09.05.2023

Was bedeutet das Nachweisgesetz für die Lohnpraxis?

Sie stellen einen neuen Mitarbeiter ein? Sie wollen den Vertrag eines bisherigen Mitarbeiters ändern? Dann beachten Sie als Unternehmer seit August 2022 neue formale Vorschriften im Nachweisgesetz. Verstöße ahndet das Gesetz als mit Bußgeld bedrohte Ordnungswidrigkeit.

Nachweisgesetz Lohnpraxis

Für wen gilt das Nachweisgesetz (NachwG)?

Für Arbeitnehmer und für Praktikanten, die Anspruch auf Mindestlohn haben, geregelt in § 1 Anwendungsbereich des Gesetzes über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz – NachwG). Sie als Arbeitgeber:

  • legen demnach alle wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb bestimmter Fristen schriftlich nieder,
  • unterschreiben sie und
  • händigen sie Ihrem Arbeitnehmer aus.

In der Praxis wird Ihr Lohnsachbearbeiter für die Vollständigkeit der Lohn- und Personalakten sorgen. Er kontrolliert deswegen im konkreten Fall intern die Umsetzung des Nachweisgesetzes. Kommen Sie als Arbeitgeber Ihren Pflichten mit einer Niederschrift nach, die nur Sie unterschreiben und an den Arbeitnehmer übergeben, achten Sie auf eine schriftlich quittierte Empfangsbestätigung oder zumindest einen Zeugen für die Übergabe der Niederschrift – ansonsten können Sie Ihre Pflichterfüllung später nicht gerichtsfest belegen und wären weiterhin von einem Bußgeld bis zu 2.000 Euro bedroht. Ändern sich wesentliche Vertragsbedingungen einer Beschäftigung, teilen Sie als Arbeitgeber dies Ihrem Arbeitnehmer spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mit.

Kann der Nachweis elektronisch erfolgen?

Nein. Im Gesetz heißt es: „Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“ Der Nachweis kann also nicht durch Zusendung einer PDF per Mail erbracht werden. Das erscheint umso unverständlicher, als es sich um die Umsetzung einer europäischen Richtlinie handelt, die diese Möglichkeit der elektronischen Verarbeitung ausdrücklich erlaubt.

Um welche Richtlinie handelt es sich dabei, welche das Nachweisgesetz umsetzen soll?

Um die Richtlinien der Europäischen Union (EU-Richtlinie) über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen (EU-Richtlinie 2019/1152 – Arbeitsbedingungen-Richtlinie). Dafür hat der deutsche Gesetzgeber unter anderem auch das Nachweisgesetz (NachwG) geändert, in dem verankert ist, welchen Informations- und Dokumentationspflichten der Arbeitgeber nachkommen muss. Da die Umsetzungsfrist der Europäischen Union (EU) für die neuen Regeln am 31. Juli 2022 ablief, traten die Neuregelungen recht kurzfristig zum 1. August in Kraft. Schon vorher regelte das Nachweisgesetz, dass der Arbeitgeber die wichtigsten Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen hatte und dem Arbeitnehmer aushändigen musste. Dafür galt früher eine Monatsfrist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Beschäftigte, die vor dem 1. August eingestellt wurden, müssen nur dann schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet werden, wenn sie den Arbeitgeber dazu auffordern. Dann gilt eine Frist von sieben Tagen. Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und geltende Kollektivvereinbarungen müssen spätestens innerhalb eines Monats bereitgestellt werden.

Was muss die Nachweisliste alles enthalten?

15 Punkte:

  1. Name und Anschrift der Vertragsparteien
  2. Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  3. Enddatum oder vorhersehbare Dauer bei befristeten Arbeitsverhältnissen
  4. Arbeitsort oder, falls Ihr Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann
  5. kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
  6. Dauer der Probezeit, sofern vereinbart
  7. Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich:
    • Vergütung von Überstunden,
    • Zuschläge,
    • Zulagen,
    • Prämien und Sonderzahlungen sowie
    • anderer, jeweils getrennt anzugebender Bestandteile des Arbeitsentgelts, deren Fälligkeit sowie Art der Auszahlung
  1. vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
  2. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz:
  • Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat
  • Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden
  • Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
  • Frist, innerhalb derer Sie als Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen haben
  1. Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen, sofern vereinbart
  2. Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  3. etwaiger Anspruch auf von Ihnen als Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  4. Name und Anschrift des Versorgungsträgers, wenn Sie als Arbeitgeber Ihrem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen solchen zusagen und der Versorgungsträger zu dieser Information nicht selbst verpflichtet ist
  5. bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Ihnen als Arbeitgeber und Ihrem Arbeitnehmer einzuhaltendes Verfahren, mindestens:
  • Schriftform
  • Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
  • Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden
  1. allgemein gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren:
  • Tarifverträge,
  • Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie
  • Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für kirchliche Arbeitgeber festlegen

Wie erbringen Sie in der Praxis den Nachweis?

Normalerweise durch Abschluss eines Arbeitsvertrages. Er regelt mindestens die genannten Punkte schriftlich. Ihrem Arbeitnehmer händigen Sie als Arbeitgeber die Niederschrift aus:

  • mit den Angaben nach Nr. 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung,
  • die Niederschrift mit den Angaben nach Nr. 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und
  • die Niederschrift mit den übrigen Angaben spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Bereiten Sie sich als Arbeitgeber auf die Umsetzung dieser Regelung vor! Sollten Sie Musterarbeitsverträge haben, die Sie bei der Einstellung benutzen, sollten Sie diese umgehend um die neuen Angaben ergänzen.

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Für alle Beschäftigten, die bereits vor dem 1. August im Betrieb sind, sollten Sie überlegen, für welche Arbeitnehmergruppen Sie eventuell Standardschreiben mit den ergänzenden Hinweisen verfassen können. Allerdings geht dies nur, wenn tatsächlich identische Arbeitsbedingungen bestehen. Auf Nachfragen von Stammbeschäftigten sollten Sie sich jedenfalls einstellen, rät die IHK Düsseldorf. Darüber hinaus sollten Sie überlegen, ob es bei Bestehen eines Betriebsrates sinnvoll wäre, allgemeine Arbeitsbedingungen, wie Arbeitszeit, betriebliche Altersversorgung, Schichtsystem oder ähnliche in Betriebsvereinbarungen zu regeln. Darauf könnten Sie in Ihren Arbeitsverträgen dann Bezug nehmen. Unter www.lohn-und-gehaltsprofi.de haben wir Ihnen die Rechtslage für „Arbeitsverträge, die bereits vor dem 01.08.2022 bestanden“ dargestellt.

Ist der Nachweis auch über das alles für Praktikanten erforderlich?

Nein, für sie gibt es Erleichterungen. Wenn Sie als Arbeitgeber einen Praktikanten einstellen, der Anspruch auf Mindestlohn hat, handelt es sich um einen Arbeitnehmer, der unter das Nachweisgesetz fällt. Als Arbeitgeber liegen Sie unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrags, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich nieder, unterzeichnen die Niederschrift und händigen sie Ihrem Praktikanten aus. Diese Niederschrift enthält mindestens:

  1. Name und Anschrift der Vertragsparteien
  2. mit dem Praktikum verfolgte Lern- und Ausbildungsziele
  3. Beginn und Dauer des Praktikums
  4. Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit
  5. Zahlung und Höhe der Vergütung
  6. Dauer des Urlaubs
  7. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind, wenn vorhanden

Die Nachweisliste ist damit nicht so umfangreich wie bei anderen Arbeitnehmern. Aber auch hier ist ein elektronischer Nachweis wie z.B. als PDF unzulässig.

Gilt die Nachweispflicht für einen Arbeitnehmer auf Auslandstermin?

Ja, hat Ihr Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, so händigen Sie als Arbeitgeber ihm vor seiner Abreise die Niederschrift nach § 2 Nachweispflicht Absatz 1 Satz 1 NachwG mit allen wesentlichen Angaben nach Satz 2 und folgenden zusätzlichen Angaben aus:

  1. Länder, in denen Ihr Mitarbeiter die Arbeit im Ausland leisten soll, und geplante Dauer der Arbeit
  2. Währung, in der die Entlohnung erfolgt
  3. sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten
  4. Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr

Fällt der Auslandsaufenthalt unter die Entsenderrichtlinie innerhalb der Europäischen Union (EU), enthält die Niederschrift folgende zusätzliche Angaben:

  1. Entlohnung, auf die Ihr Arbeitnehmer nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates, in dem er seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat
  2. Link zu der jeweiligen offiziellen nationalen Website, die der betreffende Mitgliedstaat betreibt

Was bestimmt die Entsenderrichtlinie?

Mindestbedingungen für die Entsendung von Arbeitskräften zwischen den EU-Mitgliedstaaten, z.B. gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Eine sogenannte A1-Bescheinigung bescheinigt bei der Entsendung, dass Ihr Arbeitnehmer noch im Heimatland sozialversichert ist.

Kann von den Vorschriften des Nachweis-Gesetzes abgewichen werden?

Nein, nicht zuungunsten Ihres Arbeitnehmers.

Autor*in: Franz Höllriegel