27.03.2020

Corona-Pandemie: Bund will Kompetenzen nach dem IfSG an sich ziehen

Ist ein einheitliches Vorgehen im Infektionsschutz sinnvoll oder sollen die Länder eigene Wege gehen können? Das Corona-Virus legt die Schwächen des Infektionsschutzgesetzes schonungslos offen.

Corona-Pandemie

Hat der Bund die Corona-Pandemie verschlafen?

Die Corona-Pandemie hat das Infektionsschutzgesetz (IfSG) raketengleich in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Zu Beginn der Pandemie warf man dem Bund vor, nicht schnell genug gehandelt und damit wertvolle Zeit verloren zu haben. Hätte man die aus China einreisenden Fluggäste rechtzeitig in Quarantäne geschickt, hätte sich das Virus nicht so rasant und massenhaft verbreiten können, so der Vorwurf. Minister Spahn habe geschlafen, urteilten die Medien.

Corona-Pandemie
Tag 1 des Kontaktverbots – Einkaufsmeile Treppenstraße in Kassel.

Das IfSG ist nicht auf eine Pandemie vorbereitet

Bei dieser Kritik wird übersehen, dass die Bundesländer das IfSG vollziehen und der Bund hierbei keine Kompetenzen hat. Folglich existieren in Deutschland 16 verschiedene Pandemiepläne. Während Bayern ein Ausgangsverbot verhängte, sahen andere Bundesländer hierzu keine Notwendigkeit. Schleswig-Holstein stoppte die Abiturprüfungen, in Hessen gehen sie weiter.

Angesichts einer internationalen Bedrohung wie durch das Corona-Virus sind solche Regelungen nicht optimal. Nach der SARS-1-Epidemie im Jahr 2003 war genug Zeit vorhanden, um sich auf eine Pandemie vorzubereiten. Nachdem nun das „Kind in den Brunnen gefallen“ ist, prüft der Bund die Konsequenzen aus der organisatorischen Fehlkonstruktion.

Gesetz zum Schutz vor Epidemien

Das Bundeskabinett hat am 23. März den Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beschlossen. Ziel ist es, die Fähigkeit der staatlichen Organe zur Reaktion auf Epidemien und Pandemien zu verbessern. Der Bund soll in diesem Fall für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Kompetenzen erhalten.

Was ist eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“?

Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ liegt vor, wenn entweder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie ausruft und das Einschleppen einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht oder wenn eine bundesländerübergreifende Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht.

Corona-Pandemie
Praktischer Umgang mit dem Kontaktverbot.

Was darf der Bund in diesem Fall?

Die Bundesregierung darf dann eine solche Lage erklären. Das Bundesministerium für Gesundheit wird u.a. ermächtigt, durch Allgemeinverfügung oder durch Rechtsverordnung Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung zu treffen und die Gesundheitsversorgung sicherzu stellen, insbesondere durch

  • Vorschriften für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr, z.B. Angabe der Reiseroute, Vorlegen von Impfbescheinigungen,
  • Pflicht zur ärztlichen Untersuchung,
  • Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung mit Arzneimitteln, Schutzausrüstung und Labordiagnostik sowie
  • Flexibilisierung von Vorschriften in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.

Ferner sollen Ausnahmen vom Baurecht zulässig sein, um kurzfristig medizinische Einrichtungen errichten zu können.

Eltern, deren Kindern der Besuch einer Betreuungseinrichtung durch entsprechende behördliche Schließungen nicht mehr möglich ist, sollen bis zu sechs Wochen lang 67 % ihres Verdienstausfalls (maximal 2.016 Euro) erstattet bekommen.

Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrats.

Hinweis

Ein Fallbeispiel, wie Sie als Behörde mit sogenannten Corona-Parties umgehen, finden Sie unter www.kommunalverwaltung.info/corona-party/

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)