18.09.2023

Konjunktur-Index: Lkw-Verkehr sinkt weiter

Sie schrumpft, die deutsche Wirtschaft. Wer das bezweifelt, braucht nur auf die Tiefgangmarken an den Schiffen auf der Unterelbe bei Hamburg zu schauen, die Entwicklung des BIP oder den Fahrleistungsindex der LKW-Maut der Bundesämter für Logistik und für Statistik. Er sinkt immer weiter.

Konjunktur-Index

Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen 

Die Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen ist im Juli 2023 gegenüber Juni 2023 kalender- und saisonbereinigt um 0,4 Prozent  gestiegen. Wie das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilen, lag der kalenderbereinigte Lkw-Maut-Fahrleistungsindex um 2,1 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat Juli 2022. Die Zahlenforscher sehen in dem Index einen wichtigen Frühindikator für die Konjunkturentwicklung. 

Das Institut der deutschen Wirtschaft geht für 2023 mit einem Rückgang des BIP von bis zu 0,5 Prozent aus. Zum Jahresende werde die Leistung demnach gerade einmal auf dem Niveau von 2019 stehen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) macht in seinem aktuellen Konjunkturbericht hohe Zinsen, teure Energie und ein schwacher Export für eine Lähmung der deutschen Wirtschaft verantwortlich.  

Die deutschen Importpreise sind im Juli wegen billigerer Energie so stark gefallen wie seit über 36 Jahren nicht mehr. Die Einfuhren verbilligten sich um durchschnittlich 13,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf das Statistische Bundesamt berichtet. Das sei der stärkste Preisrückgang seit Januar 1987.  

Lkw-Verkehr und Konjunkturentwicklung 

Die Lkw-Fahrleistung auf Autobahnen gibt demnach frühe Hinweise zur aktuellen Konjunkturentwicklung in der Industrie. Wirtschaftliche Aktivität erzeugt und benötigt Verkehrsleistungen. Daher bestehe ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Lkw-Maut-Fahrleistungsindex und Indizes zur wirtschaftlichen Aktivität, insbesondere dem Produktionsindex im Verarbeitenden Gewerbe. Der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex liefere somit eine grobe Annäherung an die Entwicklung der Industrieproduktion. Er sei etwa einen Monat früher verfügbar als der Produktionsindex. Deswegen eigne er sich als Frühindikator für die Konjunkturentwicklung. Eine Untergliederung nach Wirtschaftszweigen sei allerdings nicht möglich. 

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Online-Version

Der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex basiert auf digitalen Prozessdaten, die im Zuge der Lkw-Mauterhebung erzeugt werden. Der Index zeichnet die Fahrleistung der mautpflichtigen Lkw nach. Entwickelt wurde der Index vom Bundesamt für Logis-tik und Mobilität. Das Statistische Bundesamt bereitet ihn als saisonbereinigten Konjunkturindikator für Deutschland und die einzelnen Bundesländer auf. Zudem werden Daten zu Fahrten über die Grenzen Deutschlands bereitgestellt. 

Pulsmesser Wirtschaft 

Zusätzlich zum monatlichen Index veröffentlichen die Ämter versuchsweise einen täglichen Lkw-Maut-Fahrleistungsindex für Deutschland. Die Tageswerte sind zusammen mit weiteren täglich verfügbaren Konjunkturindikatoren Teil des Indikatoren-Sets des „Pulsmesser Wirtschaft“ im Dashboard Deutschland (www.dash-board-deutschland.de). Mit diesem Tool lassen sich verschiedene Statistiken und Merkmale übersichtlich in einer Grafik gegenüberstellen. Die Kombination hochfrequenter Indikatoren ermögliche so, die Konjunkturentwicklung nahezu in Echt-zeit zu beobachten. 

Die monatlichen Ergebnisse zum Lkw-Maut-Fahrleistungsindex sind abrufbar in:  

  • der Datenbank Genesis-Online über die Tabellen 42191-0001 (Deutschland), 42191-0010 (Bundesländer) und 42191-0002 (grenzüberschreitende Fahrten) sowie  
  • auf der Themenseite „Konjunkturindikatoren“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes. 

Mautdaten Tabellenwerk 

Im Rahmen der „Mautstatistik“ wertet das Bundesamt für Logistik und Mobilität die Mautdaten aus. Seit 2008 geführte detaillierte Tabellen stehen im Internetangebot des BALM unter dem Namen „Mautdaten Tabellenwerk“ bereit. Dabei machen die Statistiker mit dem Lkw-Maut-Fahrleistungsindex die konjunkturelle Entwicklung besser sichtbar durch weitgehenden Ausschluss von. 

  • Veränderungen des Umfangs des mautpflichtigen Straßennetzes  
  • des der Mautpflicht zugrundeliegenden Gesamtgewichts der Fahrzeuge  
  • der Fahrzeugkombinationen im Zeitverlauf  

Weitere Ergebnisse des Tabellenwerks des Bundesamtes für Logistik und Mobilität sind mit Differenzierungen der mautpflichtigen Fahrleistung, zum Beispiel nach Zulassungsstaat oder Schadstoffklassen, über das bestehende Veröffentlichungsprogramm verfügbar. Aufgrund des breiteren Datenangebots und des damit höheren Auswertungsaufwands erscheint das monatliche Tabellenwerk in der Regel später als der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex und wird ohne Bereinigung von saisonalen Effekten sowie strukturellen Veränderungen der Mauterhebung bereitgestellt. 

Grober Index Tiefgang 

Einen ähnlichen, wenn auch gröberen Anhaltspunkt für die Konjunktur Deutschlands bieten die Marken an den ein- und auslaufenden Schiffen auf der Unterelbe bei Hamburg für:  

  • Tiefgang 
  • Freibord 
  • Lademarke 
  • Tragfähigkeit
  • Schiffsgröße 

Wir beziehen uns auf Erklärungen des „Schiffslexikon“. Demnach lässt sich der Tiefgang eines Schiffes an den Ahmings, den Tiefgangmarken am Bug und am Heck, mitunter auch mittschiffs, ablesen. Die Skala beginnt am Kiel und ist in englische Fuß oder in Dezimeter eingeteilt. Ahming ist eine Ableitung aus dem Niederdeutschen ahmen für eichen, messen. 

Um sicherzustellen, dass überkommendes Wasser nicht das Schiffsdeck beschädigt, ist ein Mindestfreibord einzuhalten. Dieser lässt sich in der Mitte des Schiffes aus dem Abstand der Freibordmarke bis zur Oberkante des Deckstrichs ablesen. Die Freibord- oder Plimsoll-Marke ist ein Kreis mit einem Durchmesser von 30 cm, durch dessen Mitte die Oberkante eines Strichs führt, die den Sommerfreibord bei Seeschiffen in Salzwasser festlegt. Die Buchstaben an dem Kreis stehen für die Klassifikationsgesellschaft, also z. B. GL für Germanischer Lloyd. 

Senkrechte und waagerechte Striche 

Die Lademarke aus einem senkrechten und mehreren waagerechten Strichen neben der Freibordmarke gibt die zulässigen Eintauchtiefen bei Wasser mit unterschiedlicher Dichte an, etwa Süß- oder Salzwasser. Die Buchstaben an den waagerechten Strichen bezeichnen den Freibord in:  

  • TF: Süßwasser Tropen 
  • F: Süßwasser 
  • T: Seewasser Tropen 
  • S: Seewasser Sommer 
  • W: Seewasser Winter 
  • WNA: Seewasser im Winter im Nordatlantik.  

Die Lademarke ist, so das „Schiffslexikon“, immer auf der Seite von der Freibordmarke angebracht, die zum Bug des Schiffes weist. Die Lademarke ist zudem bei der Berechnung der Gesamttragfähigkeit eines Schiffes entscheidend, angegeben in tons deadweight (tdw) oder deadweight tonnage (dwt). Hierbei wird die Differenz der Wasserverdrängung des unbeladenen und des bis zur höchsten Lademarke belasteten Schiffes zugrunde gelegt. Gemessen wird entweder in englischen long tons zu 1016 kg oder metrischen Tonnen zu 1000 kg. 

Von der Größe eines Schiffes (Tonnage) hängen verschiedenen Abgaben wie:  

  • Hafengebühren 
  • Lotsen
  • Kanalgebühren
  • Schleusendurchfahrten.  

Gegen die früher üblichen Angaben für die Größe in Bruttoregistertonnen (BRT) und Nettoregistertonnen (NRT) haben sich die Begriffe Bruttoraumzahl (BRZ) bzw. Nettoraumzahl (NRZ) durchgesetzt. Dabei misst man nicht mehr in Tonnen, sondern in Kubikmetern. Die BRZ errechnet sich mit einer speziellen Formel aus der Größe aller geschlossenen Räume vom Kiel bis zum Schornstein, die NRZ insbesondere aus dem Inhalt der Laderäume und der Anzahl der Passagiere, sozusagen des verdienenden Teils des Schiffes. 

Fokus auf Weltmärkte und hohe Exportquote 

Aufgrund ihres hohen Fokus auf die Weltmärkte und ihrer hohen Exportquote leide die deutsche Wirtschaft überdurchschnittlich unter den geoökonomischen Schocks wie dem Ukrainekrieg und den Spannungen im Verhältnis zu China, zitiert „Welt“ die Wissenschaftler des IW aus ihrem Konjunkturbericht. Mit ihrem im internationalen Vergleich hohen Industrieanteil und der Bedeutung energieintensiver Industrien bekomme sie zudem die bestehenden Versorgungsrisiken und Kostenschocks stärker zu spüren als andere Länder. Zudem leide die Inlandsnachfrage unter der hohen Inflation. Der private Konsum werde zur Konjunkturbremse. Die Wirtschaftsleistung werde deshalb zum Jahresende 2023 gerade einmal auf dem Niveau von Ende 2019 liegen, prognostizierten die IW-Experten. Für das 3. und 4. Quartal 2023 rechnen sie mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. 

Basiseffekt durch Preissteigerungen 

Ausschlaggebend für den aktuellen Rückgang sei wie schon in den Vormonaten vor allem ein Basiseffekt durch die hohen Preissteigerungen im Vorjahr aufgrund des Kriegs in der Ukraine, so das „Handelsblatt“ weiter zu der Mitteilung des Statistischen Bundesamtes. Bereits im Juni mit minus 11,4 Prozent und im Mai mit minus 9,1 Prozent hätten sich dadurch die Einfuhren deutlich verbilligt. Von Juni auf Juli sanken die Preise um 0,6 Prozent. Hier hätten Ökonomen eine Stagnation erwartet. Die deutsche Wirtschaft beziehe viele Vorprodukte und Rohstoffe aus dem Ausland. Deswegen kämen sinkende Einfuhrpreise verzögert bei der allgemeinen Inflation an. Die Lebenshaltungskosten dürften im August um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen sein und damit langsamer als im Juli mit 6,2 Prozent. Im Juli fielen die Energieeinfuhren um 47,4 Prozent günstiger aus als ein Jahr zuvor. Als einen Grund dafür geben die Statistiker um 58,7 Prozent sinkende Preise für importiertes Erdgas. Erheblich günstiger waren zudem:  

  • Strom (minus 75,4 Prozent),  
  • Steinkohle (63,7),  
  • Mineralölerzeugnisse (minus 31,4) sowie
  • Erdöl (minus 33,0).  

Angezogen hätten demgegenüber Preise für importierte Konsumgüter um 1,2 Prozent.  

Schifffahrt nicht allein Indikator für Konjunktur 

Allerdings wäre es zu kurz gesprungen, in der Schifffahrt nur einen Konjunkturmesser zu sehen. So dürfen laut einem Bericht der „Tagesschau“ derzeit täglich nur 32 statt der üblichen 36 Schiffe den für die Weltwirtschaft bedeutsamen Panamakanal passieren. Gründe dafür sieht die Sendung in:  

  • Trockenheit
  • niedrigem Wasserstand
  • Vorgabe der zuständige Kanalbehörde zur Senkung des maximalen Tiefgangs für die Durchfahrt zwischen Atlantik und Pazifik in der Folge mit langen Wartezeiten und Staus. 

Da die für die globalen Lieferketten besonders wichtigen Containerschiffe schneller durch den Kanal geleitet werden und er trotz der Einschränkungen befahrbar bleibt, dürften aber die negativen Auswirkungen überschaubar sein, heißt es weiter u.a. unter Berufung auf das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Experten gingen davon aus, dass solche Probleme aufgrund des Klimawandels in Zukunft noch häufiger auftreten würden.  

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)