25.03.2022

Betriebsrats-Check: Aufhebungs- und Abwicklungsvertrag

Während ein Aufhebungsvertrag unmittelbar das Arbeitsverhältnis beendet und daher dieselbe rechtliche Wirkung wie eine Kündigung hat, setzt ein Abwicklungsvertrag voraus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen ohnehin eintritt. Er beendet das Arbeitsverhältnis nicht selbst, sondern regelt nur die näheren Umstände und rechtlichen Folgen der aus anderen Gründen bevorstehenden Beendigung.

Aufhebungsvertrag

Häufig wird das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung beendet, sondern durch einen Aufhebungsvertrag. Dieser wird von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich geschlossen. Ob dem Betroffenen zur Vertragsunterzeichnung geraten werden sollte, hängt ganz von der konkreten Situation ab. Durch einen Aufhebungsvertrag verliert der Beschäftigte endgültig seinen Arbeitsplatz; deshalb muss stets eine genaue Prüfung des Inhalts und der Rahmenbedingungen erfolgen. Im Vertragstext müssen alle wesentlichen Punkte hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt sein. Dazu zählen:

  • Zeitpunkt der Beendigung
  • Beendigungsgrund
  • Entgeltansprüche
  • Freistellung von der Arbeitsverpflichtung
  • Urlaubsansprüche
  • Abfindung
  • betriebliche Altersversorgung
  • Zeugnis
  • Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III)
  • Ausgleichsquittung
  • salvatorische Klausel

Sicherheit schaffen durch Betriebsvereinbarungen

Die erste Aufgabe beim Umgang mit bevorstehenden Aufhebungsverträgen besteht darin, dass der Betriebsrat von entsprechenden Gesprächen oder Verhandlungen überhaupt erfährt. Denn im Gegensatz zur Kündigung hat der Betriebsrat keinen gesetzlichen Anspruch, in dieses Verfahren eingebunden zu werden. Der Arbeitgeber muss ihn weder unterrichten noch ihn anhören oder ihn in sonst einer Form beteiligen. Zwar sieht das Gesetz keine Mitbestimmungsrechte des Gremiums bei Aufhebungsverträgen vor. Sie können als Betriebsrat aber in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG) mit dem Arbeitgeber Ihre Beteiligung bei solchen Verträgen vereinbaren. Denkbar wäre z. B. ein Unterrichtungsrecht (d. h., der Betriebsrat müsste rechtzeitig vor dem Abschluss vollständig informiert werden).

Begleiten Sie die Kollegen zu den Verhandlungen

Jeder Kollege hat einen Anspruch darauf, dass zu Personalgesprächen ein Mitglied des Betriebsratshinzugezogen wird. Das gilt umso mehr, wenn es um einen Aufhebungsvertrag geht. Arbeitnehmersind allein der geballten Verhandlungsmacht der Arbeitgeberseite (häufig nicht nur Vertreter der Personalabteilung, sondern auch noch externe Anwälte) in den seltensten Fällen gewachsen. Außerdem ist die Gefahr von möglichen Drohungen des Arbeitgebers geringer, wenn ein Betriebsratsmitglied anwesend ist. Sollte es doch dazu kommen, gibt es so außerdem einen Zeugen, der spätermögliche Drohungen oder ähnliche Praktiken der Geschäftsleitung bekunden könnte. Das ist in einer Gerichtsverhandlung über eine mögliche Anfechtung des Vertrags von entscheidender Bedeutung.

Abwicklungsvertrag regelt das „Kleingedruckte“ bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Egal, ob das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet wird, ist das entsprechende „Kleingedruckte“ oft in einem Abwicklungsvertrag geregelt. Obwohl der Betriebsrat dabei nicht mitbestimmen kann, ist essinnvoll, sich mit den rechtlichen Grundzügen zu beschäftigen. So können Sie dem betroffenen Beschäftigten auch besser mit Rat und Tat zur Seite stehen. Im Wesentlichen geht es in einem Abwicklungsvertrag um folgende Aspekte:

  • Der Arbeitnehmer akzeptiert die Kündigung seines Arbeitgebers als wirksam und verzichtet auf eine Kündigungsschutzklage.
  • Der Arbeitnehmer erhält im Gegenzug und zum Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung.
  • Zusätzlich sollten im Abwicklungsvertrag eine etwaig gewünschte Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfristen, der Inhalt des Zeugnisses und ggf. dem Arbeitnehmerzustehende Restzahlungen (anteilige Einmalzahlungen, Provisionen, Zielvereinbarungsprämien, Urlaubsabgeltung usw.) geregelt sein.

Schriftform ist zu empfehlen

Aufhebungsverträge und Kündigungen sind nach§ 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, wenn sie nicht schriftlich festgehalten werden. Beim Abwicklungsvertrag ist dagegen die Beachtung der Schriftform nicht erforderlich, d. h., Abwicklungsverträge können auch „per Handschlag“ in rechtlich bindender Weise abgeschlossen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Abwicklungsvertrag eine wirksame Kündigung des Arbeitgebers vorausgegangen ist.

Raten Sie immer dazu, Abwicklungsverträge schriftlich zu vereinbaren. Damit wird Rechtssicherheit geschaffen. Denn rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung sind praktisch immer möglich.

Gefahr des Ruhens des Arbeitslosengelds

Die Rechtsprechung sieht in einem Abwicklungsvertrag einen Grund für eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld (§ 159 Drittes Buch Sozialgesetzbuch– SGB III). Der Grund: Der Arbeitnehmerträgt mit seiner Vertragsunterzeichnung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei.

Die Sperrfrist lässt sich durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung vermeiden. Denn dann können Betroffene einen gerichtlichen Vergleich mit den Inhalten eines Abwicklungsvertragsschließen. Dabei sollten sich Arbeitnehmer möglichst durch einen sachkundigen Anwalt beraten und vertreten lassen.

Das kann der Betriebsrat tun

Da grundsätzlich weder bei Abwicklungs- noch bei Aufhebungsverträgen eine zwingende Beteiligung des Betriebsrats vorgesehen ist, werden solche Verträge oftmals geschlossen, ohne dass Sie hiervon erfahren. In der Praxis kommt es dennoch häufiger vor, dass betroffene Arbeitnehmer sich auf der Suche nach einem Interessenwahrer an Sie wenden. Dann sollten Sie diese Punkte klären:

  • Hat der Betroffene schon einen neuen Job in Aussicht, sollte er die Abfindung unbedingt mitnehmen.
  • Ist dies nicht der Fall, gilt es Folgendes zu bedenken: Mit solchen Verträgen verzichten die Kollegen auf alle rechtlichen Schutzmöglichkeiten. Der Arbeitsplatz ist dann unwiderruflich verloren. Zudem riskieren sie ein Ruhen oder eine Sperrung des Arbeitslosengelds.
  • Handelt es sich um eine betriebsbedingte Kündigung, hat der Arbeitnehmer nach § 1a Abs. 1Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ein Wahlrecht: Verzichtet er freiwillig auf die Kündigungsschutzklage, erhält er eine Abfindung.
  • § 9 KSchG trifft eine weitere Regelung über Abfindungen für den Fall, dass das Arbeitsgerichtfeststellt, dass die Kündigung zwar rechtswidrig, eine Weiterbeschäftigung aber für beide Parteien nicht mehr tragbar ist. Auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers löst es das Arbeitsverhältnis dann auf und verpflichtet den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung.

Übersicht: Beratungstipps für den Betriebsrat beim Aufhebungsvertrag

Neben der Überwachung der Vorgehensweise der Geschäftsführung liegt Ihre Hauptaufgabebei Aufhebungsverträgen in der Aufklärung der Kollegen. Diese Ratschläge sollten Sie ihnen an die Hand geben:

  • Kündigen Sie erst, wenn Sie einen neuen Job haben.
  • Ein Aufhebungsvertrag kann zur Sperrzeit führen. Klären Sie vor Unterzeichnung die Folgen für Ihr Arbeitslosengeld mit der Agentur.
  • Sollten Sie durch einen Aufhebungsvertrag unter die Sperrzeitregelung fallen, lassen Sie sich lieber vom Arbeitgeber kündigen.
  • Ist Ihnen verhaltensbedingt gekündigt worden, lassen Sie sich arbeitsrechtlich beraten und wehren Sie sich gegen die Kündigung. Nurs o können Sie eine Sperrzeit verhindern.
  • Wegen besonderer Härte kann Ihre Sperrzeitverkürzt werden. Das sollten Sie unbedingt beantragen.
  • Melden Sie sich immer rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit. Sie verzichten ansonsten teilweise auf Ihre Ansprüche.
Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)