18.06.2018

Darf eine Gemeinde ein Wartehäuschen an einer Bushaltestelle errichten?

Ärmel hochkrempeln und ein Problem lösen; diese Zeiten sind mit der Ausgestaltung des Rechtsstaats in seinen unzähligen Verästelungen längst vorbei, wie der folgende Fall aufzeigt:

Wartehäuschen Bushaltestelle

Vor dem Grundstück des Eigentümers von zwei Häusern mit den Hausnummern 1 und 2 an einer Kreisstraße beabsichtigte die Gemeinde die vor dem Haus Nr. 2 betriebene Bushaltestelle vor das Haus Nr. 1 zu verlegen. Sie errichtete vor dem Haus Nr. 1 einen Gehweg mit erhöhter Bordsteinkante, um ein einfacheres Einsteigen in den Bus zu ermöglichen. Weiterhin wurde vor dem Wohnhaus eine Aussparung angelegt, um dort ein Wartehäuschen für die Fahrgäste zu errichten. Zudem wurde ein provisorisches Haltestellenschild aufgestellt (Zeichen 224 der Anl. 2 zur StVO), ohne dass eine Anordnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erging.

Wie ist der Fall um Wartehäuschen und Bushaltestelle zu lösen?

Die in diesem Fall aufgetretene Konstellation ist sehr komplex. Vier Aspekte sind zu beleuchten:

  1. Die Verlegung der Bushaltestelle mit einhergehender Anordnung eines Verkehrszeichens.
  2. Die Zuständigkeit für den ÖPNV.
  3. Die Umgestaltung des Gehwegs, um einen niveaugleichen Einstieg in den Bus zu gewährleisten und
  4. der Bau eines Wartehäuschens als Witterungsschutz vor dem Wohngebäude des Eigentümers.

So kann der Knoten aufgedröselt werden

  1. Für die Verlegung der Bushaltestelle ist eine Anordnung der Straßenverkehrsbehörde erforderlich. Wer Straßenverkehrsbehörde ist, regeln die Bundesländer sehr unterschiedlich. Meist sind es die Landkreise bzw. die Landräte, in einigen Bundesländern ab einer bestimmten Einwohnerzahl auch die Gemeinden bzw. Bürgermeister.
  2. Zuständig für den (kommunalen) ÖPNV ist der Landkreis (§ 3 Abs. 3 ÖPNVG). Zu unterscheiden ist zwischen der Finanzierungsverantwortung und der Zuständigkeit für die Anordnung für ein Haltestellenzeichen und der Zuständigkeit für den Bau des Wartehäuschens.
  3. Grundsätzlich gilt: Der Landkreis trägt die Finanzierungsverantwortung, das Aufstellen eines Haltestellenzeichens ordnet die Straßenverkehrsbehörde an (§ 45 StVO).
  4. Für die Baumaßnahmen am Gehweg sind innerhalb der Ortslage grundsätzlich nach dem Straßenrecht der Bundesländer die kreisangehörigen Gemeinden zuständig.

In der Praxis bedeutet das

  • Straßenbaulastträger für den Gehweg ist die Gemeinde.
  • Das Wartehäuschen wird auf dem Gehweg errichtet, für den nach dem Straßenrecht die Gemeinde verantwortlich ist und der – zivilrechtlich betrachtet – im Eigentum der Gemeinde als des verantwortlichen Straßenbaulastträgers steht.
  • Der Gemeinde bleibt es unbenommen, auf einem öffentlichen Grundstück ein Wartehäuschen als Witterungsschutz zu errichten, auch ohne Bezug zur Bushaltestelle. Das ist die kommunale Praxis.
  • Das aus der Selbstverwaltungsgarantie abgeleitete Recht auf Gestaltung der Gemeinde berechtigt die Kommune, eigenverantwortlich darüber zu befinden, ob in ihrer Ortslage auf der Grundlage des Straßenrechts Wartehäuschen aufgestellt werden und wie diese aussehen sollen.
  • Für das Anordnen eines Haltestellenzeichens in der Nähe des Wartehäuschens ist nur die Straßenverkehrsbehörde nach Abwägung und Bewertung der Verkehrssituation zuständig.
  • Die Straßenverkehrsbehörde ist aber nicht zuständig für das Anordnen von Bauwerken, auch nicht für das Aufstellen von Wartehäuschen.
Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)