29.06.2021

Umfassendes Prostitutionsverbot keine zulässige Schutzmaßnahme mehr

Ist angesichts des aktuellen (niedrigen) Infektionsgeschehens das umfassende Verbot der Prostitution noch erforderlich und auch unter Aspekten der Gleichbehandlung gerechtfertigt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2021, Az. 13 MN 298/21)? Geplagt von diesen Zweifeln klagte der Betreiber einer Prostitutionsstätte.

Corona Prostitutionsverbot

Begründung der Klage

Die vollständige Untersagung der Prostitution ist keine notwendige Infektionsschutzmaßnahme mehr, argumentierte der Betreiber einer Prostitutionsstätte; es können durchaus mildere Beschränkungen gelten, die gleichermaßen zur Förderung des öffentlichen Zwecks des Gesundheitsschutzes geeignet sind.

Die Entscheidung des OVG Lüneburg

Das Oberverwaltungsgericht schloss sich der Argumentation des Betreibers einer Prostitutionsstätte an. Unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens und der Relevanz der Prostitutionsausübung hierfür ist das umfassende und ausnahmslose Verbot der Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prostitution offensichtlich nicht mehr erforderlich.

Unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrads der verbotenen Tätigkeiten und auch aller sonstigen relevanten Belange bestehen insbesondere mit Blick auf die sonstigen körpernahen Dienstleistungen, wie sie in § 10b Niedersächsische Corona-Verordnung behandelt worden sind, keine nachvollziehbaren sachlichen Gründe, die eine weitere Aufrechterhaltung des umfassenden und ausnahmslosen Prostitutionsverbots rechtfertigen können.

Ergebnis

§ 10c Niedersächsisches Corona-Verordnung wurde außer Vollzug gesetzt.

Das Land hat umgehend mit einer Änderung der Corona-Verordnung (gültig ab 19.06.2021) reagiert. Auf den Betrieb einer Prostitutionsstätte, eines Prostitutionsfahrzeugs, auf die Durchführung und den Besuch einer Prostitutionsveranstaltung, auf die Erbringung und Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen einschließlich der Durchführung der Prostitutionsvermittlung, auf die Durchführung erotischer Massagen in einer Prostitutionsstätte oder einem Prostitutionsfahrzeug sowie auf die Straßenprostitution sind die Regelungen über körpernahe Dienstleistungen nach § 10b (körpernahe Dienstleistungen) sinngemäß anzuwenden. Bei einer Inzidenz unter 35 sind Maßnahmen nach einem Hygienekonzept zu treffen.

Den Beschluss finden Sie hier.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)