18.03.2022

Energetische Bewertung nach ISO 50001: So klappt’s Schritt für Schritt

Die ISO 50001 verpflichtet jedes Unternehmen dazu, eine energetische Bewertung durchzuführen. Und die hat es in sich: Von Energieleistungskennzahlen über Energieeinflussfaktoren bis hin zur Prognose des zukünftigen Energieverbrauchs besteht die energetische Bewertung aus zahlreichen, teils komplexen Einzelschritten. Aber keine Sorge, in diesem Beitrag erhalten Sie einen guten Überblick darüber, was Sie dabei alles erwartet und wie Sie die energetische Bewertung durchführen.

Energetische Bewertung nach ISO 50001

Was ist die energetische Bewertung?

Die Grundlage sämtlicher Aktivitäten im Energiemanagementsysem (EnMS) ist die detaillierte energetische Bestandsaufnahme – von der DIN EN ISO 50001 „energetische Bewertung“ genannt. Bei der energetischen Bewertung dokumentieren Sie die betrieblichen Energieströme und die wesentlichen Einsatzbereiche von Energie im Unternehmen. Die energetische Bewertung ist ausschlaggebend für den Energieplanungsprozess und die Formulierung von Maßnahmen und Zielen im EnMS.

Ziel der energetischen Bewertung ist es, Energieeinsatz und -verbrauch zu quantifizieren und Bereiche mit wesentlichem Energieeinsatz zu identifizieren – und das nicht nur einmal, sondern immer wieder in regelmäßigen Abständen.

Energetische Bewertung: Was gehört alles dazu?

Laut der DIN EN ISO 50001:2018 gehören folgende Elemente zu einer energetischen Bewertung dazu:

  1. Vergleich und Bewertung des aktuellen mit dem früheren Energieverbrauch und Energieeinsatz auf der Basis von Mess- und weiteren Daten
  2. Auf dieser Basis: Ermittlung der Bereiche mit dem wesentlichen Energieverbrauch. Die Norm nennt diese Bereiche SEU. SEU steht an dieser Stelle für „significant energy use“. Wird die energetische Bewertung nicht zum ersten Mal durchgeführt, lohnt es sich dennoch, zu überprüfen, ob die SEUs unverändert bestehen bleiben.
  3. Für jeden SEU: Identifikation der Energieeinflussfaktoren, der aktuellen energiebezogenen Leistung, der Personen mit möglicher Einflussnahme
  4. Ermittlung und Priorisierung von Chancen zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung
  5. Prognose des zu erwartenden Energieverbrauchs für die nächste Periode
  6.  des zu erwartenden Energieverbrauchs für die nächste Periode

Dokumentierte Informationen zur energetischen Bewertung

Zwingend dokumentieren gemäß der ISO 50001 müssen Sie:

  1. die Ergebnisse der energetischen Bewertung
  2. die Verfahren und Kriterien der energetischen Bewertung

1. Aktueller und früherer Energieeinsatz und Energieverbrauch

Zu Beginn der energetischen Bewertung sollten Sie sich eine Übersicht über den primären Energieeinsatz auf Basis Ihrer Energieträger verschaffen. Die Gesamtenergieverbräuche können Sie z.B. den Abrechnungen Ihres Energieversorgers entnehmen.

Haben Sie eine solche Übersicht erstellt, können Sie Ihren Energieeinsatz und -verbrauch bewerten, indem Sie beides im Zeitverlauf betrachten – also z.B. Ihren Energieeinsatz 2022 mit dem von 2021 vergleichen.

Lfd. Nr. Energieträger Verbrauch (kWh) Vorjahr Verbrauch kWh dieses Jahr Anteil am Gesamtverbrauch Anteil an Gesamtkosten
1 Strom 63.750.000 65.250.000 16,33 % 28,46 %
2 Erdgas 355.900.000 325.750.000 81,55 % 66,62 %
3 Diesel 9.850.000
8.450.000
2,12 %
4,92 %

2. Anteile verschiedener Energieträger und Identifikation der SEU

Des Weiteren sollten Sie für die energetische Bewertung abschätzen können, zu welchen Anteilen die Energieträger (z.B. Strom) für ihre endgültige Energienutzung (Drucklufterzeugung, Beleuchtung, Wärmeerzeugung, Klimatisierung etc.) eingesetzt werden. Anschließend unterteilen Sie die Anteile noch weiter in Prozesse und Teilprozesse. Ihre Aufgabe besteht darin, letztlich festzulegen, ab welchem Verbrauchsanteil die so ermittelten Energieeinsatzbereiche als wesentlich gelten. Das gelingt zum Beispiel über die Visualisierung in Sankey Diagrammen.

Die Bereiche mit einem wesentlichen Anteil am Gesamtenergieverbrauch (die sog. SEUs) sollten den Schwerpunkt Ihrer energetischen Betrachtungen bilden. Eigentlich obliegt es ganz Ihnen, welchen Energieverbrauch Sie als wesentlich einstufen, sofern Sie konkretisieren, warum Sie diese Einstufung vorgenommen haben.

Gründe dafür, einen Bereich als wesentlichen Energieeinsatzbereich (SEU) festzulegen:

  • hoher Energieeinsatz
  • hohes Potenzial für Verbesserungen
  • hohe Anschlussleistung
Energieeinsatz Energieträger Anteil am Gesamtenergieverbrauch Relevanz
Beleuchtung Strom 0,51 % nicht relevant
Produktion Erdgas 85,47 % relevant

3. Energieeinflussfaktoren und wichtige Personen ermitteln und überwachen

In welcher Menge Sie Energie benötigen, ist von vielerlei Faktoren abhängig. Diese werden als Energieeinflussfaktoren bezeichnet. So kann die bezogene Energiemenge abhängig sein von:

  • der Anzahl der produzierten Einheiten
  • der Art der eingesetzten Produktionsverfahren
  • der Art der produzierten Produkte

Es hat sich bewährt, für die verschiedenen SEUs ein sog. Ishikawa-Diagramm zu erstellen, an dessen Ästen dann die einzelnen Einflussfaktoren (Variablen) und die Personen mit wesentlichem Einfluss eingetragen werden können. Im Prinzip ist ein solches Diagramm nichts anderes als eine strukturierte Mindmap.

4. Aktuelle energiebezogene Leistung

Um Ihre energiebezogene Leistung zu ermitteln, müssen Sie Energiekennzahlen bilden. Also: Wie hoch ist beispielsweise der Energieverbrauch von Anlage x pro produzierter Ware? In einem ersten Schritt identifizieren Sie dabei, auf welche Größen (z.B. produzierte Einheit, Fläche, Mitarbeiter) Sie Ihren Energieverbrauch beziehen möchten. Eine einzige Kennzahl reicht natürlich nicht. Sie müssen mehrere Energiekennzahlen festlegen, um Ihre SEUs zufriedenstellend abdecken zu können.

Diese Energiekennzahlen überwachen Sie dann über einen längeren Zeitraum. Sie können beispielsweise Jahresmittelwerte bilden und die Kennzahlen verschiedener Jahre miteinander vergleichen. So gewinnen Sie einen Überblick über Ihre energiebezogene Leistung, weisen Verbesserungen nach und identifizieren sogar Energieeinsparpotenziale.

Sofern ständig verändernde Einflüsse sich wesentlich auf den Energieverbrauch und damit auf die energetische Ausgangsbasis auswirken, verlangt die Norm, dass Sie diese durch Normalisierung eliminieren.

5. Die energetische Ausgangsbasis

Ermitteln Sie zum ersten Mal Ihre energiebezogene Leistung, definieren Sie damit auch automatisch die energetische Ausgangsbasis. Die energetische Ausgangsbasis ist ein Referenzwert, der zum Vergleich zukünftiger Werte der energiebezogenen Leistung in unterschiedlichen Zeiträumen herangezogen wird. Es wird empfohlen, dass die Daten, aus denen Sie die energetische Ausgangsbasis bilden, sich über ein Jahr erstrecken sollten. Dieser Zeitraum berücksichtigt periodische Schwankungen wie das Wetter oder die saisonabhängige Nachfrage.

6. Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz

Sie sollten in Ihrem Unternehmen eine Liste erstellen, in der sich die Möglichkeiten zur Energieeinsparung und die damit verbundenen Kostenreduzierungen sowie die Reduktion der CO2-Emissionen wiederfinden. Dabei greifen Sie auf die Faktoren zurück, die Sie als wesentlichen Einfluss auf den Energieverbrauch in allen Teilprozessen Ihres Unternehmens identifiziert haben. Beispielsweise kann die Modernität Ihrer Maschinen ein wesentlicher Faktor sein, deren Auslastung, die Betriebstemperatur, die Qualifikation der Mitarbeiter oder die Außentemperatur.

Bestimmen Sie nicht zu viele dieser Energieeinflussfaktoren. Denn in einem nächsten Schritt bewerten Sie jeden Energieverbraucher, den sie identifiziert haben, nun danach, inwieweit diese Einflussfaktoren für ihn bedeutsam sind und inwieweit sie sich verändern lassen. Auf dieser Basis können Sie dann viel leichter Energieeffizienzmaßnahmen generieren.

Und die Priorisierung? In der Praxis hat es sich bewährt, mit geringinvestiven Maßnahmen wie Prozess- und Verhaltensänderungen, Mitarbeitersensibilisierung oder Einführung eines Energiecontrollingsystems zu starten. Damit lassen sich in aller Regel schnell erste Erfolge erzielen, was Ihnen wiederum die Tür zu neuen Investitionen öffnen kann.

7. Prognose des künftigen Energieverbrauchs

Aus den ermittelten Daten prognostizieren Sie den künftigen Energieeinsatz und die künftigen Energieverbräuche. Die Prognose ist im Prinzip der Zielerfassungsprozess. Aus der Kenntnis

  • der vorhandenen Systemstruktur,
  • der verschiedenen möglichen Einflüsse sowie
  • der aktuellen Organisationsplanung

ermitteln Sie für den Energieeinsatz und Energieverbrauch die Grenzwerte, die Ihre Organisation in der kommenden Periode einhalten bzw. unterschreiten will.

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Sie haben noch Fragen zur energetischen Bewertung?

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Fachbeitrags „Energetische Bewertung und Ausgangsbasis nach ISO 50001:2018 umsetzen“ aus der WEKA-Lösung „Energiemanagement in der betrieblichen Praxis“. Der ungekürzte Beitrag erklärt viel ausführlicher das Vorgehen bei der energetischen Bewertung und bietet Ihnen dazu gleichzeitig viele Checklisten, Vorlagen und Beispiele an, die Sie schneller ans Ziel bringen. Erfahren Sie hier gleich mehr zur Praxislösung!

Fazit: Ihre Aufgaben bei der energetischen Bewertung

Ihre Organisation muss eine energetische Bewertung durchführen mit dem Ziel, Energieeinsatz und -verbrauch zu quantifizieren und Bereiche mit wesentlichem Energieeinsatz zu identifizieren – und das nicht nur einmal, sondern in regelmäßigen Abständen, immer wieder. Die einzelnen Schritte, die dafür nötig sind, listet der Beitrag oben übersichtlich auf. Beachten Sie jedoch, dass hinter einem Schritt wie der Bildung von Energiekennzahlen wiederum komplexe einzelne Schritte stehen. Ziel ist es letztlich, eine Verbesserung der energiebezogenen Leistung nachzuweisen.

Als Nachweis der Forderungen der ISO 50001 dienen Aufzeichnungen zu den festgelegten Energieleistungskennzahlen sowie dazugehörige Daten zur Berechnung der Kennzahlen und zur Energiedatenmessung. Diese können beispielsweise in einem eigenen Formblatt gepflegt werden. Bestehende Zusammenhänge zwischen EnPI und übergeordneten Maßnahmen und Energiezielen im Energiemanagementsystem sollten nachvollziehbar sein.

Autor*innen: Bernd Maur, Susanne Regen-Sonntag