10.09.2021

Flexible Arbeitszeitmodelle im Handwerk

Je mehr Menschen in einem Unternehmen beschäftigt sind, desto mehr Lebensentwürfe treffen aufeinander. Nicht immer ist die klassische Vollzeitarbeitswoche mit fünf Arbeitstagen machbar. Studien zeigen, dass sich gerade jüngere Arbeitnehmer mehr Flexibilität bei ihren Arbeitszeiten wünschen.

Flexible Arbeitszeitmodelle

Die klassische Vollzeitwoche in Deutschland bewegt sich in einem Stundenspektrum zwischen 35-40 Stunden pro Woche, verteilt auf fünf Tage – je nach Branche. Im Handwerk sind allerdings 40 Stunden und mehr wöchentlich an der Tagesordnung. Doch nicht für jeden Mitarbeiter ist dieses Konzept das richtige. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, alle haben gemein, dass flexible Arbeitszeitmodelle gefragt sind.

Auch bei langjährigen Vollzeitarbeitskräften können sich die Lebensumstände dahingehend ändern, dass schnelles Reagieren durch den Arbeitgeber nötig ist. Sei es eine schwere Erkrankung des Mitarbeiters selbst, ein Pflegefall in der Familie, das Gründen einer Familie oder aber auch ein Ehrenamt: Die Gründe, weswegen ein Arbeitnehmer seine Stundenanzahl reduzieren muss oder auf eine flexiblere Taktung angewiesen ist, sind vielfältig.

Flexible Arbeitszeitmodelle werden immer wichtiger

Um Fachkräfte langfristig an sich zu binden, müssen sich heutzutage auch Handwerksunternehmer etwas einfallen lassen. In jüngsten Umfragen gaben vor allem Berufseinsteiger an, dass sie sich die Möglichkeit wünschen, die tägliche Stundenzahl individuell vertraglich zu regeln. Das heißt aber nicht, dass der klassische Tarifvertrag ausgedient hat. Für den einen Beschäftigten ist die Wochenarbeitszeit im Tarifvertrag genau richtig, der andere möchte seine Stunden aber lieber reduzieren oder umverteilen. Hier wird also nach flexiblen Arbeitszeitmodellen gefragt.

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Flexible Arbeitszeit muss aber nicht unbedingt heißen, dass die Gesamtwochenarbeitszeit im Unternehmen reduziert werden muss oder dass im schlimmsten Fall Aufgaben liegen bleiben. Studien und Feldversuche dazu (u.a. in Island und Spanien) haben bereits erfolgreich gezeigt, dass bei einer Reduzierung um bis zu 20 % der Arbeitszeit bei gleichem Lohn die Produktivität keinesfalls leidet. Vielmehr konnte sie bei einer gut organisierten Verteilung der Aufgaben sogar noch gesteigert werden.

Während für viele Arbeitgeber die Nachteile flexibler Arbeitszeitmodelle auf den ersten Blick überwiegen, profitieren die meisten Unternehmen doch von der Bindung guter Fachkräfte, sowie der gesteigerten Motivation der Mitarbeiter durch eine bessere Work-Life-Balance. Mitarbeiter, die sich weniger Sorgen um ihr Privatleben machen müssen, sind in der Arbeitszeit produktiver und auch gerne mal bereit Überstunden zu leisten, wenn diese sinnvoll und notwendig sind. Dadurch bieten sich dem Unternehmen viele Vorteile.

Vielfalt an Arbeitszeitmodellen

Neben Vollzeit wird den meisten Unternehmern als nächstbestes Beispiel die klassische Teilzeitstelle einfallen, wenn es um eine reduzierte Stundenanzahl geht. Oftmals wird dieses Modell bei Familien mit zu betreuenden Kindern gewählt, da der Mitarbeiter so Arbeit und Kinderbetreuung leichter gewährleisten kann. Für den Arbeitgeber lässt sich auf diese Weise auch leicht sicherstellen, dass bestimmte Kernarbeitszeiten täglich bedient werden (z.B. immer vormittags). Der folgende Überblick beweist aber, dass es damit noch lange nicht getan ist. Flexible Arbeitszeitmodelle können vielfältig ausgestaltet sein – so ist für jedes Unternehmen das richtige dabei.

Flexible Arbeitszeitmodelle: Übersicht

Vollzeit/ 5-Tage-Woche/ 4-Tage-Woche

Bei einer Vollzeittätigkeit leistet der Arbeitnehmer die volle vom Unternehmen vorgegebene Wochenarbeitszeit. Im Handwerk ist das das gängigste Arbeitszeitmodell. In der Regel handelt es sich dabei um 40 Stunden à fünf Tage, also acht Stunden am Tag. Dies kann aber auch vertraglich auf andere Tage umgelegt werden, um zum Beispiel sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer am Freitag bereits mittags ins Wochenende starten können. Hierbei kommt es auf betriebliche Abmachungen oder vertragliche Vereinbarungen an, wie die 40 Stunden abgeleistet werden.

Wichtig ist aber zu beachten, dass die tägliche Arbeitszeit 10 Stunden (ohne Pausen) nicht überschritten werden darf. Der Arbeitgeber ist gesetzlich dazu verpflichtet, auf die Einhaltung der Pausenzeiten zu achten (ab sechs Stunden 30 Minuten und ab neun Stunden 45 Minuten). Zudem können Überstunden angeordnet werden. Die Gesamtwochenstundenanzahl darf dabei dann jedoch 48 Stunden nicht überschreiten, was jedoch dazu führt, dass die Woche in Ausnahmefällen auf eine Sechs-Tage-Woche ausgeweitet werden kann.

Ein besonderes Augenmerk muss auch auf die Höchstarbeitszeit und Pausenzeiten für Auszubildende gelegt werden, die noch nicht volljährig sind. Für sie gilt eine gesonderte Fürsorgepflicht durch den Arbeitnehmer. Auch Überstunden sind bei minderjährigen Auszubildenden nur in sehr seltenen Ausnahmefällen erlaubt und müssen noch in derselben Woche ausgeglichen werden.

Vollzeit arbeitende Mitarbeiter können aber durch eine Sondervereinbarung im Vertrag auch ihre Arbeitstage reduzieren, ohne dabei weniger Stunden abzuleisten. Das heißt, ein Mitarbeiter könnte zum Beispiel 38,5 Stunden in einer Vier-Tage-Woche absolvieren. Auch dabei handelt es sich noch um eine Vollzeitstelle, bietet dem Mitarbeiter aber einen ganzen weiteren Tag in der Woche zur freien Verfügung. Einige Handwerksbetriebe haben dieses Modell bereits sehr erfolgreich für sich umgesetzt. Einzelne Mitarbeiter oder der gesamte Betrieb arbeiten beispielsweise nur noch von Montag bis Donnerstag, erreichen aber dennoch, je nach Vertrag, die vereinbarten 35 bis 40 Stunden. Die Mitarbeiter können das Wochenende besser genießen und dadurch in den vier Tagen produktiver sein. Hier ist gerade im Handwerk aber eine gute Kundenkommunikation unerlässlich, um diese durch den arbeitsfreien Freitag nicht vor den Kopf zu stoßen.

Teilzeit

Bei einer Teilzeit-Stelle lassen sich die Stunden je nach Bedarf vertraglich vereinbaren. Dabei gibt es sogenannte vollzeitnahe Teilzeitbeschäftigte. Sie arbeiten zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche. Bei eine Wochenarbeitszeit von um die 20 Stunden spricht man von einer klassischen Teilzeitkraft (Hälfte der Vollzeitkraft). Jedoch lassen sich hier individuell noch mehr oder weniger Wochenstunden vereinbaren. Vertraglich sollte auch geregelt werden, ob die Wochenstunden an festgelegten Tagen abgearbeitet werden, oder flexibel von dem Mitarbeiter nach Bedarf gestaltet werden dürfen. Um Kernarbeitszeiten und die Erreichbarkeit im Unternehmen zu sichern, sowie Planbarkeit zu haben, ist es aber sinnvoll sich auf bestimmte Tage festzulegen.

Obwohl statistisch gesehen diese Art des Zeitmodells eher bei Frauen zu finden ist und dort auch verstärkt bei Bürokräften und im Einzelhandel, kann es im Handwerk durchaus sinnvoll sein, für dieses Modell offen zu sein: beispielsweise wenn ein Mitarbeiter alleinerziehend ist und nur so die Kinderbetreuung sicherzustellen ist, oder wenn ein langjähriger Mitarbeiter aufgrund seines Alters oder seines Gesundheitszustands kürzer treten will oder muss.

Arbeitszeitkonten

Gerade im Handwerk und auf dem Bau ist diese Art der flexiblen Arbeitszeit ein beliebtes Instrument, um die Wellen von Mehrarbeit und Flauten managen zu können. Manchmal liegt es an der Auftragslage, manchmal aber macht gerade auf Baustellen das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Während man im Sommer alle Baustellen abarbeiten kann, sorgen strenge Winter mit Eiseskälte und viel Schnee häufig für einen Baustellenstopp. Die Mitarbeiter sind allerdings in Vollzeit angestellt und müssen auch weiterhin entlohnt werden. In diesen Fällen können Jahresarbeitszeitkonten oder gar Lebensarbeitszeitkonten hilfreich sein.

Bei diesem Modell wird gearbeitet, wenn wirklich Arbeit da ist. Man kommt nicht in den Betrieb, wenn keine Aufträge vorhanden sind, nur um bloße Stunden der Stechuhr zu erfüllen. Ist die Auftragslage gut oder eilt ein Auftrag, dann ist mühelos auch Mehrarbeit in Form von angeordneten Überstunden möglich. Diese Überstunden landen auf einem sogenannten Arbeitszeitkonto. Ist die Auftragslage im Nachgang eher mau, oder erlaubt die Witterung schlichtweg das Arbeiten nicht, werden die angesammelten Überstunden in Form von freien Tagen abgegolten. Man kann sich das Arbeitszeitkonto ähnlich wie ein Sparkonto vorstellen, nur dass darauf kein Geld, sondern Arbeitszeit angesammelt wird, die dann bei Bedarf/ nach Möglichkeit abgefeiert wird. Beim Lebensarbeitszeitkonto gibt es keine Frist, bis wann die Stunden abgebaut werden müssen – mit Ausnahme des Renteneintritts. Beim Jahresarbeitszeitkonto hingegen müssen die geleisteten Überstunden noch im gleichen Jahr mit Freizeit abgegolten werden. Ist dies nicht möglich, müssen die restlichen Überstunden mit dem letzten Jahresgehalt ausbezahlt werden. Auch der Aufbau von Minusstunden ist bei diesem Konzept möglich. Der Arbeitgeber ist dann jedoch auch weiterhin verpflichtet, das volle Gehalt zu bezahlen, sozusagen als Vorschuss, der dann abgearbeitet werden muss.

Blockarbeitszeit

Eine weitere beliebte Lösung auf dem Bau ist die Blockarbeitszeit. Dadurch können Arbeitsspitzen gut bedient werden und Phasen im Jahr mit wenig Arbeitsaufkommen von den Mitarbeitern planbar und gut genutzt werden. Bei der Blockarbeitszeit werden für verschiedene Phasen im Jahr unterschiedliche Wochenarbeitsstunden vereinbart. Zum Beispiel hat ein Handwerker dann im Vertrag für die Sommermonate von April bis Oktober eine vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, während für die kalten Monate, also von November bis März, pauschal im Vertrag nur 30 Stunden die Woche vereinbart werden. Auch heruntergebrochen auf einzelne feste Monate/ Wochen im Jahr ist solch eine Vertragsgestaltung möglich.

Arbeit auf Abruf

Gerade für Hilfskräfte auf dem Bau kann dieses Modell einen Mehrwert bieten. Mit der Arbeit auf Abruf lässt sich vertraglich vereinbaren, dass Mitarbeiter nur dann tatsächlich auch im Betrieb sind, wenn für sie Arbeit anfällt. Dabei kann eine Vergütung nach Stunden vereinbart sein, oder aber eine pauschale Vergütung (dann in Kombination mit einem Jahresarbeitszeitkonto). Der Arbeitgeber muss seinem Beschäftigten dann allerdings vier Tage vorher Bescheid geben, wenn Arbeit anfällt. Dadurch hätte der entsprechende Mitarbeiter Zeit, die Kinderbetreuung oder ähnliches zu organisieren.

Schichtarbeit

Ab einer bestimmten Betriebsgröße kann es sinnvoll sein auch im Handwerk Schichtarbeit anzubieten. Auf diese Weise könnten Mitarbeiter, die sich mit dem Partner die Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen teilen, beispielsweise erst nachmittags mit der Arbeit beginnen, wenn der Partner zuhause übernimmt. Natürlich ist dieses Modell nicht für alle Unternehmen geeignet, jedoch lässt sich ein Zwei-Schicht-Modell in vielen Betrieben verwirklichen. Ein Drei-Schicht-Modell kommt natürlich nur für Unternehmen, die auch viel in der Werkstatt fertigen, in Frage. Auf der Baustelle oder bei Kundenterminen ist Nachtschicht natürlich nicht möglich.

Zeiterfassung ist Pflicht – und Chefsache

Um flexible Arbeitszeitmodelle im eigenen Betrieb umzusetzen, braucht es natürlich die nötige Organisation. Mit einigen Tipps lässt sich aber ein gutes Miteinander im Betrieb verwirklichen und alle profitieren davon. Die Mitarbeiter können Arbeit und Privatleben besser vereinbaren und der Arbeitgeber sichert sich durch attraktive Arbeitszeitgestaltung Fachkräfte.

Wichtig ist zunächst für verschiedene Modelle offen zu sein und im Mitarbeitergespräch Augen und Ohren offen zu halten: Gibt es vorher motivierte Mitarbeiter, die nun mit den Aufgaben hadern? Hat sich die Lebenssituation oder die Gesundheit eines Mitarbeiters verändert? Als Arbeitgeber hat man immer auch eine Fürsorgepflicht und muss auf veränderte Situationen bei den Mitarbeitern reagieren.

Außerdem ist es ratsam, bei der Stundenverwaltung im Unternehmen digital zu werden. Unleserliche Stundenzettel, denen man lange nachlaufen muss, waren gestern: Zeiterfassung für Handwerker kann auch einfach sein!

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Der Europäische Gerichtshof hat 2019 bereits beschlossen, dass die tägliche Arbeitszeit umfassend erfasst werden muss. Der handschriftliche Überstundenzettel hat somit ausgedient. Es muss nun der Beginn, das Ende der Arbeitszeit und Pausenzeiten aufgezeichnet werden. Kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, ist der Arbeitgeber in der Beweispflicht. Daher macht es Sinn, die Aufzeichnung der Arbeitszeit selbst in die Hand zu nehmen. Das bedeutet nun aber nicht, dass der Arbeitgeber von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz laufen soll und die Stunden notiert. Zielführender ist die Einführung einer digitalen Zeiterfassung. Damit kann jeder Arbeitnehmer seine Zeiten selbstständig, ordentlich und gut lesbar, zentral in einem System erfassen.

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Arbeitszeiterfassung

Autor*in: WEKA Redaktion