22.06.2020

EuGH rügt Dauervertretung als unzulässige Kettenbefristung

Kettenbefristungen sind für betroffene Arbeitnehmer ein Ärgernis, weil diese Art der Beschäftigung keinerlei Planungssicherheit bietet. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass eine auf wiederholten Befristungen beruhende Dauervertretung, bei der kein Auswahlverfahren für die Besetzung der Stelle stattfindet, missbräuchlich sein kann.

Betriebsrat Befristung

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Zwei spanische Arbeitnehmer, die auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse beim Gesundheitsdienst der Stadt Madrid beschäftigt waren, hatten auf Festanstellung geklagt. Sie hatten über Jahre hinweg eine befristete Vertretungsstelle inne, weil der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung, ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der freien Stelle durchzuführen, nicht nachkam. Dies führte zu einer ständigen Verlängerung ihrer Arbeitsverträge. Die mit der Sache befassten spanischen Gerichte legten dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) u. a. die Frage vor, ob hier eine nach EU-Recht verbotene Kettenbefristung vorliegen könnte.

Das sagt das Gericht

Die Luxemburger Richter bejahten die Frage. Durch die befristeten Beschäftigungen sei regelmäßig ein ständiger und nicht nur ein zeitweiliger Arbeitskräftebedarf des Gesundheitsdienstes der Stadt Madrid gedeckt worden. Solche Dauervertretungen im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse, bei denen kein Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle stattfinde, könnten missbräuchlich sein. Denn ein wesentliches Ziel der europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge bestehe darin, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge einzugrenzen, weil darin eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer zu sehen sei. Allerdings könnten sich Beschäftigte nicht unmittelbar auf das EURecht berufen. Die spanischen Gerichte müssten die nationalen Vorschriften nicht unangewendet lassen, wenn ihnen eine EU-konforme Auslegung nicht möglich sei. Sie selbst müssten beurteilen, ob bestimmte Maßnahmen geeignet seien, Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern. EuGH, Urteil vom 20.03.2020, Rs.: C-103/18 und C-429/18

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Eine Kettenbefristung liegt vor, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien nacheinander mehrere befristete Arbeitsverhältnisse vereinbart bzw. verlängert werden. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) lässt eine Kette von befristeten Arbeitsverhältnissen unter bestimmten Voraussetzungen zu. Als Betriebsrat sind Sie gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG u. a. dazu angehalten, dafür zu sorgen, dass Ihr Arbeitgeber die zugunsten Ihrer Kolleginnen und Kollegen geltenden Bestimmungenaus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz beachtet. Wann nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 135/15) regelmäßig von einer rechtsmissbräuchlichen Kettenbefristung ausgegangen werden kann, können Sie der Checkliste entnehmen.

Damit kann der Missbrauch durch Kettenbefristungen verhindert werden

Als Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse kommen z. B. in Betracht:

  •  Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der Stellen, auf denen sich vorübergehend befristet Beschäftigte befinden
  •  Umwandlung des Status dieser Beschäftigten in „unbefristet, nicht permanent beschäftigtes Personal“
  •  Gewährung einer Entschädigung in gleicher Höhe wie bei missbräuchlicher Kündigung
Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)