27.02.2023

Erheblichen Parkraummangel für Bewohnerparkzone ermitteln

Sind statistische Erhebungen ausreichend, um das Vorliegen der Voraussetzungen für das Einrichten einer Bewohnerparkzone zu belegen? Dieser Frage musste der VGH Mannheim nachgehen (Beschl. vom 14.11.2022, Az. 13 S 545/22).

Parkraummangel Bewohnerparkzone

Widerspruch gegen Verkehrszeichen zum Einrichten der Bewohnerparkzone

Ein Anwohner in einer Bewohnerparkzone erhob Widerspruch gegen deren Einrichtung durch Aufstellen der Verkehrszeichen Nr. 314.1 mit den Zusatzzeichen 1040-32, 1040-30 und 1020-32 mit der Folge, dass er einen gebührenpflichtigen Bewohnerparkausweis beantragen muss, um sein Fahrzeug im Quartier abzustellen.

Das VG stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs her. Die Stadt beschwerte sich vor dem VGH des Landes Baden-Württemberg.

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Bewohnerparkzone nur bei erheblichem Parkraummangel

Nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für die Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen.

Parkraummangel

Ein Parkraummangel im Sinne von § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO liegt vor, wenn aufgrund eines Parkdrucks die Bewohner eines städtischen Quartiers regelmäßig keine ausreichende Möglichkeit haben, in ortsüblich fußläufig zumutbarer Entfernung von ihrer Wohnung einen Stellplatz für ihr Kraftfahrzeug zu finden.

Erheblicher Parkraummangel

Die Frage, wann ein Parkraummangel als „erheblich“ anzusehen ist, ist bisher in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt, erkannte der VGH. Der Parkraummangel muss die betroffenen Bewohner eines städtischen Quartiers über die bloße Unannehmlichkeit hinaus belasten, nicht in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung einen Parkplatz zu finden.

Nach Nr. X. 1. VwV-StVO zu § 45 StVO ist die Anordnung von Bewohnerparkvorrechten nur dort zulässig, wo mangels privater Stellflächen und aufgrund eines erheblichen allgemeinen Parkdrucks die Bewohner des städtischen Quartiers regelmäßig keine ausreichende Möglichkeit haben, in ortsüblich fußläufig zumutbarer Entfernung von ihrer Wohnung einen Stellplatz für ihr Kraftfahrzeug zu finden.

Dies setzt nicht voraus, dass stets 100% der zur Verfügung stehenden Parkplätze belegt sind. Ein objektiver Betrachter darf bereits bei einer spürbaren Knappheit von einem „erheblichen Parkraummangel“ ausgehen und nicht erst dann, wenn zu keiner Zeit ein Parkplatz verfügbar ist. Vor diesem Hintergrund sind die in der Praxis bewährten Empfehlungen für Verkehrserhebungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen angemessen, nach denen bereits bei einer Auslastung von 80-90% der für Bewohner zur Verfügung stehenden Stellplätze von einem hohen Parkdruck auszugehen ist.

Wie ist hoher Parkdruck in der Praxis zu ermitteln?

Zu dieser Frage nahm der VGH wie folgt Stellung:

  • Bezüglich der Bemessungsgrundlage für die Nachfrage nach Parkplätzen ist es nicht ausreichend, auf die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge abzustellen, deren Halter und Nutzer im Referenzgebiet nach dem Bundesmeldegesetz gemeldet sind, und ihr die Anzahl der öffentlichen und privaten Stellplätze und Garagen gegenüberzustellen, die den Bewohnern des betrachteten Bereichs zur Verfügung stehen.
  • Ergibt sich bei einer solchen schematischen Betrachtung – wie dies in Gebieten mit Parkraummangel regelmäßig der Fall sein wird – eine Unterdeckung, ist dies lediglich ein gewichtiges Indiz für das Bestehen eines Parkraummangels.
  • Bei einer schematischen Betrachtung darf es jedoch nicht bleiben, denn dieser Befund kann aus statistischen Gründen täuschen.
  • Daher kann die Frage, ob ein hoher Parkdruck besteht, nur durch eine tatsächliche Betrachtung der Parksituation im Referenzgebiet beantwortet werden.

Genau dies hat aber die Stadt nicht geprüft, sondern ihre Entscheidung auf statistische Daten gestützt, entnahm der VGH den Behördenakten.

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Ergebnis

Voraussetzungen für Anordnung einer Bewohnerparkzone nicht erkennbar

Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Bewohnerparkzone und das Aufstellen der Verkehrszeichen zur Umsetzung dieser verkehrsrechtlichen Anordnung gegeben sind.

Erheblicher Parkraummangel i.S.v. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO

I.S.v. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO ist der Parkraummangel jedenfalls dann erheblich, wenn eine repräsentative tatsächliche Betrachtung des für die Anordnung einer Bewohnerparkzone in den Blick genommenen Gebiets ergibt, dass zu den Zeiten, zu denen die Bewohnerparkregelungen gelten sollen, regelmäßig mehr als 80% der für Bewohner des städtischen Quartiers zur Verfügung stehenden Parkmöglichkeiten belegt sind.

Ein erheblicher Parkraummangel lässt sich regelmäßig nicht schon dann feststellen, wenn eine rechnerische Gegenüberstellung der Zahl der zugelassenen Fahrzeuge, deren Halter und Nutzer im Referenzgebiet nach dem Bundesmeldegesetz gemeldet sind, mit der Zahl der öffentlichen und privaten Stellplätze und Garagen, die den Bewohnern des betrachteten Bereichs zur Verfügung stehen, eine Unterdeckung ergibt.

Hinweis: Bewohnerparkzone kann Parkraummangel verlagern

Das Einrichten einer Bewohnerparkzone führt meist zum Verlagern der Parkprobleme in den Außenbereich. Dies lässt sich beispielsweise anhand der Bewohnerparkzone „Paulusviertel“ in Darmstadt beobachten. Im Bereich der Mathildenstraße waren meist keine Parkplätze frei. Zu Fuß sind es von hier 10 Minuten in die Innenstadt. Nach dem Einrichten der Bewohnerparkzone BE2 verlagert sich der Parkraummangel nun in die benachbarten Straßen. Das Auffinden eines freien Parkplatzes gleicht einer Lotterie. Daher macht das Einrichten einer Bewohnerparkzone nur Sinn, wenn die Verlagerung des Parkens gleich mitberücksichtigt wird. Anderenfalls werden die Parkprobleme nur verschoben.

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)