Ist die nächtliche Feldarbeit eine Ruhestörung?
Die Anwohner einer landwirtschaftlichen Fläche erwarten täglich gut gefüllte Regale mit landwirtschaftlichen Produkten, gingen aber gegen einen Landwirt vor, der dazu beiträgt, diese Regale zu füllen (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 24.09.2024, Az. VG 5 K 621/21).
Zuletzt aktualisiert am: 14. November 2024

Feldarbeit in der Nachtzeit …
Ein Landwirt bewirtschaftet Felder mit Maschinen und Geräten wie z.B. Traktoren in der Nähe eines allgemeinen Wohngebiets. Hierbei lockert er u.a. den Boden auf und bringt Gülle aus. Anwohner beschwerten sich über die nächtliche Ruhestörung durch die Feldarbeit. Sie wiesen darauf hin, dass die von dem Landwirt bewirtschafteten Felder bis zu 50 Meter an ihre Grundstücke heranreichen.
Mit einer Ordnungsverfügung wurde dem Landwirt ab dem Tag der Bekanntgabe das Durchführen von Feldarbeiten in der Nachtzeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr sowie Ernte- und Bestellarbeiten in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr in einer Entfernung zu Wohnhäusern von 800 Metern und weniger untersagt. Grundlage der Entscheidung war eine prognostische Berechnung ausgehend von üblichen Fahrgeräusch von Traktoren (105 dB(A)). Gegen diese Entscheidung klagte der Landwirt mit der Begründung, dass für Feld- und Erntearbeiten oftmals nur ein kleines Zeitfenster offen steht. Eine zeitliche Beschränkung würde zu Ernteausfällen führen.
… nur zeitlich begrenzt zulässig
Das Gericht verschanzte sich neun lange Seiten hinter der Rechtsordnung: Rechtsgrundlage der Ordnungsverfügung ist § 15 Abs. 1 des Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG Bbg). Danach kann im Einzelfall die Beseitigung von Zuständen angeordnet werden, die unter anderem den Vorschriften des LImSchG Bbg und damit insbesondere dem Schutz der Nachtruhe gemäß § 10 Abs. 1 LImSchG Bbg widersprechen. Denn von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr sind Betätigungen verboten, die geeignet sind, die Nachtruhe zu stören. Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 3 LImSchG Bbg gilt das Verbot nicht für Ernte- und Bestellungsarbeiten zwischen 5 Uhr und 6 Uhr sowie zwischen 22 Uhr und 23 Uhr.
Landwirtschaftliche Arbeitsgeräte als Anlagen i.S. des BImSchG, …
Große landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren und Anlagen i.S. von § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG wohnt nach allgemeiner Lebenserfahrung ein großes Störpotenzial inne, da von ihnen schädliche Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen können. Die Lärmimmissionen des Landwirts sind nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, entschied das VG seiner formaljuristischen Linie treu bleibend.
… von denen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können
Für die Bestimmung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Anlagenlärm gilt der Maßstab der Zumutbarkeit, kam das Gericht nun zum Kern des Falls. Ob eine Störung der Nachtruhe vorliegt, d.h. das zumutbare Maß überschritten ist, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung und ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgebend sind insbesondere der Gebietscharakter des Einwirkungsbereichs und dessen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind. Insoweit kann auch die Art des Lärms oder der Umstand, dass Geräusche zur Nachtzeit in besonderem Maße als störend empfunden werden, von Bedeutung sein.
Stört die Feldarbeit die Nachtruhe?
Im Rahmen einer „Güterabwägung“ hatte das Gericht nun die Gelegenheit, übergreifend zu denken. Doch diese wurde leider verpasst: Wenngleich die TA Lärm nach ihrer Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c für landwirtschaftliche Anlagen nicht unmittelbar gilt, kann jedoch auf ihre wesentlichen Regelungen und Grundsätze als Erkenntnisquelle zurückgegriffen werden. Mit starrem Blick auf diese Vorschrift entschied das VG: Nächtliche Traktoreinsätze zur Durchführung von Feldarbeiten in allgemeinen Wohngebieten sind geeignet, die geschützte Nachtruhe zu stören.
Ergebnis
Die Klage des fleißigen Landwirts, der mit seinem nächtlichen Arbeitseinsatz zur Ernährung der Anwohner seiner Felder mit beiträgt und für den „Work-Life-Balance“ unerreichbar ist, wurde abgewiesen und die Ordnungsverfügung bestätigt.