29.06.2023

Alkoholtests bei Mitarbeitern sind nur freiwillig möglich

Ein Mitarbeiter erscheint des Öfteren alkoholisiert zur Arbeit. Ihn vor Arbeitsaufnahme einen Alkoholtest am Alkomaten machen lassen, läge nahe. Ob das allerdings immer möglich ist, hängt vom Einzelfall ab. Regel Nr. 1: Sie dürfen dabei nicht die Grundrechte Ihres Mitarbeiters verletzen.

Alkoholtests bei Mitarbeitern

Kommt Alkoholmissbrauch am Arbeitsplatz häufig vor? 

Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) lag der Pro-Kopf-Konsum (Verbraucher ab dem Alter von 15 Jahren) von reinem Alkohol durchschnittlich bei 10,6 Litern im Jahr 2016. Generell ist der durchschnittliche Alkoholkonsum in Deutschland zwar rückläufig, trotzdem ist der übermäßige oder missbräuchliche Konsum von Alkohol nicht von der Hand zu weisen. Neben der Selbstschädigung durch den Alkoholkonsum wird dieser besonders gefährlich, wenn vor oder sogar während der Arbeitszeit getrunken wird. Dann ist die Sicherheit des Arbeitnehmers selbst, aber vor allem auch die Sicherheit Dritter gefährdet. Dies gilt natürlich mitunter insbesondere für die Berufe im Gesundheitswesen, in denen mit und am Menschen gearbeitet wird. 

Können Sie als Arbeitgeber einen Mitarbeiter an den Alkomaten zwingen?  

Nein, das können Sie nicht. Alkohol- und Drogentests sind grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig.  

Warum muss Ihr Arbeitnehmer einem Test zustimmen?  

Dem steht sein Recht auf körperliche Unversehrtheit entgegen. Sie können einen alkoholisierten Arbeitnehmer wegen seines Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nicht zwingen zur: 

  • zur Abgabe einer Blutprobe zur Untersuchung seines Blutalkoholwertes  
  • zur Mitwirkung an einer Atemalkoholanalyse mit einem Alkomaten. 

Welche Vorschrift legt das Recht auf körperliche Unversehrtheit fest? 

In Deutschland Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG). Als körperliche Unversehrtheit gilt demnach: 

  • physische Gesundheit eines Menschen 
  • psychische Gesundheit eines Menschen  
  • nicht das soziale Wohlbefinden. 

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In anderen Ländern und in der deutschen Vergangenheit kommt bzw. kam es im Gegensatz dazu beispielsweise zu:  

  • Körperstrafen  
  • Folter 
  • Zwangszivilisationen  
  • Menschenversuchen.  

Art. 104 Abs. 1 GG soll in der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat sicherstellen, dass etwa Gefangene nicht körperlich oder seelisch misshandelt werden dürfen. 

Dieses Grundrecht gilt grundsätzlich. Welche Ausnahmen gibt es? 

Spezifische Gesetze können das Recht auf körperliche Unversehrtheit außer Kraft setzen oder einschränken. Beispielsweise müssen Menschen Blutproben entnehmen lassen etwa zur Aufdeckung einer vermuteten Straftat. Ausnahmen eröffnen:  

  • § 81a Strafprozessordnung (StPO) zur Entnahme der Blutprobe als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.  
  • § 20 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zur zwangsweisen Impfung bei Gefahr eines eventuell auftretenden Seuchenfalls  

Ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit strafbewehrt? 

Ja, da die körperliche Unversehrtheit der Menschen in Deutschland ein hohes Gut ist, ahnden diverse Strafvorschriften ihre Verletzung. §§ 223 und 231 Strafgesetzbuch (StGB) enthalten Festlegungen hierzu. Sie bestimmen folgende Straftaten als Verletzung der körperlichen Unversehrtheit:  

  • Körperverletzung,  
  • Misshandlung von Schutzbefohlenen  
  • Beteiligung an einer Schlägerei. 

Es steht jedoch jedem Menschen frei, von sich aus freiwillig auf die körperliche Unversehrtheit seiner Person zu verzichten. Das macht er regelmäßig dann, wenn er etwa einem Arzt Eingriffe in seinen Körper gestattet. Nach § 228 StGB kann jedoch eine solche Körperverletzung dann rechtswidrig sein, wenn sie gegen die allgemein akzeptierten guten Sitten verstößt. Ein besonderes Kapitel der körperlichen Unversehrtheit sind Zwangsmaßnahmen des Staates, mit denen sich das Bundesverfassungsgericht befassen musste. Beispielsweise ist die zwangsweise medizinische Behandlung im Maßregelvollzug höchstrichterlich bestätigt worden (BverfG, 23.03.2011, 2 BvR 882/09). 

Wann wäre ein Alkoholtest an Ihrem Arbeitnehmer zulässig? 

Die Frage ist zwiespältig: 

  • Können Sie als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Alkoholtest zwingen oder  
  • ist Ihr Arbeitnehmer unter Umständen verpflichtet, der Durchführung eines Alkoholtests oder einer Blutentnahme zuzustimmen?  

Nach der Rechtsprechung des BAG besteht die Verpflichtung, sich einem Alkohol- oder Drogentest zu unterziehen, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, ein Arbeitnehmer sei wegen Alkohol- oder Drogeneinflusses  

  • nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen,  
  • oder für den Arbeitsplatz ungeeignet. 

Können Sie als Arbeitgeber das Problem nicht durch eine generelle Kontrollanordnungen regeln? 

Nein, das können Sie nicht. Ohne besonderen Anlass im Verhalten oder in der Person des einzelnen Arbeitnehmers wäre eine generelle Anordnung von Ihnen als seinem Arbeitgeber unzulässig, wonach er sich einer gesundheitlichen Untersuchung auf Drogen- und Alkoholkonsum unterziehen oder einen Alkoholtest machen müsste. Dies gilt auch für eine Betriebsvereinbarung mit einer solchen generellen Verpflichtung der Mitarbeiter. 

Wann darf der Betriebsarzt an einem Arbeitnehmer einen Drogentest durchführen? 

Grundsätzlich gibt es keine rechtliche Grundlage für einen vom Betriebsarzt durchzuführenden Drogentest. Nur wenn die ausgeschriebene Stelle unbedingt danach verlangt, dass keine Abhängigkeit vorliegt, kann ein Drogentest gerechtfertigt sein. Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen muss ein begründeter Verdacht vorliegen, dass der Beschäftigte sich aufgrund seiner Abhängigkeit nicht mehr für die jeweilige Tätigkeit eignet. § 2 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) schreibt eine Untersuchung durch einen Betriebsarzt vor, um Mitarbeiter mit besonderer Verantwortung wie Lokführer, Piloten, Busfahrer oder Ärzte auf ihre Fähigkeit zu deren Übernahme zu prüfen.  

Normalerweise könnte ein Betriebsarzt einen Drogentest in folgenden Situationen durchführen: 

  • Als Teil des Einstellungsverfahrens 
  • In einem bestehenden Arbeitsverhältnis in regelmäßigen Abständen  
  • Bei Verdacht einer Drogenabhängigkeit, welche die Eignung des Beschäftigten infrage stellt 

Ist damit automatisch eine Untersuchung fällig? 

Nein, eine vom Betriebsarzt durchgeführte Untersuchung beinhaltet nicht automatisch einen Drogentest. Vor allem in großen Betrieben werden Einstellungsuntersuchungen schon routinemäßig vorgenommen. Diese bestehen jedoch in der Regel lediglich aus einer körperlichen Untersuchung von Leber, Lunge und Herz bzw. einem Seh- und Hörtest. Nicht dazu gehört ein vom Betriebsarzt durchgeführter Drogentest, bei dem der Konsum entweder durch THC im Blut oder im Urin nachgewiesen werden kann. Fragen zur Schwangerschaft oder genetische Untersuchungen sind nicht üblich. 

Es gibt grundsätzlich keine rechtliche Grundlage für einen vom Betriebsarzt durchzuführenden Test auf Drogen im Zuge des Einstellungsverfahrens. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Stelle, auf die sich eine Person beworben hat, unbedingt voraussetzt, dass weder eine Drogen- noch eine Alkoholabhängigkeit in Form einer Krankheit vorliegen. Doch auch, wenn es sich um ein bestehendes Arbeitsverhältnis handelt, kann ein Betriebsarzt einen Drogentest nicht beliebig vornehmen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 12. August 1999 (2 AZR 55/99):  

„Ein Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht verpflichtet, im laufenden Arbeitsverhältnis routinemäßigen Blutuntersuchungen zur Klärung, ob er alkohol- oder drogenabhängig ist, zuzustimmen.“ 

Meldet es der Betriebsarzt, wenn der Drogentest positiv ausfällt? 

Liegt der begründete Verdacht einer Abhängigkeit vor, kann ein Betriebsarzt einen Drogentest in der Ausbildung durchführen. Wie jeder andere Arzt unterliegt der Betriebsarzt einer Schweigepflicht. Verstößt er dagegen, macht er sich strafbar. Daher ist es ihm normalerweise nur gestattet, dem Arbeitgeber das Ergebnis des Drogentests mitzuteilen, wenn ihm der Arbeitnehmer dies ausdrücklich gestattet hat. 

Hat er dies nicht getan, ist es dem Betriebsarzt nach dem Drogentest nur erlaubt, dem Arbeitgeber Bericht darüber zu erstatten, ob der Beschäftigte tauglich für die jeweilige Tätigkeit ist oder nicht. Die genauen Umstände darf er mit bestimmten Ausnahmen in engem Rahmen nicht erläutern. Eine Ausnahme kann beispielsweise dann der Fall bilden, wenn der Betriebsarzt dadurch eine konkrete Gefahr verhindern könnte. Ist ein Lokführer beispielsweise aufgrund eines Problems mit Drogen nicht mehr fahrtauglich, muss der Betriebsarzt nach dem Drogentest nicht abwarten, bis dieser einen Unfall baut, sondern kann sich in der Regel direkt an den jeweiligen Arbeitgeber wenden. 

Was bedeutet das für Ihre Praxis als Arbeitgeber im Umgang mit alkoholisierten Arbeitnehmern? 

Haben Sie als solcher den dringenden Verdacht, ein Mitarbeiter sei alkoholisiert am Arbeitsplatz erschienen, bieten sich Ihnen folgende Handlungsweisen an: 

  • Fordern Sie diesen Mitarbeiter auf, sich zu seiner Arbeitsfähigkeit und einem etwaigen Alkoholkonsum zu erklären!  
  • Sofern ein Alkomat vorhanden ist, fordern Sie ihn zusätzlich auf, sich einem Alkoholtest zu unterziehen! 
  • Verweigert Ihr Mitarbeiter sich einem Test oder fällt der Test positiv aus, untersagen Sie als Arbeitgeber Ihrem betroffenen Arbeitnehmer unverzüglich die weitere Erbringung seiner Arbeitsleistung!  
  • Bevor Sie ihn daraufhin vom Betriebsgelände entfernen lassen, vergewissern Sie als Arbeitgeber sich, dass Ihr betreffender Arbeitnehmer nicht mit dem eigenen Pkw fährt!  
  • Organisieren sie gegebenenfalls die Heimfahrt des Mitarbeiters! Hierfür entstehende Kosten können dem Arbeitnehmer auferlegen. Er wäre dann zum Aufwendungsersatz verpflichtet. 

Können Sie als Arbeitgeber Ihren diesbezüglich auffälligen Mitarbeiter abmahnen? 

Ja, Sie können einen Mitarbeiter abmahnen, weil er einen berechtigt angeordneten Alkoholtest verweigert hat und alkoholisiert am Arbeitsplatz erschienen ist, unter folgenden Bedingungen: 

  • Es besteht ein betriebliches oder gesetzliches Alkoholverbot oder 
  • die Arbeitsfähigkeit Ihres Mitarbeiters ist erheblich beeinträchtigt. In einem solchen Fall verliert er auch seinen Anspruch auf Vergütung, da eine Ausnahme vom Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ nicht vorliegt.  
  • Ist die Alkoholisierung Folge einer Alkoholsucht, kann sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehen.  
Autor*in: Franz Höllriegel