16.01.2019

Kommunales Wildtierverbot für Zirkusaufführungen weiter umstritten

Dürfen die Gemeinden und Städte das Vermieten öffentlicher Flächen verweigern, wenn ein Zirkus Tiere einer wild lebenden Art in seinen Vorstellungen zeigt? Das VG Meiningen bezog zu dieser Frage eindeutig Stellung und setzte damit ein deutliches Ausrufezeichen (Urteil vom 06.03.2018, Az. 2 E 203/18 Me).

Wildtierverbot Zirkus

Ein Zirkus bewarb sich für ein Gastspiel für die Zeit vom 09.04.2018 bis zum 16.04.2018 auf dem im Eigentum einer Stadt stehenden Festplatz. Der Zirkus gab an, dass in seinem Programm auch Kamele gezeigt werden. Die Stadt bestätigte die Vormerkung des Gastspiels.

Wildtierverbot durch Stadtrat

Am 13.12.2016 beschloss der Stadtrat, „dass kommunale Flächen künftig nur noch an Zirkusbetriebe vermietet werden, die keine Tiere wild lebender Arten, sogenannte Wildtiere, mitführen. Hierunter fallen insbesondere Affen, antilopenartige Tiere, Bären, Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Greifvögel, Großkatzen, Kängurus, Nashörner, Papageien, Reptilien (Krokodile, Schlangen, Echsen u.a.), Robben, Strauße, Wildformen von Rindern sowie Zebras. Bereits geschlossene Verträge bleiben hiervon unberührt.“

Zusage, aber nur ohne Wildtiere

Mit E-Mail vom 10.05.2017 teilte die Stadt dem Zirkus mit, dass sie „vorbehaltlich einer Änderung des Stadtratsbeschlusses über das Verbot von Wildtieren in Zirkusgeschäften“ den genannten Zeitraum vorgebucht und den Festplatz für das Zirkusunternehmen reserviert habe. Mit weiterer E-Mail vom 23.06.2017 teilte die Stadt mit, dass der gewünschte Termin „gebucht“ sei. Zu beachten sei aber, dass der Stadtratsbeschluss weiterhin gültig sei. Daher könne der Platz auch nur unter der Bedingung übergeben werden, dass der Zirkus keinerlei Wildtiere mitführe. Dazu gehören unter anderem auch Kamele und Wildpferde (Zebras).

Der Zirkus klagte gegen die Zugangsbeschränkung zu dem Gastspielplatz.

Entscheidungsgründe für klagenden Zirkus

Festplatz ist öffentliche Einrichtung

Weil in der Vergangenheit sowohl der klagende Zirkus als auch andere Zirkusunternehmen mit Wildtieren auf dem Gelände gastierten, ist davon auszugehen, dass eine entsprechende konkludente Widmung des Platzes für derartige Veranstaltungen grundsätzlich besteht. Folglich ist der Festplatz der beklagten Stadt eine öffentliche Einrichtung, die auch zur Durchführung von Zirkusveranstaltungen konkludent gewidmet worden ist.

§ 14 ThürKO: kein Zulassungsanspruch

Der Zirkus ist weder ein Gemeindeeinwohner noch ein Forense und kann sich daher nicht auf einen Zulassungsanspruch nach der Gemeindeordnung des Bundeslandes (hier: § 14 ThürKO) berufen.

Stadt entscheidet über Zulassung zur Nutzung

Die Stadt hat über die Zulassung zur Nutzung des Platzes im Rahmen ihrer Widmung nach Ermessen zu entscheiden. Dabei hat sie einen weiten Gestaltungsspielraum. Hält sich das Zulassungsbegehren im Rahmen der Widmung der öffentlichen Einrichtung sowie der Vergaberegelungen oder Vergabegrundsätze, besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, die den Grundsätzen der Gleichbehandlung der Zulassungsbewerber (Art. 3 GG) genügen muss.

Fraglich ist, ob eine solche die Widmung einschränkende Regelung durch den Beschluss des Rates der Stadt am 13.12.2016 in zulässiger Weise vorgenommen wurde.

Grundsatz des Vorrangs

Die Stadt hat sowohl bei der generellen Widmung einer öffentlichen Einrichtung als auch bei der Zulassung zur Nutzung im konkreten Einzelfall einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie muss aber den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes beachten und weder allgemein noch im Rahmen der Regelung der Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen gegen übergeordnete Normen verstoßen.

Sofern der Zirkus über eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG zum Halten bzw. Zeigen von Wildtieren verfügt, kann sich eine Kommune nicht über diese hinwegsetzen, weil sonst der Grundsatz des Vorrangs bundesgesetzlicher Normen nicht beachtet würde.

Tierschutzrecht

Soweit der Bund ein Rechtsgebiet wie das Tierschutzrecht abschließend geregelt hat, verfügt die Kommune über keinen eigenen Regelungsspielraum.

Nach § 11 Abs. 4 TierSchG kann durch Rechtsverordnung unter den dort genannten Voraussetzungen das Zurschaustellen von Tieren an wechselnden Orten beschränkt oder verboten werden. Diese Regelungen sind abschließend und lassen daher keinen Raum, aus tierschutzrechtlichen Gründen auch nur teilweise, d.h. bezogen auf kommunale Einrichtungen, unabhängig von den bundesrechtlichen Normen und unterhalb der darin bezeichneten „Eingriffsschwelle“ ein generelles Verbot des Mitsichführens von (Wild-)Tieren durch Zirkusunternehmen auszusprechen.

Die Sperrwirkung der dargestellten bundesrechtlichen Regelungen steht aber einem Verbot des Mitsichführens von Wildtieren aus ordnungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Gründen nicht entgegen.

Ergebnis: Festplatz muss klagendem Zirkus ohne Einschränkung zur Verfügung stehen

Der Beschluss des Rates der Stadt vom 13.12.2016 erging rechtswidrig, weil er allein aus tierschutzrechtlichen Erwägungen getroffen wurde. Da die Nutzung des Veranstaltungsgeländes durch den Zirkus zum begehrten Zeitraum eingeplant und es allein strittig ist, ob im Rahmen dieser Nutzung Wildtiere mitgeführt werden dürfen, verpflichtete das Gericht die Stadt, den Festplatz ohne Einschränkung dem klagenden Zirkus zur Verfügung zu stellen.

Hinweis: Wildtierverbot in über 100 Gemeinden und Städten

Über 100 Gemeinden und Städte haben mittlerweile ein Wildtierverbot auf kommunalen Flächen beschlossen. Die Stadt Soest ist einen besonderen Weg gegangen. In Soest werden öffentliche Flächen nicht mehr zur Verfügung gestellt, wenn die artgerechte Haltung von Wildtieren im Zirkus nicht sichergestellt ist. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass ein Wildtierverbot aus Gründen der Gefahrenabwehr zulässig ist, weil im Bundesgebiet zwischen 2009 und 2017 insgesamt 46 Ausbrüche von Bären, Elefanten, Flusspferden, Primaten, Großkatzen und Nashörnern dokumentiert sind, in deren Folge auch Menschen getötet oder verletzt wurden.

Das Urteil ist abrufbar unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VG%20Meiningen&Datum=06.03.2018&Aktenzeichen=2%20E%20203%2F18

Weitere Informationen zum Thema Tiere und Zirkus finden Sie in den den Produkten Ordnungsamtspraxis von A-Z online sowie Gewerbeamtspraxis von A-Z online.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)