01.03.2018

Der Ganges – ein heiliger Fluss als Friedhof

So mancher gläubige Hindu, der merkt, dass er bald sterben muss, macht sich auf nach Varanasi, der Stadt Shivas, einer der hinduistischen Hauptgottheiten. Dort wartet er auf den Tod und lässt seine Asche im heiligen Fluss Ganges verstreuen. Auf diese Weise kann er den ewigen Kreislauf der Wiedergeburt unterbrechen und ewiges Leben erlangen. Aber jetzt droht auch der Fluss zu sterben.

Ganges Varanasi

„Weihwasser“, Abwasserkanal und Massengrab in einem

Was dem Moslem sein Mekka, dem Katholiken seine Fahrt nach Rom, ist dem Hindu seine Reise zum heiligen Ganges, einem der größten Flüsse Indiens. Einmal im Leben sollte ein Hindu dorthin pilgern und ein rituelles Bad nehmen, das ihn von seinen Sünden befreit.

Doch der Fluss ist hochgradig verunreinigt. Ungeklärte Abwässer zum Beispiel aus Privathaushalten und der Leder- und Färbeindustrie verschmutzen ihn mit gesundheitsschädlichen und krebserregenden Stoffen wie Chrom, Arsen, Quecksilber und Blei. Zudem ist er stark mit Fäkal- und anderen Bakterien belastet. Am Mittellauf des Flusses bildet sich Schaum auf dem Wasser. Der Ganges trägt eine ungeheure Müllfracht mit sich. Fatalerweise führt er zudem immer weniger Wasser. Der Sauerstoffgehalt sinkt und mit ihm der der Bestand an Fischen wie dem Ganges-Delfin.

Der Ganges dient zusätzlich als riesiger Friedhof. Wer im Ganges bestattet wird, dessen Seele soll nach hinduistischem Glauben die sofortige Erlösung erfahren. Daher werden die Leichen am Ufer verbrannt und die Asche dem Fluss übergeben. In Varanasi werden zum Beispiel am Manikarnika Ghat, einer der Treppen zum Ufer, täglich große Scheiterhaufen aus Holz errichtet, um darauf die Verstorbenen den Flammen zu übergeben. Während sich der Leichnam langsam in Asche verwandelt, baden die Angehörigen im Fluss.

Körper, die nicht eingeäschert werden, weil das Geld dafür fehlt oder es sich um heilige Männer handelt, beschwert man mit einem Stein, bevor man sie dem Fluss übergibt. Sie sollen so unter Wasser gehalten werden – mit mäßigem Erfolg. Der Fluss gibt die menschlichen Überreste immer wieder frei und spült sie ans Ufer, wo sich Insekten, Vögel und Hunde über sie hermachen. Dennoch wird das Gangeswasser vielerorts noch zum Zähneputzen, Waschen und sogar zum Trinken genutzt.

Die Inder versuchen ihren Fluss zu retten: Am 21.03.2017 wurde er von einem Gericht zu einem Lebewesen erklärt, womit er und der wichtigste Nebenfluss rechtlich mit einem Menschen gleichgestellt sind. Zudem hat die indische Regierung den National River Action Plan aufgestellt – bislang jedoch mit bescheidenen Resultaten.

Weitere Beiträge zum Thema „Friedhof und Bestattung“ finden Sie im Werk Friedhofs- und Bestattungswesen.

Autor*in: Astrid Hedrich (Rechtsanwältin und Dozentin in Augsburg. Beschäftigt sich mit Wirtschaftsrecht.)