03.04.2017

Betriebsbedingte Kündigungen: So reagiert der Betriebsrat richtig

Möchte der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen, kann der Betriebsrat das nicht immer verhindern. Aber er kann alle Möglichkeiten ausschöpfen – besonders die Bestimmung der Vergleichsgruppe und die Sozialauswahl bieten Ansatzpunkte für Widersprüche.

Kündigung Betriebsrat

Betriebsbedingte Kündigungen sind für die Arbeitgeber mit vielen Formalitäten verbunden. Verstöße dagegen geben dem Betriebsrat die Chance, das Vorhaben zu Fall zu bringen oder für die Arbeitnehmer mehr herauszuholen.

Wie prüft der Betriebsrat die Kündigung?

Hat sich der Arbeitgeber zu betriebsbedingten Kündigungen entschlossen, muss er zunächst eine Sozialauswahl durchführen. Dazu muss er den Betriebsrat nicht informieren – wenn er den Betriebsrat informiert, muss er sie aber vorgenommen haben. Informiert Sie der Arbeitgeber nach durchgeführter Sozialauswahl, prüfen Sie die Begründungen für die betriebsbedingten Kündigungen. Führt der Arbeitgeber externe Faktoren an, müssen diese einen direkten Bezug zum Betrieb haben, z.B. der Wegfall eines Großkunden. Der pauschale Hinweis auf die schlechte Wirtschaftslage reicht hier nicht aus. Sind die Angaben zu allgemein, weisen Sie die betriebsbedingten Kündigungen komplett zurück. Weniger Ansatzpunkte haben Sie, wenn der Arbeitgeber die Kündigungen wegen Umstrukturierungsmaßnahmen ausspricht – dazu hat der Arbeitgeber das Recht. Hier gehen Sie zum nächsten Schritt über: zur Sozialauswahl.

Keine Kündigungen ohne Information des Betriebsrats

Damit betriebsbedingte Kündigungen rechtswirksam sind, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat so gut informieren, dass dieser die Rechtswirksamkeit der Kündigungen ohne eigene Recherche prüfen kann. Ist dies nicht der Fall, kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern.

Wie kommt der Betriebsrat Schwachstellen auf die Spur?

Bei der Sozialauswahl gibt es eine Reihe von Fallstricken. Prüfen Sie zunächst einmal, ob die Auswahlkriterien korrekt sind: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Schauen Sie außerdem, ob die „Vergleichsgruppe“, also jene Arbeitnehmer, die in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, richtig zusammengestellt ist. Viele Arbeitgeber glauben, dass in die Vergleichsgruppe nur Arbeitnehmer mit identischen Arbeitsplätzen und ähnlichen Aufgabenstellungen einzubeziehen sind. Doch dazu gehört jeder Arbeitnehmer, dessen Arbeit der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Ausbildung ausführen kann. Hier ist die Abgrenzung für den Arbeitgeber oft schwierig. Nicht selten gibt es auch formale Mängel bei der Sozialauswahl, die einen Widerspruch begründen können:

  • Arbeitnehmer, die die sechsmonatige Wartezeit für den allgemeinen Kündigungsschutz noch nicht erfüllt haben, müssen vorrangig gekündigt werden.
  • Wenn mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten, muss die Sozialauswahl betriebsübergreifend getroffen werden.
  • Weder gekündigt noch in die Sozialauswahl einbezogen werden dürfen Arbeitnehmer, die befristet eingestellt sind und deren Arbeitsverträge keine Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vorsehen.

Hier findet sich für den Betriebsrat häufig ein Ansatzpunkt, um betriebsbedingten Kündigungen wirksam zu widersprechen.

Hinweis: Aufhebungsverträge als Betriebsrat begleiten

Um den Betriebsrat zu umgehen und Fallstricke zu vermeiden, wählen viele Arbeitgeber Aufhebungsverträge und bezahlen Abfindungen. Weisen Sie die Arbeitnehmer darauf hin, dass sie in diesem Fall auf wichtige Rechte verzichten, z.B. eine Kündigungsschutzklage und damit das Recht auf Weiterbeschäftigung bis zum Ende eines Gerichtsverfahrens. Achten Sie auch darauf, ob Arbeitnehmer überrumpelt wurden, also ohne Bedenkzeit Angebote unterschrieben haben. In diesem Fall sind die Aufhebungsverträge unwirksam (BAG, Urteil vom 16.01.1992, Az.: 2 AZR 412/91).

Als Betriebsrat darauf achten: Geeignete Stellen muss der Arbeitgeber anbieten

Wenn eine vergleichbare Stelle im Betrieb frei ist, muss sie dem betroffenen Arbeitnehmer angeboten werden. Welche Probleme ein Arbeitgeber hier bekommen kann, zeigt ein Urteil des Arbeitsgerichts Bonn (ArbG Bonn, Urteil vom 06.04.2016, Az.: 5 Ca 2292/15). Ein Metallarbeiter verklagte den Arbeitgeber, weil ihm dieser vor der betriebsbedingten Kündigung kein Angebot für eine freigewordene Pförtnerstelle gemacht hatte. Das Gericht gab ihm Recht. Es half dem Arbeitgeber auch nicht, dass er auf die deutlich niedrigere Entgeltgruppe der Pförtnerstelle hinwies und angab, er hätte nicht mit einer Annahme des Angebots rechnen können. Dennoch, so die Richter, muss auch eine solche Stelle angeboten werden. Einzige Ausnahme davon sind Extremfälle, in denen ein Angebot einen „quasi beleidigenden Charakter“ hätte.

HInweis: Wann gilt eine Stelle als frei?

Wann ist eine Stelle „frei“? Ein Arbeitsplatz wird nicht nur dann als „frei“ eingestuft, wenn er zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt ist, sondern auch dann, wenn er bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist absehbar frei wird. Dem Arbeitgeber ist auch zuzumuten, Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers und dem Freiwerden eines Arbeitsplatzes zu überbrücken. Welche Dauer zumutbar ist, hängt vom Einzelfall ab.

Leistungsträger genau beobachten

Häufig stellen sich Arbeitgeber bei der Sozialauswahl selbst ein Bein, weil sie Leistungsträger aus der Vergleichsgruppe herausnehmen und nicht kündigen möchten. Dies ist nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz durchaus möglich, wie auch das BAG bestätigt hat (Urteil vom 12.04.2002, Az.: 2 AZR 706/00). Demnach sind Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, wenn sie wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und/oder Leistungen unverzichtbar sind. Dies muss aber gegen das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers abgewogen werden. So bietet auch die Bevorzugung von Leistungsträgern einen Ansatzpunkt für wirksame Widersprüche des Betriebsrats.

Als Betriebsrat die Personalstruktur im Blick behalten

Manchmal stellen Arbeitgeber bei einer Sozialauswahl fest, dass diese zu einer ungünstigen Personalstruktur führen würde – etwa wegen Überalterung der Belegschaft. Da es ein „berechtigtes Interesse“ des Arbeitgebers an einer ausgewogenen Personalstruktur gibt, darf dieser Altersgruppen innerhalb der Arbeitnehmer, die in die Sozialauswahl einbezogen werden, bilden. Allerdings können viele Arbeitgeber der Versuchung nicht widerstehen, die Personalstruktur zu ihren Gunsten zu verändern, also zu verjüngen. Die Altersgruppen dürfen aber nur zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur gebildet werden.

Gewichtung der Auswahlkriterien

Die Kriterien einer Sozialauswahl sind zueinander zu gewichten. Hauptmerkmale sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten bzw. Einkommen des Lebenspartners sowie vorliegende Schwerbehinderungen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, für die Gewichtung eine Punktetabelle zu entwickeln, sofern es dazu keine Betriebsvereinbarungen oder Tarifvereinbarungen gibt. Allerdings nehmen Gerichte bei einer Kündigungsschutzklage nicht das Punktesystem als Grundlage, sondern berücksichtigen die Besonderheiten des Einzelfalls.

Wenn die Auswahlrichtlinien durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung bestimmt sind, können diese von den Arbeitsgerichten nur eingeschränkt auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies gilt auch, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf eine namentliche Auswahl von Arbeitnehmern geeinigt haben. Allerdings dürfen die Auswahlrichtlinien und auch die Einigung auf zu kündigende Arbeitnehmer nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG widersprechen.

So berät der Betriebsrat die Arbeitnehmer

Sobald der Arbeitgeber die Stellungnahme des Betriebsrats erhalten hat oder die Frist von einer Woche ohne Stellungnahme abgelaufen ist, kann der Arbeitgeber die Kündigungen vornehmen. Jetzt ist die Beratung der betroffenen Arbeitnehmer die vordringlichste Aufgabe des Betriebsrats:

  • Erläutern Sie den Arbeitnehmern die Gründe die zum Widerspruch des Betriebsrats geführt haben bzw. warum der Betriebsrat keinen Widerspruch eingelegt hat.
  • Erklären Sie den Arbeitnehmern die Möglichkeiten einer Kündigungsschutzklage und weisen Sie unbedingt auf die Drei-Wochen-Frist hin, innerhalb der die Klage einzureichen ist.
  • Erläutern Sie ggf. die Pflichten des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreichen will.

Empfehlen Sie den Arbeitnehmern immer auch, sich von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen.

So legt der Betriebsrat Widerspruch ein

Wie bei jeder Kündigung (abgesehen von außerordentlichen Kündigungen) hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, eine Stellungnahme zu verfassen und diese dem Arbeitgeber zu übermitteln (§ 102 Abs. 2 BetrVG). Wenn sich der Betriebsrat nicht äußert, darf der Arbeitgeber dies als Zustimmung werten. Viele Betriebsräte verzichten auf eine Stellungnahme, wenn sie keine Möglichkeit sehen, den Arbeitgeber aufzuhalten. Dies ist jedoch oft nicht im Interesse der Arbeitnehmer. Wenn der Betriebsrat Widerspruch erhebt, der Arbeitgeber aber trotzdem kündigt, muss dem Arbeitnehmer die Kopie des Betriebsrats-Widerspruchs ausgehändigt werden. Dadurch weiß er, dass er bei einer Kündigungsschutzklage das Recht auf Weiterbeschäftigung bis zur Richterentscheidung hat. Strengt ein Arbeitnehmer einen Kündigungsschutzprozess an, muss ihn der Arbeitgeber in diesem Fall bis zum Ende des Prozesses (also unter Umständen über Jahre) weiter beschäftigen (§ 102 Abs. 5 BetrVG).

Wichtig beim Widerspruch des Betriebsrats: Gute Gründe

Wenig hilfreich sind unbegründete Widersprüche des Betriebsrats gegen betriebsbedingte Kündigungen. Sie machen Arbeitnehmern damit falsche Hoffnungen, denn der Arbeitgeber kann bei mangelnder Begründung eine einstweilige Verfügung gegen den Zwang der Weiterbeschäftigung erwirken.

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Betriebsrat intern

Autor*in: Martin Buttenmüller (ist Journalist und Chefredakteur des Fachmagazins Betriebsrat INTERN.)