09.03.2022

Begehungen im Betrieb richtig vorbereiten

Betriebsbegehungen müssen regelmäßig durchgeführt werden. Das hält sowohl Arbeits- und Gesundheitsschutz kontinuierlich aufrecht. Dabei kann es sich um Einzelplatzbegehungen oder um Begehungen eines ganzen Betriebs handeln.

Zwei Arbeitsschützer mit einer Checkliste bei Begehungen im Arbeitsschutz.

Bedeutung der Begehungen für den Arbeitsschutz

Die Betriebsbegehung ist eines der wichtigsten Handwerkzeuge der Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa). Denn sie liefert Kenntnisse und Erkenntnisse, die die Basis für jede Sicherheitsarbeit im Betrieb darstellen. Durch Begehungen bekommt die Sifa die für ihre Tätigkeit unabdingbaren Einblicke in das Betriebsgeschehen. Regelmäßige Betriebsbegehungen schaffen so die Möglichkeit, den betrieblichen Sicherheitsstandard (Istzustand) aufzunehmen und Strategien zur Optimierung (Sollzustand) zu entwickeln. Außerdem: Nur die Anwesenheit vor Ort vermittelt den „Stallgeruch“, der unabdingbar ist, will die Sifa, dass die Belegschaft sie akzeptiert.

Betriebsbegehungen sind also durch nichts zu ersetzen. Ohne Betriebsbegehungen kann die Sifa ihren Aufgaben nicht gerecht werden.

Arten von Begehungen

Je nach Anlass wird unterschieden in Betriebsbegehungen:

  • die regelmäßig nach Terminplan erfolgen
  • zur Untersuchung von kleineren Unfällen und Beinaheunfällen
  • zur Untersuchung von schweren oder tödlichen Unfällen
  • zur Begleitung der zuständigen Aufsichtspersonen
  • aus besonderem Anlass, z.B. Maschinenabnahme, Kontrolle

Schwerpunktbegehungen

Schwerpunktbegehungen befassen sich nur mit ausgewählten Problemen und lassen alle anderen Betriebsbelange unberücksichtigt. Die Sifa kann diese mit relativ geringem Zeitaufwand durchführen.

Beispiele für Schwerpunktbegehungen:

  • Überprüfung der Verkehrswege
  • Überprüfung von Anschlagmitteln
  • Kontrolle der Benutzung von PSA

Diese Art von Begehungen ist beispielsweise insbesondere dann nützlich, wenn sich Unfälle oder bestimmte sicherheitswidrige Verhaltensweisen und Mängel häufen. Auch wenn neue Bestimmungen in Kraft getreten sind, deren Auswirkungen auf den Betrieb sich noch nicht klar abzeichnen, kann eine Schwerpunktbegehung sinnvoll sein.

Regelmäßige Begehungen

Regelmäßige Betriebsbegehungen plant die Sifa langfristig und hält sie in einem Terminplan fest. Sie informiert vorher frühzeitig betroffene Führungskräfte und stimmt die Organisation mit allen Begleitern ab. Je nach Betriebsgröße können regelmäßige Betriebsbegehungen den Gesamtbetrieb oder auch nur einzelne Betriebsteile umfassen. Auf jeden Fall aber muss die Sicherheitsfachkraft diese so planen, dass sie innerhalb eines Zeitraums, z.B. Monat oder Jahr, den Gesamtbetrieb abdecken.

Regelmäßige Betriebsbegehungen umfassen innerhalb des begangenen Bereichs alle

  • Räumlichkeiten,
  • Arbeitsplätze und die dort tätigen Mitarbeiter,
  • Maschinen, Arbeitsverfahren und -abläufe.

Hinweis

Der Soll-Ist-Vergleich bezieht sich bei regelmäßigen Betriebsbegehungen auf den gesamten begangenen Bereich.

Begehungen zu Unfalluntersuchungen

Unfallursachen können nur durch Begehungen vor Ort und nach Rücksprache mit allen Zeugen und Beteiligten ermittelt werden. Betriebsbegehungen zur Unfalluntersuchung beschränken sich im Allgemeinen auf die Unfallstelle und die unmittelbar oder mittelbar mit dem Unfall zusammenhängenden Maschinen, sonstigen Einrichtungen und Verhaltensweisen.

Unfallhergang

Eine Betriebsbegehung am Unfallort wird stets erforderlich sein, wenn ein meldepflichtiger Unfall vorliegt und in der zu erstattenden Unfallanzeige der Unfallhergang zu schildern ist. Die Unfallschilderung wird in vielen Betrieben der Sifa übertragen, die eng mit dem zuständigen Vorgesetzten zusammenarbeitet und den Text abstimmt.

Beinahe-Unfälle

In gleicher Weise sind auch kleinere Unfälle und „Beinaheunfälle“ zu untersuchen: Aus ihnen können wertvolle Hinweise über Sicherheitsdefizite und für erforderliche Maßnahmen gezogen werden, auch ohne dass es schon zu einem Unfall gekommen ist. Das ist echte Präventionsarbeit. Die Sifa sollte also dafür sorgen, dass sie möglichst von allen Unfällen und Beinaheunfällen Kenntnis erhält.

Schwere Unfälle

Betriebsbegehungen zur Unfalluntersuchung vor Ort sind bei schweren oder tödlichen Unfällen sofort, unmittelbar nach dem Bekanntwerden, erforderlich. Bei Bedarf wird sich die Sifa in die Bergung, die Erstversorgung und den Transport des Verletzten einschalten.

Weiter wird die Sifa vor Ort zugegen sein, wenn – je nach Sachlage – die Kripo oder die zuständige Aufsichtsperson von der Berufsgenossenschaft, der Unfallkasse oder dem Amt für Arbeitsschutz ihre Ermittlungen zum Unfall durchführt.

Betriebsbegehungen in Begleitung einer Aufsichtsperson

Bei Betriebsbegehungen durch Aufsichtspersonen von der Berufsgenossenschaft, der Unfallkasse oder vom Amt für Arbeitsschutz ist die Sifa ein wichtiger Begleiter. Sie ist das Bindeglied zum Betrieb und schaltet bei Rückfragen, z.B. zu Unfällen oder Arbeitsverfahren, den zuständigen Vorgesetzten oder andere sachkundige Gesprächspartner des Betriebs ein.

Die Aufsichtsperson ist dabei Herr des Verfahrens, d.h., sie entscheidet, welche Art von Betriebsbegehung durchgeführt wird und welche Bereiche besucht werden. Die Sifa hat Gelegenheit, zu Unklarheiten, z.B. zur Auslegung von Forderungen in den Sicherheitsbestimmungen und bei Ermessensfragen im Bereich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes, Fragen zu stellen. Sie kann – unter Einschluss des Vorgesetzten – mit der Aufsichtsperson ein abgestimmtes Vorgehen festlegen.

Begehungen aus besonderen Anlässen

Besondere Anlässe können z.B. sein:

  • Es werden neue Unfall- und Gesundheitsgefahren erkannt.
  • Sicherheitswidriges Verhalten schleicht sich ein.
  • Persönliche Schutzausrüstungen werden nicht getragen.
  • Neue Räume, Anlagen und Arbeitsverfahren werden geplant.
  • Brandschutzmaßnahmen sind unzureichend.
  • Über die Auslegung bestimmter Forderungen in den Sicherheitsregeln und Vorschriften wird diskutiert.
  • Neu oder gebraucht gekaufte Maschinen müssen abgenommen werden.
  • Gefahrstoffe werden neu eingeführt.

Betriebsbegehung vorbereiten

Die Vorbereitungen einer regelmäßigen Begehung im Arbeitsschutz betreffen insbesondere:

  • Aufteilen eines größeren Betriebs in geeignete Begehungsbereiche
  • Erstellen des Terminplans
  • Festlegen der Begleiter
  • Ermitteln der Sachgebiete, die jeweils anzusprechen sind
  • Beschaffen und Auswerten von Infomaterial
  • Beschaffen und Erstellen von Checklisten
  • Organisieren der Betriebsbegehungen

Aufteilen des Betriebs in mehrere geeignete Begehungsbereiche

Es ist unmöglich, einen Betrieb ab einer gewissen Größe an einem Tag in allen Betriebsbereichen zu begehen. Selbst wenn es ginge, wäre es wenig sinnvoll. Nach einer gewissen Zeit erlahmt die Aufmerksamkeit jedes Menschen. Lässt sich also der Betrieb nicht an einem halben Tag gründlich begehen, sollte er in mehrere Begehungsbereiche unterteilt werden.

Am besten ist es, die Begehungsbereiche im Grundrissplan des Betriebs einzutragen. So ist sichergestellt, dass keine Bereiche vergessen werden. Hierbei empfiehlt es sich, sich an der betrieblichen Organisation der Arbeitsabläufe zu orientieren. Man kann z.B. dem Materialfluss im Betrieb folgen: Bei der Anlieferung beginnend folgt man dem Herstellungs- oder Verarbeitungsprozess.

Erstellen des Terminplans

Zeitpunkt und Zeitabstände zur Durchführung von Begehungen sind in den Arbeitsschutzbestimmungen nicht geregelt. Der Gesetzgeber hat bewusst einen Freiraum gelassen, der eine individuelle Anpassung an die Betriebsverhältnisse und Notwendigkeiten ermöglicht. Je nach Unfallhäufigkeit und -schwere bzw. je nach den Ergebnissen der Gefährdungsanalysen sind einzelne Betriebsbereiche häufiger zu begehen, andere weniger häufig.

Tipp

Die Sifa sollte den Jahresterminplan in größerem Format in ihrem Büro aufhängen, sodass er für alle Besucher sichtbar ist. So werden die Begehungstermine transparent und es entsteht nicht der Eindruck, dass geheime „Überraschungstermine“ gemacht werden.

Begleiter für die Begehung festlegen

Es ist zu unterscheiden zwischen Begleitern, die auf jeden Fall bei Betriebsbegehungen – unabhängig vom Anlass – dabei sein müssen, und denen, die von Fall zu Fall bei Bedarf hinzugezogen werden können/müssen.

Obligatorische Begleiter sind:

  • der für den Bereich zuständige Vorgesetzte
  • der für den Bereich zuständige Sicherheitsbeauftragte
  • ein Mitglied des Betriebsrats
  • wenn irgend möglich der Betriebsarzt

Sachgebiete für die Begehung ermitteln

Zur Vorbereitung von Betriebsbegehungen gehört auch, dass die Sifa sich über die Sachgebiete der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes kundig macht, die wahrscheinlich bei der Begehung dann Thema sein werden. Beispielhaft seien hier die ergonomischen Gegebenheiten vor Ort genannt, wichtig können auch Werkzeuge, Gefahrstoffe oder die Raumsituation an sich sein.

Infomaterial beschaffen

Aus den so ermittelten Sachgebieten ergeben sich automatisch die Gebiete, für die die Sifa Infomaterialien beschaffen sollte – seien es z.B. Sicherheitsdatenblätter für Gefahrstoffe, Bedienungsanleitungen für Maschinen oder Erläuterungen der Berufsgenossenschaften.

Hinweis

Die Infomaterialien sind von der Sifa gewissenhaft auszuwerten und auf die Verhältnisse im vorgesehenen Begehungsbereich zu übertragen. Das ist zwar zeitaufwendig, aber nicht zu umgehen. Durch die Auswertung erhält die Sifa die für die Betriebsbegehung erforderlichen speziellen Kenntnisse und kann vor Ort die Sachlage beurteilen sowie kompetente und gezielte Fachfragen stellen bzw. beantworten.

Checklisten beschaffen

Der bei den Betriebsbegehungen durchzuführende Soll-Ist-Vergleich zum Feststellen von Sicherheitsdefiziten und daraus abzuleitenden Maßnahmen lässt sich am besten mit Checklisten bewältigen. Checklisten haben viele Vorteile, etwa dass sie in Ruhe vorbereitet, jederzeit geändert oder ergänzt werden können und sich gut archivieren lassen.

Checklisten sind in vielfältiger Art in der Fachliteratur (z.B. auch von WEKA Media) zu finden, außerdem stellen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen branchenspezifische Checklisten zur Verfügung. Da die Verhältnisse am Arbeitsplatz auch bei gleichartigen oder ähnlichen Tätigkeiten stark differieren, bleibt der Sifa die Aufgabe, aus den beschafften Checklisten solche eigenen zu formulieren, die für die begangenen Bereiche maßgeschneidert sind.

Betriebsbegehung organisieren

Nach Abschluss der Vorbereitungen muss die Sifa die Durchführung der Betriebsbegehungen organisieren. Dazu gehört, dass Betriebsbegehungen rechtzeitig vorher angekündigt werden. Je nach Anlass wird die Sifa ferner die einschlägigen Bestimmungen zum schnellen Nachschlagen bereithalten. In gedruckter Form sind diese oft zu sperrig zum Mitnehmen: Hier kann ein Tablet, auf dem alle einschlägigen Texte gespeichert sind, sehr nützlich sein.

Weiter gilt es zu organisieren, dass alle Beteiligten die für den begangenen Bereich vorgeschriebenen persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) tragen. Bei der Beschaffung fehlender PSA kann die Sifa behilflich sein, sie muss aber auf der vorschriftsmäßigen Ausrüstung aller Beteiligten bestehen.

Autor*in: Dr. Kurt Kropp