24.01.2017

Unfreiwillig obdachloser Flüchtling: Wer ist zuständig?

Muss eine Gemeinde einen obdachlosen zugezogenen anerkannten Flüchtling in eine Obdachlosenunterkunft einweisen? Die Gemeinde verneinte diese Frage und hielt sich nicht für örtlich zuständig. Das VG München entschied gegen die Gemeinde. Der VGH München (Beschl. vom 05.12.2016, Az. 4 CE 16.2297) musste den Streit entscheiden.

Obdachloser schläft auf der Straße

Ein Ausländer war ursprünglich einer Asylbewerberunterkunft in Baden-Württemberg zugewiesen. Nach Anerkennung seines Flüchtlingsstatus und Erteilen einer Aufenthaltserlaubnis zog er wegen einer in München angenommenen Arbeitsstelle in eine Pension. Bei der Gemeinde meldete er sich mit alleinigem Wohnsitz an.

Schon einen Monat später wurde sein Arbeitsverhältnis beendet. Er zog aus der Pension aus und meldete sich im August 2016 arbeits- und obdachlos. Er gab gegenüber der Gemeinde an, sich an stetig wechselnden Notschlafplätzen in Kirchen und Bahnhöfen sowie bei Verwandten und Bekannten aufzuhalten.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2016 verpflichtete das VG München die Gemeinde im Wege einer einstweiligen Anordnung dazu, dem Flüchtling zur Behebung seiner Obdachlosigkeit eine Unterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde hielt sich für nicht örtlich zuständig und legte Beschwerde beim VGH München ein.

Die Gerichtsentscheidung

  • Ein anerkannter Flüchtling unterliegt nach § 12a Abs. 7 AufenthG keiner Wohnsitzregelung.
  • Die Obdachlosigkeit besteht dort, wo die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG bzw. entsprechende landesrechtliche Regelung).
  • Maßgebend für die örtliche Zuständigkeit ist der entscheidende Anlass für die Amtshandlung im Bereich der Gefahrenabwehr. Die Gefahr für Leib und Leben entsteht durch die Obdachlosigkeit. Die Zuständigkeit für die Behebung der Gefahr liegt deshalb dort, wo die Gefahr eintritt, also an dem Ort, an dem der Betreffende obdachlos geworden ist.
  • Der Flüchtling wurde mit dem Auszug aus der von ihm angemieteten und bewohnten Pension in der Gemeinde obdachlos. Sein zwischenzeitlicher Aufenthalt an ständig wechselnden Notschlafplätzen in Kirchen und Bahnhöfen sowie bei Verwandten und Bekannten hat weder den Zustand der Obdachlosigkeit als solchen noch die örtliche Zuständigkeit der Gemeinde entfallen lassen.
  • Anhaltspunkte dafür, dass sich der Flüchtling in das Gemeindegebiet begeben hat, um dort rechtsmissbräuchlich Obdach zu beantragen, liegen nicht vor.

Ergebnis

Der VGH München verurteilte die Gemeinde dazu, den anerkannten Flüchtling in eine Obdachlosenunterkunft einzuweisen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)