09.08.2023

So setzen Sie die fünf Sicherheitsregeln richtig um!

Dieser Beitrag beschäftigt sich intensiver mit den fünf Sicherheitsregeln und richtet sich an Elektrofachkräfte und elektrotechnisch unterwiesene Personen. Diese erfahren, worauf sie bei der praktischen Umsetzung der Sicherheitsregeln besonders achten müssen und was sie vermeiden sollten.

Die Einhaltung der fünf Sicherheitsregeln ist lebenwichtig.

In diesem Beitrag erfahren Elektrofachkräfte und elektrotechnisch unterwiesene Personen, wie sie die fünf Sicherheitsregeln richtig umsetzen, praktisch anwenden und damit für Elektrosicherheit sorgen.

Besonders wichtig: 1. Freischalten und 3. Spannungsfreiheit feststellen

Bitte achten Sie besonders gewissenhaft auf die Umsetzung der 1. Sicherheitsregel „Freischalten“ und der 3. Sicherheitsregel „Spannungsfreiheit feststellen“. Nachweislich passieren durch die Missachtung dieser beiden Regeln die meisten Stromunfälle.

Was macht man beim Freischalten?

Bevor an elektrischen Anlagen gearbeitet wird, muss der spannungsfreie Zustand hergestellt werden. Das heißt, dass alle aktiven Leiter einer Anlage oder auch eines Betriebsmittels spannungsfrei sein müssen. Dazu werden alle aktiven Leiter allpolig von der Spannungsversorgung abgetrennt.

Wie Sie in elektrischen Anlagen bis 1.000 Volt richtig freischalten

In elektrischen Anlagen bis 1.000 Volt schalten Sie in der Regel auf diese Weise frei:

  • Ausschalten von Leitungsschutzschaltern, Fehlerstromschutzeinrichtungen, Sicherungslasttrennschaltern, Leistungsschaltern oder
  • Herausnehmen von Sicherungseinsätzen oder Trennlaschen mittels NH-Sicherungsaufsteckgriff nach DIN EN 61243-3, mit Stulpe, dazu Verwendung von Gesichtsschutzschirm und Schutzhelm.

Beachten Sie: Schütze sind zum Freischalten nicht geeignet!

In Niederspannungsanlagen schalten Sie alle Außenleiter aus. Muss ein vorhandener PEN-Leiter in besonderen Fällen aufgetrennt werden, sollten Sie darauf achten, dass seine Schutzwirkung für die noch unter Spannung stehenden Anlagenteile nicht aufgehoben wird.

Wie Sie in elektrischen Anlagen über 1.000 Volt richtig freischalten

In Anlagen über 1.000 Volt erfolgt das Freischalten durch:

  • Ausschalten der Leistungsschalter und der zugehörigen Trennschalter in Schaltanlagen bzw. durch
  • Ausschalten der Lasttrennschalter in Netzstationen.

Ausziehbare Schalteinrichtungen, Trennschalter, Lasttrennschalter, Leistungsschalter, Sicherungstrennschalter oder Sicherungsunterteile müssen den Bedingungen für Trennstrecken nach DIN VDE 0670-402 entsprechen. Zu beachten ist, dass Sicherungstrennschalter mit herausgenommenen HH-Sicherungen diese Forderung nur im ausgeschalteten Zustand erfüllen.

Zum Herausnehmen von HH-Sicherungen sind einschenklige Sicherungszangen nach DIN VDE 0681-3 zu verwenden; als persönliche Schutzausrüstung dienen Gesichtsschutzschirm und Schutzhelm.

Auf mögliche Rückspannungen achten

Allseitig ausschalten: Freigeschaltet ist nur, wenn allseitig, d.h. von allen möglichen Einspeiserichtungen, ausgeschaltet wurde. Darauf ist besonders zu achten, wenn mit Rückspannung zu rechnen ist oder in Anlagenteile oder Anschlussräume von verschiedenen Quellen eingespeist wird.

Transformatoren ober- und unterspannungsseitig freischalten: Mit Rückspannung ist z.B. zu rechnen, wenn Transformatoren, Spannungswandler, Ersatzstromversorgungsanlagen oder Einspeisungen von erneuerbaren Energien installiert sind. Deshalb müssen Sie z.B. Transformatoren ober- und unterspannungsseitig freischalten.

Kondensatoren, Kabel und Wicklungen entladen: Dabei müssen die Entladevorrichtungen der Nennspannung und der Ladungsenergie angepasst sein. Bei Nennspannungen über 1 kV sind Entladevorrichtungen mithilfe einer Isolierstange entsprechend DIN VDE 0681-1 (jedoch Arbeitskopf nicht überbrückungssicher) heranzuführen.

Einen im Sternpunktleiter vorhandenen Schalter ausschalten: In Anlagen über 1 kV muss auch ein im Sternpunktleiter vorhandener Schalter ausgeschaltet werden, ausgenommen in unmittelbar (starr) geerdeten Netzen.

Zeiten für Beginn und Ende: Es ist unzulässig, Zeiten für Beginn und Ende des Freischaltens zu vereinbaren.

Anleitung: Fünf Sicherheitsregeln umsetzen

Schwierig, bei so vielen Anforderungen nichts zu vergessen und den Überblick zu behalten. Machen Sie es sich leichter! Der ElektroCheck unterstützt Sie bei der Organisation der Elektrosicherheit.

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Hier einige Beispiele für Arbeitshilfen aus dem Produkt. Sie helfen Ihnen dabei, die fünf Sicherheitsregeln richtig umzusetzen.

Anleitung zur richtigen Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln Muster-Hinweisschild zum Thema "Nicht schalten" zur Umsetzung der Sicherheitsregeln. Checkliste für die Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln zum Arbeiten im spannungsfreien Zustand
Mit dieser Anleitung zur praktischen Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln können Sie elektrotechnisches Personal schulen. Hilfe bei der sicheren Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln bietet der ElektroCheck z.B. in Form von Mustern für Hinweisschilder – hier ein Schild zur Sicherung gegen Wiedereinschalten. Die Checkliste zum Arbeiten im spannungsfreien Zustand führt Sie Punkt für Punkt durch die korrekte Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln.

Wie sichert man gegen Wiedereinschalten?

Freischaltstellen beschildern

Eine Beschilderung ist Pflicht! Beschildern Sie mit dem Hinweisschild „Schalten verboten“. Das ist eine der zentralen Maßnahmen zur Sicherung gegen Wiedereinschalten an den Freischaltstellen.

Sicherungseinsätze vollständig herausnehmen

Wenn Sie in Niederspannungsanlagen durch Herausnehmen von Sicherungseinsätzen oder einschraubbaren Leitungsschutzschaltern freischalten, dann müssen Sie diese vollständig herausnehmen. Es reicht nicht aus, diese Einsätze nur zu lockern.

Herausgenommene Teile sicher verwahren

Um ein unbefugtes Wiedereinschalten zu verhindern, ist die sichere Verwahrung der herausgenommenen Teile vorgeschrieben. Das offene Ablegen, unmittelbar am Einbauort, gilt nicht als sicheres Verwahren. Auch müssen Sie Ersatzsicherungseinsätze, die z.B. in Niederspannungsverteilungen bereitgehalten werden, für die Zeit der Arbeit entfernen.

Blindeinsätze oder Schraubkappen einsetzen

Vorteilhaft ist es, wenn Sie anstelle der herausgenommenen Elemente Blindeinsätze oder Schraubkappen einsetzen, die nur mit besonderem Werkzeug entfernt werden können. In diesem Fall ist das Werkzeug sicher zu verwahren.

Mit Sperrstiften, Aufsteckkappen, Klebefolien sichern

Fest eingebaute Leitungsschutzschalter müssen Sie im ausgeschalteten Zustand gegen Wiedereinschalten sichern, z.B. durch Sperrstifte, Aufsteckkappen oder Klebefolien.

Wie stellt man die Spannungsfreiheit fest?

Spannungsfreiheit direkt an der Arbeitsstelle feststellen

Die Spannungsfreiheit muss direkt an der Arbeitsstelle festgestellt werden. Diese Maßnahme deckt auf, wenn:

  • beim Freischalten Schalter verwechselt wurden;
  • weitere mögliche Einspeisungen übersehen wurden, z.B. Rückspannung, Ersatzstromversorgung;
  • der Arbeitende seine Arbeitsstelle verwechselt hat;
  • Spannungsverschleppung, z.B. in Verbindung mit unterbrochenem PEN-Leiter, vorliegt.

Feststellung der Spannungsfreiheit nur durch Fachpersonal!

Die Spannungsfreiheit darf nur durch eine Elektrofachkraft oder durch eine elektrotechnisch unterwiesene Person festgestellt werden.

Bis zum abgeschlossenen Feststellen der Spannungsfreiheit gilt die Anlage als unter Spannung stehend. Deshalb gehört das Feststellen der Spannungsfreiheit zum Arbeiten unter Spannung. Welche persönliche Schutzausrüstung dafür erforderlich ist, muss im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt werden.

Spannungsfreiheit allpolig feststellen

Die Spannungsfreiheit muss allpolig festgestellt werden, d.h., man misst alle Außenleiter gegen Neutralleiter und Erdpotenzial.

Spannungsfreiheit messen

Die Spannungsfreiheit stellen Sie fest mit einem zweipoligen Spannungsprüfer

  • bis 1.000 Volt Wechselspannung nach VDE 0682-401
  • bis 1.500 Volt Gleichspannung nach VDE 0682-402

Spannungsprüfer vor und nach Gebrauch überprüfen

Spannungsprüfer müssen mindestens unmittelbar vor Gebrauch und nach Möglichkeit auch nach Gebrauch auf Funktion überprüfen, entweder an unter Spannung stehenden Anlagenteilen oder durch eine im Spannungsprüfer eingebaute Eigenprüfeinrichtung. Außerdem sollte der Spannungsprüfer auf augenfällige Mängel, wie z.B. einem Gehäuseschaden oder einer porösen Leitung geprüft werden.

Wie wird geerdet und kurzgeschlossen?

Das Erden und Kurzschließen stellt den spannungsfreien Zustand für die Dauer der Arbeiten sicher, auch im Hinblick auf Beeinflussungsspannungen, atmosphärische Überspannungen oder irrtümliches Wiedereinschalten.

Die Arbeitsstelle definieren

Der Begriff „Arbeitsstelle“ darf in vielen Fällen nicht zu eng ausgelegt werden. Zum Beispiel müsste in einer Schaltanlage, die gereinigt wird, die Erdung und Kurzschließung für jeden Beschäftigten mit dem Fortschreiten der Arbeit wandern. Dies wäre jedoch praxisfremd. Als Arbeitsstelle wird deshalb vielfach z.B. eine ganze Sammelschiene oder eine Gruppe von nebeneinander liegenden Schaltfeldern, in denen gearbeitet wird, bezeichnet.

Erdungs- und Kurzschließvorrichtungen sollen von Arbeitsstelle aus sichtbar sein

Die Erdungs- und Kurzschließvorrichtungen müssen nach Möglichkeit von der Arbeitsstelle aus sichtbar sein. Andernfalls sind sie so nahe wie möglich bei der Arbeitsstelle anzubringen.

Wenn Leiter unterbrochen oder verbunden werden

Müssen während der Arbeit Leiter unterbrochen oder verbunden werden, dann sind zuvor an der Arbeitsstelle geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wie z.B. Überbrückung, Erdung. Dies trifft u.a. beim Lösen und Verbinden von Leiterschlaufen an Abspannmasten zu.

Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen treffen

Können Anlagenteile in der Nähe der Arbeitsstelle nicht freigeschaltet werden, müssen vor Arbeitsbeginn zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie beim Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile getroffen werden, wobei benachbarte Teile im Sinne der 5. Sicherheitsregel Teile sind, die sich in der Annäherungszone befinden.

Schutz durch technische Maßnahmen vorrangig

Grundsätzlich ist dem Schutz durch technische Maßnahmen der Vorzug gegenüber organisatorischen Maßnahmen zu geben. Die geforderten Sicherheitsmaßnahmen

  • Schutz durch Schutzvorrichtung, Abdeckung, Kapselung, isolierende Umhüllung oder
  • Schutz durch Abstand und Aufsichtsführung

sind zwingend für das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile. Beide Sicherheitsmaßnahmen können je nach der Art der Arbeit sowie der verwendeten Werkzeuge und Materialien auch kombiniert werden.

Maßnahmen für Elektrofachkräfte oder elektrotechnisch unterwiesene Personen bei Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile

Schutz durch Schutzvorrichtung, Abdeckung, Kapselung, isolierende Umhüllung Schutz durch Abstand und Aufsichtsführung
bis 1.000 Volt

  • Matten zur Standortisolierung
  • Abdecktücher
  • Umhüllungen
  • Faltabdeckungen
  • Formstücke
Schutzabstände nach Tabelle 102 von DIN VDE 0105-100 bei elektrotechnischen Arbeiten durch Elektrofachkräfte oder elektrotechnisch unterwiesene, wie z.B.

  • Bewegen von Leitern und sperrigen Gegenständen
  • Arbeiten auf Freileitungen

In allen Fällen mit Aufsichtsführung.

über 1.000 Volt

  • Platten aus Isolierstoff oder Holz
  • Isolierende Schutzplatten bis 36 kV
Schutzabstände nach Tabelle 103 von DIN VDE 0105-100

  • bei Bauarbeiten und sonstigen nicht elektrotechnischen Arbeiten durch elektrotechnische Laien, wie z.B.
  • Gerüstbau
  • Arbeiten mit Hebezeugen, Baumaschinen und Fördermitteln
  • Montagearbeiten
  • Transportarbeiten
  • Anstrich- und Ausbesserungsarbeiten

Bewegen von sonstigen Geräten und Bauhilfsmitteln in allen Fällen mit Aufsichtsführung.

Fazit aus der Einleitung zur DIN VDE 0105-100

„Die besten Vorschriften und Anweisungen sind wertlos, wenn nicht alle Personen, die an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen arbeiten, mit diesen Festlegungen vertraut sind und sie strikt einhalten“.

Autor*in: Jörg Adamus