17.07.2017

Unwirksamkeit einer Polizeiverordnung für ein örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot

Eine ortspolizeiliche Verordnung über ein örtliches und zeitliches Alkoholverbot ist ungültig, wenn sich nicht „dort“ die Straftaten unter Alkoholeinfluss abspielten (OVG Bautzen Urteil vom 30.03.2017, Az. 3 C 19/16).

Unwirksamkeit einer Polizeiverordnung für ein örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot

Der antragstellende Einwohner der Stadt wendet sich gegen ein durch Polizeiverordnung (PolVO) festgesetztes Alkoholverbot im öffentlichen Straßenraum. Das Verbot gilt für bestimmte Straßen und Plätze.

Zur Begründung trägt er unter anderem vor, er habe innerhalb des in § 1 PolVO bezeichneten Geltungsbereichs der Polizeiverordnung in der Vergangenheit schon mehrfach, insbesondere auf dem Rückweg von seiner täglichen Arbeit, ein oder zwei Flaschen Bier konsumiert und beabsichtige, dies auch zukünftig zu tun. Der Normenkontrollantrag sei begründet, da die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung nicht vorlägen. Bloße Belästigungen, die mit dem Alkoholgenuss einhergingen, reichten für ein solches Alkoholverbot nicht aus.

Das Oberverwaltungsgericht gab der Normenkontrolle statt.

Entscheidungsgründe

  • Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet. Die Polizeiverordnung der Antragsgegnerin für ein örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot verstößt mit Ausnahme ihres § 4 gegen § 9a Abs. 1/§ 10 SächsPolG und ist daher in diesem Umfang für unwirksam zu erklären. Rechtsverordnungen dürfen nicht mit Rechtsvorschriften höheren Ranges im Widerspruch stehen.
  • Der Antragsteller ist antragsbefugt.
  • Es bestehen keine Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verordnung.
  • Nach § 9a Abs. 1 SächsPolG können die Ortspolizeibehörden durch Polizeiverordnung verbieten, auf öffentlichen Flächen außerhalb von genehmigten Außenbewirtschaftungsflächen alkoholische Getränke zu konsumieren oder zum Zweck des Konsums innerhalb dieser Flächen mitzuführen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort Personen aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum (alkoholbedingte Katalogstraftaten) begangen haben und künftig begehen werden.
  • Die Antragsgegnerin hat schon keine Feststellungen dazu getroffen, ob Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sich im Geltungsbereich der Polizeiverordnung Personen aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten begangen haben.
  • Unter alkoholbedingten Straftaten i.S.v. § 9a Abs. 1 SächsPolG (unbestimmter Rechtsbegriff) sind nach Sinn und Zweck der Regelung Straftaten zu fassen, deren Begehung „dort“ durch Alkoholeinwirkung beeinflusst worden ist. Beeinflusst worden sind sie, wenn die Alkoholeinwirkung für die Straftat mitursächlich ist.
  • Nach Sinn und Zweck der Verordnungsermächtigung sind unter „alkoholbedingten Straftaten“ nicht nur solche Straftaten zu verstehen, deren Begehung monokausal auf Alkoholeinwirkung zurückzuführen ist. Es genügt, wenn die Alkoholeinwirkung mitursächlich gewesen ist.
  • Dass die Alkoholeinwirkung für die Begehung der Straftat mitursächlich gewesen ist, muss allerdings nicht erwiesen sein. Denn es müssen nach § 9a Abs. 1 SächsPolG lediglich „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass sich dort Personen aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum begangen haben, die alkoholbedingt gewesen sind.
  • Die der Polizeiverordnung zugrunde liegende Kriminalstatistik ist unzureichend. Der Kriminalitätsstatistik lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, ob die Straftäter unter Alkoholeinwirkung gestanden haben, geschweige denn, ob die Straftaten alkoholbedingt i.S.v. § 9a Abs. 1 SächsPolG begangen worden sind. Dazu hätte es hinreichender Ermittlungen bedurft.
  • § 1 Abs. 1 PolVO, wonach die Polizeiverordnung für vier Plätze und eine Straße gilt, verstößt ebenfalls gegen höherrangiges Recht. Nach § 9a Abs. 2 Satz 4 SächsPolG darf sich die örtliche Verbotsbeschränkung nach § 9a Abs. 3 Satz 3 SächsPolG lediglich auf einen räumlichen Bereich beziehen, der höchstens durch zwei Plätze und drei Straßen im Sinne des Straßengesetzes begrenzt wird.
  • Ansonsten bestehen keine durchgreifenden Bedenken (Bestimmtheitsgebot) gegen die Polizeiverordnung.
Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)