10.04.2018

So berät der Betriebsrat: Kein Klageverzicht ohne Gegenleistung

Verzichtet ein gekündigter Arbeitnehmer auf sein Klagerecht, kann er hierfür vom Arbeitgeber eine Kompensation verlangen. Denn ohne Gegenleistung würde ein solcher Klageverzicht den Arbeitnehmer benachteiligen. Laut dem LAG Hamburg kann ein Klageverzicht durch bezahlte Freistellung kompensiert werden.

Betriebsrat Abwicklungsvertag

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Ein Arbeitnehmer war in einem Baumarkt auf der Basis eines bis zum 15.04.2016 befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt. Der Vertrag sah die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vor dem vereinbarten Ende vor. Ende Januar 2016 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 29.02.2016. Einen Tag nach der Kündigung schlossen die Parteien einen Abwicklungsvertrag „zur Vermeidung eines Arbeitsgerichtsprozesses“. In dem Vertrag einigten sich die Parteien auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 29.02.2016 sowie eine bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers unter Verrechnung seiner Urlaubsansprüche ab dem 01.02.2016. Kurz nach Abschluss des Abwicklungsvertrages entdeckte der Arbeitnehmer, dass seine Stelle zur Neubesetzung im Internet ausgeschrieben war. Daraufhin erhob er Kündigungsschutzklage. Seines Erachtens seien die Gründe für die betriebsbedingte Kündigung vorgeschoben und die Kündigung deshalb unwirksam.

Das sagt das Gericht

Die Klage blieb erfolglos. Nach Ansicht des Gerichts sei die Formulierung im Abwicklungsvertrag „zur Vermeidung eines Arbeitsgerichtsprozesses“ rechtlich als Klageverzicht zu qualifizieren. Da der Klageverzicht wirksam zustande gekommen sei, sei die erhobene Kündigungsschutzklage unzulässig. Ein angemessener Ausgleich für den Klageverzicht könne bei einem wirksam befristeten Arbeitsverhältnis, das ohnehin anderthalb Monate später als im Abwicklungsvertrag vereinbart geendet hätte, darin liegen, dass der Arbeitnehmer für einen Monat unter Vergütungsfortzahlung freigestellt werde. LAG Hamburg, Urteil vom 01.03.2017, Az.: 5 Sa 65/16

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Viele Arbeitgeber versuchen nach Ausspruch einer Kündigung möglichst rasch Rechtssicherheit zu erlangen. Zu diesem Zweck bieten sie dem gekündigten Arbeitnehmer den Abschluss eines sogenannten Abwicklungsvertrages an. Darin wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer mit der Kündigung einverstanden ist und auf sein Klagerecht nach § 4 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) verzichtet. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein solcher Verzicht ohne eine ihn angemessen kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG, Urteil vom 24.09.2015, Az.: 2 AZR 347/14). Als Gegenleistung kommen z. B. eine angemessene Abfindung oder eine bezahlte Freistellung in Betracht. Als Betriebsrat sollten Sie einem betroffenen Beschäftigten klar machen, dass es sich für ihn lohnen muss, wenn er auf sein Klagerecht verzichtet. D. h., bei der vom Arbeitgeber angedachten Kompensation sollte es sich um einen nennenswerten Vorteil handeln. So ist z. B. das Versprechen eines guten oder sehr guten Arbeitszeugnisses nach der Rechtsprechung ohne weitere Kompensation nicht ausreichend.

Definition: Abwicklungsvertrag

In einem Abwicklungsvertrag regeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich die Folgen einer Kündigung. Anders als der Aufhebungsvertrag beendet der Abwicklungsvertrag das Arbeitsverhältnis nicht, sondern eine vorhergegangene Kündigung. Im Rahmen des Abwicklungsvertrages verständigen sich die Parteien darauf, dass hinsichtlich der Beendigung Einigkeit besteht und im Übrigen das Arbeitsverhältnis zu den im Vertrag vereinbarten Konditionen abgewickelt wird.

 

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)