestimmen und für sechs Monate nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV auszustellen.

Hinweise

Die Verkürzung der Frist auf 90 Tage gilt nur für Personen, die weder vor noch nach der Genesung gegen SARS-CoV-2 geimpft worden sind. Wenn sie vor oder nach der Infektion geimpft wurden, ist das ausgestellte digitale Impfzertifikat der EU als Vorlage des Genesenstatus ausreichend. Denn dieser Personenkreis ist nach der Verordnung (EU) 2021/953 berechtigt, sich auf Wunsch ein digitales Genesenenzertifikat ausstellen zu lassen (Quelle: RKI). Die in den Apotheken ausgestellten digitalen Genesenenzertifikate der EU bleiben sechs Monate gültig. Sie unterscheiden nicht zwischen geimpften und ungeimpften Genesenen.

Für die Verwaltungspraxis bedeutet dies: Um zu verhindern, dass sich ungeimpfte Personen nach Ablauf von 118 Tagen in einem Bereich aufhalten, in dem 2G bzw. 3G gilt, sollten stichprobenartig Kontrollen durchgeführt werden.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)