06.03.2019

So sieht erfolgreiches Lieferantencontrolling aus

Kennen Sie die Stärken und Schwächen Ihrer verschiedenen Lieferanten? Als Einkäufer wird Ihre intuitive Antwort ein „Ja“ sein, denn Sie haben täglich mit ihnen zu tun. Mit den richtigen Instrumenten lässt sich diese intuitive Antwort aber schärfen und erfolgreich nutzen. Wenn Sie die Lieferanten richtig beurteilen, können Sie mit einer reduzierten Anzahl leistungsfähiger Lieferanten Kosten reduzieren. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt ein Beispiel eines mittelständischen Unternehmens aus dem Maschinenbau. Lassen Sie also das drängende Tagesgeschäft für ein paar Minuten liegen und nehmen Sie sich kurz Zeit für strategische Gedanken zum Lieferantencontrolling.

Erfolgreiches Lieferantencontrolling in Excel

Warum Lieferantencontrolling zum Erfolg des Einkaufs beiträgt

Das Klischee-Image von Einkäufern als „Pfennigfuchsern“ ist ein Auslaufmodell! Der moderne Einkäufer ist strategisch ausgerichtet. Er ist derjenige, der für das Unternehmen Lieferantenpartnerschaften aufbaut und – je nach Marktlage – die Strategie verändert. Eine Strategie kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf einem vernünftigen Lieferantencontrolling aufbaut.

Kommunizierbare Ergebnisse bilden den Grund und Boden für ein erfolgreiches Lieferantenmanagement.

Ohne ein leistungsfähiges Lieferanten- und Controllingsystem muss sich der Einkäufer wie ein Lotse ohne Kompass vorkommen. Die zu Kursveränderungen führenden Strategien und Maßnahmen müssen intern und extern zu begründen und zu belegen sein. Um ein Lieferantenmanagement differenziert und gezielt zu betreiben, muss sich der Einkäufer auf kommunizierbare Ergebnisse stützen können.

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Lieferantenbewertung mit Gewichtung: Excel-Tool zum Downloaden

Im Übrigen: Das Lieferantenmanagement ist als Beziehungsmanagement zu verstehen. Mit anderen Worten: Nicht die Lieferanten sind zu managen, sondern die Beziehungen. Das wird deutlich durch die englische Bezeichnung Supplier Relationship Management (SRM). Dass es sinnvoll erscheint, die Kunden-Lieferanten-Beziehungen „aus dem Bauch heraus“ zu steuern, muss aber bezweifelt werden. Erfolgversprechender ist es, wenn der Einkäufer auf ein die Realität widerspiegelndes Lieferantenbewertungs- und -controllingtool zurückgreifen kann.

Außerdem ist zu bedenken, dass mit der Einbeziehung technologieführender Lieferanten in den Produktentstehungsprozess auf den Einkauf neue Anforderungen und Aufgaben hinzukommen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen sich vom Materialmanager zum Wissensmanager entwickeln und sollen daher auf ein effektives Lieferantencontrolling zurückgreifen können.

Leistungsfähige Lieferanten in den Wertschöpfungsprozess integrieren

Qualität und Quantität der zugekauften Wertschöpfung hängen sowohl von der Leistungsfähigkeit der Lieferanten als auch von deren Bereitschaft ab, ihre Leistungsfähigkeit zur Verfügung zu stellen. Ein auf die externen Kunden fokussiertes Denken und Handeln beinhaltet auch, dass die Leistungen der Lieferanten und Sublieferanten nach außen stets als Leistungen des eigenen Unternehmens zu betrachten sind. Eine der wichtigsten Strategien wird daher in Zukunft der Aufbau und die Integration leistungsfähiger und zuverlässiger Lieferanten in den Wertschöpfungsprozess sein.

Ein Spitzenlieferant zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass er in allen Bereichen – beispielsweise im Qualitätsmanagement und in der Entwicklung neuer Technologien – über ein hohes Maß an Leistungsfähigkeit verfügt, sondern erweist sich bei der Erfüllung der Lieferleistung als äußerst zuverlässiger Geschäftspartner.

Vorteile eines modular aufgebauten Lieferantenbewertungssystems

Ein Lieferantenbewertungssystem (LBS) sollte die Unterschiede in der Bewertung der Leistungsfähigkeit und Lieferleistung transparent machen. Es steht außer Zweifel, dass ein professionelles Lieferantenmanagement die Institutionalisierung eines leistungsfähigen (!) Lieferantenbewertungssystems voraus setzt. Allerdings ist die Bewertung der Lieferanten – ihrer Leistungsfähigkeit und Lieferleistung – nur dann sinnvoll, wenn die Ergebnisse ausgewertet und aus ihnen zielgerichtet Maßnahmen abgeleitet werden. Die damit im Zusammenhang stehenden Aktivitäten haben Controllingcharakter und gehören zum Lieferantencontrolling.

Im Rahmen eines konsequent zielorientierten Lieferantenmanagements ist das Lieferantencontrolling ein unverzichtbares Führungs- und Steuerungsinstrument, um letztendlich dem Ziel eines optimierten Lieferantenportfolios näherzukommen, das durch einen möglichst hohen Anteil von leistungsstarken und zuverlässigen Lieferanten, d.h. Success-Lieferanten, gekennzeichnet ist.

Bewertungsergebnisse permanent beobachten und auswerten

Zu den wichtigsten Aufgaben des operativen Lieferantencontrollings zählen:

  • Überwachung der Lieferleistung
  • frühzeitiges Erkennen von Veränderungen in der Leistungsfähigkeit von Lieferanten (Trendbeobachtung)
  • Defizite beim Lieferanten transparent machen, um gezielt Maßnahmen einzuleiten (Lieferantenentwicklung)
  • Informationsbasis für Zielvereinbarungen mit Lieferanten (strategisches Lieferantencontrolling)

Für das operative Lieferantencontrolling ist die permanente Beobachtung und Auswertung der Bewertungsergebnisse charakteristisch. Primäres Ziel ist dabei – allgemein formuliert – die Sicherstellung einer optimalen Versorgung der Bedarfsträger, d.h. der internen Kunden. Der Zielerreichungsgrad spiegelt sich konkret in den Bewertungsergebnissen wider: Ein schlechtes Bewertungsergebnis signalisiert eine schlechte Lieferleistung, ein gutes Bewertungsergebnis eine gute Leistung. Je besser das Bewertungsergebnis ausfällt, desto positiver müssen aus dieser Sicht die Kunden-Lieferanten-Beziehungen beurteilt werden. Nachfolgend finden Sie ein Beispiel dafür, wie eine solche Auswertung aussehen könnte.

 Operatives Lieferantencontrolling – Auswertungstableau
Zielplanung 2019
Soll-Ist-Abgleich
Materialgruppe: … Verantwortlich: …
Lieferanten Qualität Termin Menge Abweichungsanalyse
Ziel Ist Ziel Ist Ziel Ist
Toko GmbH 100 100 100 100 90 88
Fax KG 100 100 100 94 100 88
Combo AG 100 100 98 80 80 90
Brown AG 100 100 100 100 96 100
Jellinek Surska 100 98 92 88 90 80
Meier & Söhne 100 100 96 98 94 80
Durchschnitt 100 99,7 97,7 93,3 91,7 87,7

Praxisbeispiel strategisches Lieferantencontrolling aus dem Maschinenbau

Ausgangslage

Ein mittelständisches Unternehmen des Maschinenbaus mit Fertigung in Deutschland hat vor kurzem den Steuerschrank für seine Maschinen einer Standardisierung unterworfen. Mit dieser Maßnahme wurden die verschiedenen Ausführungen so weit wie möglich vereinheitlicht, was jedoch keine wesentlichen Kostenvorteile brachte. Eine deutliche Kostensenkung wurde schließlich als notwendig betrachtet. Vor diesem Hintergrund hat die Geschäftsleitung ein Wertanalyseprojekt initiiert.

Umsetzung

Bisher gab es im Unternehmen kaum Erfahrungen mit der Wertanalyse. Daher wurde ein Berater mit entsprechender Erfahrung einbezogen. Er nahm die Rolle eines externen Teamleiters ein und sorgte nicht zuletzt für die Kommunikation zwischen den einbezogenen Funktionen.

Gespräche im Vorfeld ließen erwarten, dass Einsparungen vor allem im Bereich des Blechgehäuses und im Geräteaufbau zu erwarten waren. Die beiden entsprechenden Lieferanten wurden in das Wertanalyseprojekt eingebunden.

Insgesamt wurden folgende Funktionen in das Wertanalyseteam einbezogen:

  • strategischer Einkauf
  • operativer Einkauf
  • Marketing/Vertrieb
  • Entwicklung
  • Fertigung
  • Controlling
  • Lieferant 1
  • Lieferant 2
  • Berater (externer Teamleiter)

Das Team hatte an einen Lenkungsausschuss zu berichten, der aus Mitgliedern der Geschäftsleitung bestand. Hierbei handelte es sich um folgende Berichte:

  • Zwischenbericht nach Istaufnahme und Erstellung des Sollkonzepts
  • Zwischenbericht nach Sammeln und Bewerten von Lösungsideen
  • Abschlussbericht nach Erstellen einer ganzheitlichen Lösung

Die Aufgabenstellung fokussierte sich auf eine Einsparung von 15 Prozent. Die Teamarbeit sollte in 20 Projekttagen (ganztätigen Teamsitzungen) und innerhalb von vier Monaten ab Projektstart abgeschlossen sein.

Im ersten Abschnitt wurde die Istaufnahme durchgeführt und das Sollkonzept erstellt. Hierzu gehörten:

  • Termin- und Aufgabenplanung
  • SWOT-Analyse
  • Funktionenbaum

Anhand des Funktionenbaums (Ist) wurden die nach Material- und Montagekosten gegliederten Istkosten den Teilfunktionen zugeordnet und ließen sich bis zur Hauptfunktion verdichten. Damit wurde ein Überblick über die Kostenstruktur geschaffen.

Im nächsten Schritt wurden unnötige Funktionen ermittelt und eliminiert. Ein überarbeiteter Funktionenbaum (Soll) wurde erstellt und mit dem Sollkosten versehen.

Im Rahmen der konsequent durchgeführten Teamarbeit wurden Lösungsvorschläge zu konkreten Vorschlägen verdichtet und unrealisierbare Lösungsideen ausgesondert. Gründe für das Aussondern waren z.B.:

  • technisch nicht realisierbar
  • zu teuer (teurer als vorhandene oder andere Lösungen)
  • unwirtschaftlich (zu hohe Anlaufkosten oder Werkzeuge, Entwicklungsaufwand)

Untersuchungen im Einzelnen und offene Diskussionen führten zu einem Paket von Vorschlägen, die dem Lenkungsausschuss vorgestellt wurden. Diese Abschlusspräsentation beinhaltete ca. 20 Einzelvorschläge in drei Gruppen, und zwar:

  • Schnellschüsse (sofort umsetzbar)
  • Freigabeprozeduren (umsetzbar nach individuellem Test)
  • Prototyp (Bau eines Prototyps zur Freigabe erforderlich)

Insgesamt wurde ein Potenzial von ca. 18 Prozent ermittelt und zur Umsetzung vorgeschlagen. Die Amortisationszeit der erforderlichen Aufwände (einschließlich derer für die Wertanalyse selbst) wurde mit ca. vier Monaten errechnet. Lenkungsausschuss und Geschäftsführung folgten dem Vorschlag und leiteten die (inzwischen erfolgreiche) Realisierung ein.

Prozesscontrolling

Über die gesamte Projektzeit wurde das zu erwartende Ergebnis einem Controlling unterzogen. Auch die positiven Abweichungen waren nachvollziehbar zu begründen. Negative standen nicht an – diese wären entsprechend behandelt worden.

Fazit des Wertanalyseprojekts

Im Zuge des Wertanalyseprojekts wurde eine funktions- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit praktiziert. Diese offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit hat sich ausgezahlt. Neben dem Erfolg für das Unternehmen wurden auch wertvolle persönliche Erfahrungen gemacht, die wiederum nicht zuletzt dem Unternehmen zugutekommen.

Ohne die Einbindung der strategischen Lieferanten wäre dieser Erfolg wohl kaum möglich gewesen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt sein, dass der Begriff „Einbindung“ auch beiderseitige Transparenz bezüglich Abläufen und Kosten beinhaltet. Die seitens der Lieferanten erbrachte Leistung wurde nicht gesondert honoriert. Sie wurde im Rahmen der strategischen Zusammenarbeit zwischen Kunde und Lieferant erbracht. Leistungen dieser Art gehen über die Lieferantenbewertung (z.B. Hauptkriterium „Kosten“, Unterkriterium „Beteiligung an Kostensenkungsmaßnahmen“) in das Lieferantencontrolling ein. Sie sind mindestens mit direkten Preissenkungen gleich zu bewerten.

Sie lasen soeben den gekürzten Beitrag „Lieferantenmanagement – Lieferantenbewertung und Lieferantencontrolling als Steuerungsinstrument“ unseres Autors Prof. Dr. Hartmann. Er steht zusammen mit anderen Autorinnen und Autoren für die Qualität des Online-Titels Einkauf – Logistik – Transport, unserer hochwertigen Fachinformationen für die Branche: von Lieferantencontrolling über Global Sourcing bis zu Organisation im Einkauf.

Autor*in: Sigrid Habersaat