11.10.2019

Tarotkartenlegen auf öffentlicher Straße: Sondernutzungserlaubnis nötig?

Der VGH Mannheim hat entschieden, dass Tarotkartenlegen auf einer öffentlichen Straße keine Straßenkunst ist und einer Sondernutzungserlaubnis bedarf (VGH BW, Beschluss vom 22.05.2019, Az. 5 S 2592/18).

Tarotkartenlegen Sondernutzungserlaubnis

Antragsteller möchte Tarotkarten legen

Der Antragsteller möchte im öffentlichen Straßenraum der Stadt für Passanten Tarotkarten legen, sei es unter Verwendung eines kleinen Klapptischs und zweier Klappstühle, sei es schlicht mit einem Pappschild auf der Straße sitzend. Er meint, diese Tätigkeit sei nach dem „Merkblatt für Musiker/innen und darstellende Künstler/innen“ der Stadt als Straßenkunst erlaubnisfrei zulässig. Die Stadt hat in ihrem Merkblatt Straßenkunst und Straßenmusik unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

VGH lehnt Antrag ab

Der auf vorläufige Feststellung der Erlaubnisfreiheit gerichtete Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist vor dem VGH Mannheim ohne Erfolg geblieben.

Tarotkartenlegen: Gemeingebrauch oder Sondernutzung?

Die angestrebte Tätigkeit des Tarotkartenlegens auf einer öffentlichen Straße der Antragsgegnerin unterfällt nicht dem Gemeingebrauch, sondern ist als Sondernutzung erlaubnispflichtig.

Der Umfang des Gemeingebrauchs bestimmt sich in erster Linie nach dem der Straße generell zuerkannten Widmungszweck „Verkehr“. Darunter fällt nicht nur der Verkehr im engeren Sinne der Ortsveränderung, sondern auch der sog. „kommunikative Verkehr“, der auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern gerichtet ist. Allerdings unterfällt der „kommunikative Verkehr“ nur dann dem Gemeingebraucht, wenn der Hauptzweck der Nutzung der Ortsveränderung dient. Die vom Antragsteller beabsichtigte Nutzung der öffentlichen Straßen der Antragsgegnerin dient in ihrem Hauptzweck nicht der Ortsveränderung.

Nutzung stellt eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich bei der vom Antragsteller begehrten Nutzung um eine grundsätzlich straßenrechtlich erlaubnispflichtige und verfassungsrechtlich unbedenkliche Sondernutzung.

Merkblatt der Stadt stellt eine Allgemeinverfügung dar

Beim Merkblatt der Stadt handelt es sich um einen Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung, mit dem die Antragsgegnerin festgelegt hat, an welchen Orten, zu welchen Tageszeiten und in welchem Umfang Straßenkunst und Straßenmusik im öffentlichen Straßenraum auch ohne Erlaubnis geduldet werden.

Was ist Straßenkunst?

Straßenkunst ist das künstlerische Schaffen, das in einem untrennbaren Wechselspiel zwischen Werk- und Wirkbereich auf das Medium der öffentlichen Straße und das sich dort aufhaltende Publikum spezifisch angewiesen ist. Indes liegt auch Straßenkunst nur vor, wenn der Kunstbegriff von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt ist, auf den der in der Allgemeinverfügung verwendete Begriff der „Straßenkunst“ der Sache nach Bezug nimmt (z.B. des Malens, Bildhauens oder Theaterspielens – freie schöpferische Gestaltung).

Tarotkartenlegen ist keine Straßenkunst

Ausgehend hiervon handelt es sich es bei der vom Antragsteller beabsichtigten Tätigkeit des Tarotkartenlegens um keine Straßenkunst, da keine künstlerische Tätigkeit ausgeübt wird; es handelt sich um eine Dienstleistung, einen schlichten Kommunikationsakt.

Hinweise

Der Beschluss enthält zahlreiche Verweise auf andere Gerichtsentscheidungen zu künstlerischer Straßenkunst und ist unanfechtbar.

Abrufbar unter http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=28075

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)