23.02.2016

Darf ein PKW mit offenem Fenster sichergestellt werden?

Viele Verwaltungsentscheidungen fallen in einem gesetzlichen Grenzbereich, der nicht einfach zu umschreiben ist. Das OVG Bautzen (Beschl. vom 11.08.2015, Az. 3 A 224/14) begab sich in einen solchen Bereich, als es entscheiden musste, ob ein PKW sichergestellt (also zur Eigentumssicherung abgeschleppt) werden darf, wenn ein Seitenfenster offen steht.

Abschleppen bei offenem Autofenster

Der Fahrer eines PKW stellte sein Fahrzeug ab und vergaß dabei, ein Seitenfenster zu schließen. Der Polizei fiel das offene Fenster auf, und sie ließ den PKW zum Zweck der Eigentumssicherung abschleppen, nachdem mehrere Versuche gescheitert waren, den Fahrer ausfindig zu machen. Die Kosten in Höhe von rund 150 Euro wollte der Autofahrer nicht zahlen.

Entscheidungsgründe

  • Rechtsgrundlage für eine Sicherstellung ist § 26 Abs. 1 SächsPolG.
  • Danach kann die Polizei eine Sache sicherstellen, wenn dies erforderlich ist, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen.
  • Entstehen der Polizei durch die Sicherstellung, Verwahrung oder Notveräußerung Kosten, so ist der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt nach § 29 Abs. 1 Satz 3 SächsPolG zum Ersatz verpflichtet.
  • Bei der Sicherstellung zum Schutz des Eigentums wird die Polizei für den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt tätig (vergleichbar mit der Geschäftsführung ohne Auftrag i.S.v. § 677 ff. BGB.
  • Die Sicherstellung zur Eigentumssicherung ist folglich zulässig, wenn sie dem objektivierten mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht. Ob sie vom Betroffenen tatsächlich gebilligt wird, ist hingegen unerheblich. Ob diese Voraussetzungen für eine Sicherstellung vorliegen, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.
  • Ob die im Interesse des Eigentümers vorgenommene Sicherungsmaßnahme verhältnismäßig ist, hängt davon ab, wie hoch im Einzelfall die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls des Fahrzeugs, eines Diebstahls von Gegenständen aus dem Fahrzeug oder einer Beschädigung des Fahrzeugs ist, wenn die Sicherstellung unterbleibt. Hierbei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung.
  • Davon ausgehend ist die von der Polizei erstellte Prognose, dass wegen eines zu befürchtenden Diebstahls des KfZ oder dessen Beschädigung eine Sicherstellung dem mutmaßlichen Willen des Halters entspricht, nicht zu beanstanden. Die allgemeine Lebenserfahrung spricht dafür, dass geöffnete Fenster an Fahrzeugen für Dritte Anlass sein können, Zugriff auf das Fahrzeug zu nehmen oder Gegenstände aus dem Innern zu entwenden.

Ergebnis

Die Sicherstellung des Fahrzeugs und damit auch der Kostenbescheid sind rechtmäßig ergangen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)