29.06.2020

Ungetrübter Corona-Badespaß

Zurückgehende Neuinfektionen, wieder gewonnene Freiheiten – wer möchte jetzt ein Angsthase sein? Also lautet beim warmen Wetter das Motto „Pack die Badehose ein“. Was die zuständigen Infektionsbehörden anordnen können, wenn Kontakt- und Abstandsgebote an Badeseen sowie weitere Vorschriften der Corona-Verordnungen massenhaft missachtet werden, zeigen wir hier auf.

Ungetrübter Corona-Badespaß

Beliebtes Freizeitgelände am Weser-Radweg

Keine Frage, die „Freizeitanlage Godelheimer See“ ist ein beliebter Hotspot für zahlreiche Menschen aus dem Raum Höxter und ein willkommener Ruhe- und Rastplatz für Radwanderer auf dem Weser-Radweg R99. Ein weißer Sandstrand, sauberes Wasser sowie eine gute Restauration mit Blick auf das Gelände laden Gäste aus Nah und Fern ein und sind ein Besuchermagnet.

Massenhaft Verstöße gegen die Abstandsregeln und das Picknick-Verbot

Leider aber – so der offensichtliche Eindruck des neutralen Beobachters – verdrängen viele Menschen die Gefährlichkeit des Coronavirus. Oder ist ihnen der Spaß einfach wichtiger? Auf dem weitläufigen Gelände lagen am 12.06.2020 die Menschen am Strand dicht zusammen und bildeten direkt gegenüberstehend kommunikative Gruppen. Im Wasser schwammen und plantschten die Wasserratten wild durcheinander. Auf einem Ponton der Größe ca. 2,50 mal 5 Meter hielten sich bis zu 15 Personen auf.

Ungetrübter Corona-BadespaßWurden Vorschriften der Corona-Verordnung des Landes verletzt?

Die Corona-Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen verpflichtet jede in die Grundregeln des Infektionsschutzes einsichtsfähige Person, sich im öffentlichen Raum so zu verhalten, dass sie sich und andere keinen vermeidbaren Infektionsgefahren aussetzt (§ 1 Abs. 1).

Mehrere Personen dürfen im öffentlichen Raum nur zusammentreffen, wenn es sich um

  1. Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner,
  2. Personen aus maximal zwei verschiedenen häuslichen Gemeinschaften,
  3. die Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen oder
  4. zwingend notwendige Zusammenkünfte aus betreuungsrelevanten Gründen handelt (§ 1 Abs. 2).

Ungetrübter Corona-BadespaßAußerhalb der nach § 1 zulässigen Gruppen ist im öffentlichen Raum zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Wenn die Einhaltung des Mindestabstands aus medizinischen, rechtlichen, ethischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist, wird das Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung (zum Beispiel Alltagsmaske, Schal, Tuch) empfohlen (§ 2).

Gemäß § 10 Abs. 6 dürfen mehrere Personen außerhalb sportlicher Betätigungen in sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen nur unter den in § 1 Abs. 2 genannten Voraussetzungen zusammentreffen.

Subsumtion

Es ist davon auszugehen, dass die anwesenden Besucher mehrheitlich keine nach § 1 Abs. 2 zulässigen Gruppen gebildet haben.

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 lagen offensichtlich nicht vor, es wurden keine Masken getragen und die Abstandsgebote nicht eingehalten.

Zudem untersagt § 10 Abs. 7 das Picknicken auf öffentlichen Plätzen oder Anlagen. Wer sich stundenlang am Badesee aufhält, hat ein natürliches Bedürfnis nach Ernährung. Das Verzehren mitgebrachter Speisen und Getränke ist Picknick. Mithin wurde auch gegen § 10 Abs. 6 und 7 verstoßen.

Gab es Kontrollen oder eine Aufsicht?

Kontrollen oder eine Aufsicht war trotz der Größe der Freizeitanlage nicht vorhanden. Von der informierten zuständigen Ordnungsbehörde gibt es bis heute keine Antwort.

Das mühsam Erreichte nicht gefährden

Mit erheblichen Eingriffen in die Grundrechte und gewaltigen finanziellen Hilfen aus den öffentlichen Haushalten, die in der Lage sind, selbst einen solventen Staat wie die Bundesrepublik finanziell zu überfordern, sind die ersten 3 Monate der Corona-Pandemie in Deutschland sehr glimpflich verlaufen. Umso mehr ist es nun die Aufgabe der Gesundheitsämter und Ordnungsbehörden, darauf zu achten, dass das Erreichte nicht durch leichtsinniges Verhalten gefährdet wird.

Welche konkreten Maßnahmen können in Betracht gezogen werden?

  1. Die Ordnungsbehörde könnte zunächst versuchen, das Gelände der Freizeitanlage durch Absperrungen so aufzuteilen, dass die Abstandsgebote eingehalten werden.
  2. In Abstimmung mit dem Gesundheitsamt wird ein Hygienekonzept erstellt, das im gesamten Gelände wiederholt und deutlich sichtbar plakatiert wird. Dessen Einhaltung wird ständig kontrolliert.
  3. Schwimm- bzw. Bademeister achten auf das Einhalten der Abstandsregeln im Wasser.
  4. Der Ponton wird gesperrt bzw. aus dem Wasser entfernt.
  5. Sind die vorgenannten oder andere Maßnahmen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand realisierbar, wird das Freizeitgelände zeitlich befristet gesperrt bzw. nur für Fußgänger oder Radfahrer freigegeben; der Aufenthalt wird untersagt.
Ungetrübter Corona-Badespaß
Tagsüber gesperrter Naturbadesee Bühl in Ahnatal.

Gemeinde Ahnatal (Landkreis Kassel) weist den Weg

Weil die Gemeinde das Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln am Naturbadesee „Bühl“ nicht gewährleisten kann, wurde das Gelände um den See bis zum 05. Juli für die Zeit von 10.30 Uhr bis 4 Uhr gesperrt. Die Sperrung beinhaltet ein Badeverbot im See und ein Aufenthaltsverbot in der Nähe des Sees.

Grund der Sperrung war, so die Gemeinde, dass sich viele Besucher des Geländes nicht an die Kontaktbeschränkungen gehalten haben. Der Bürgermeister der Gemeinde sagte hierzu: „Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen, ist jedoch aufgrund des Fehlverhaltens von vielen Menschen für uns unvermeidbar. Wir prüfen zeitnah, ob die Sperrung nach dem 05. Juli verlängert werden muss oder aufgehoben werden kann.“

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)