10.05.2023

Zerschlagung der DB nimmt Fahrt auf

Unpünktlich, defizitär, total verschuldet – die Weichen für die Deutsche Bahn AG sind in Richtung Abstellgleis gestellt. Ende März gab es noch eine Bilanzpressekonferenz. Aber den Auguren zufolge wohl die letzte ihrer Art. Anfang 2024 soll das Schienennetz allein ans Netz gehen.

Zerschlagung der DB

Letztes Mal DB-Bilanzpressekonferenz

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will zum 1.1.2024 das Schienennetz der Deutschen Bahn abtrennen und in eine eigene Gesellschaft überführen. Das teilt das Bündnis Bahn für Alle aus Anlass der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn AG Ende März mit. Sie habe dieses Jahr voraussichtlich zum letzten Mal in der bekannten Form stattgefunden. „Eurailpress“ zitiert Susanne Henckel, Staatssekretärin beim Bundesverkehrsministerium (BMDV), mit vier Schwerpunkten der neuen Gesellschaft:

  • Infrastruktur aus einer Hand durch die Zusammenführung der DB-Sparten Netz und „Station und Service“
  • Nachhaltig und einfacher finanzieren durch neue Finanzierungsarchitektur
  • Steuerung durch den Bund und höhere Transparenz durch Einführung und Fortschreibung eines Monitorings der Aktivitäten
  • Lösungsorientiertes Vorgehen, wofür zeitnah Gesetzesänderungen angestoßen werden sollen

Demnach hat auch Jörg Sandvoß, Konzernbeauftragte Gemeinwohlorientierte Infrastruktur der DB AG, den 01.01.2024 als Starttermin für die neue Gesellschaft bestätigt.

Vorschläge zur Zerschlagung

Damit nehmen Vorschläge zur Zerschlagung der Deutschen Bahn AG jetzt konkrete Formen an. Zuletzt plädierte die Monopolkommission für eine Aufspaltung der Deutschen Bahn. „Nach Auffassung der Monopolkommission überwiegen die Vorteile einer vollständigen Trennung von Infrastruktur- und Transportsparten“, sagte der Vorsitzende Jürgen Kühling der „Süddeutschen Zeitung“. „Ziel soll sein, die Betreiber der Infrastruktur und die Nutzer dieser Infrastruktur voneinander zu trennen.“ Am Ende stehe ein Unternehmen, das nur daran interessiert sei, dass das Netz gut ausgelastet sei und gut funktioniere.

Keine Anreize für Wettbewerbsbehinderungen

Dann gebe es keine Anreize mehr, Wettbewerber auf dem Netz zu behindern. Dadurch würde sich nach Kühlings Einschätzung ziemlich zügig etwas ändern, für die Kunden, die anderen Bahnanbieter und für die Investitionen in das Netz.“ In Spanien habe sich durch die Trennung der Wettbewerb verbessert, während die Ticketpreise gefallen seien. Die Monopolkommission berät die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen.

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Sowohl die Union als auch der Bundesrechnungshof fordern laut „Welt“ die Aufspaltung des Staatskonzerns. Eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft innerhalb der Bahn einzuführen, sei „ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur der halbe Schritt“, kritisierte Kühling. Er sei zuversichtlich, dass sich die Idee durchsetzen werde. „Wir bohren gerne dicke Bretter, ich bin Optimist, kluge Vorschläge setzen sich irgendwann durch“, so Kühling.

Bundesrechnungshof schlägt Alarm

Davor hatte der Bundesrechnungshof (BRH) angesichts der Dauerkrise bei der Bahn Alarm geschlagen und einen radikalen Eingriff des Staates verlangt. „Die Krise der DB AG wird chronisch, der Konzern entwickelt sich zu einem Sanierungsfall, der das gesamte System Eisenbahn gefährdet“, erklärte Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. Der Konzern habe über 30 Milliarden Euro Schulden, täglich seien fünf Millionen dazu gekommen. „Die DB entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden.“ Ziele wie die Verdopplung des Personenverkehrs bis 2030 oder ein Anteil der Schiene am Güterverkehr von 25 Prozent seien unerreichbar. Der Bund müsse den Konzern neu ausrichten und sich von den Töchtern Schenker und der Nahverkehrsfirma Arriva trennen.

Sanierungsfall DB AG

„Die Krise der DB AG wird chronisch, der Konzern entwickelt sich zu einem Sanierungsfall, der das gesamte System Eisenbahn gefährdet“ heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesrechnungshofes.
Das zeige ein aktueller Befund des BRH zur Lage der DB AG im Anschluss an seinen Sonderbericht von 2019. Vier Jahre später sei das System Eisenbahn sogar noch unzuverlässiger geworden und die wirtschaftliche Lage der DB AG habe sich weiter verschlechtert. „Die vier Jahre sind offensichtlich verloren“, so Scheller anlässlich der Zuleitung eines Sonderberichtes an den Deutschen Bundestag mit Hinweisen für eine strukturelle Weiterentwicklung der Deutschen Bahn AG. Es gebe gravierende strukturelle, finanzielle und betriebliche Probleme. Von einer Lösung sei die Bundesregierung weit entfernt. Das spürten alle im Alltag.

Der BRH empfiehlt unverändert, alle Aktivitäten und die Strukturen der DB AG auf den Gewährleistungsauftrag aus der Verfassung auszurichten:

  • Die Verkehrsbedürfnisse für Deutschland decken.
  • Mit einem zuverlässigen Verkehrsträger Schiene,
  • der gleichzeitig für mehr Klimaschutz steht.

Damit das System Eisenbahn seine verkehrs- und klimapolitische Rolle erfüllen könne, brauche es grundsätzliche Reformen. Ohne entschiedenes Umsteuern ende das System Eisenbahn auf dem Abstellgleis, so Scheller.

Zustand der DB AG verschlechtert sich weiter

Das Ergebnis der neuerlich Bahn-Analyse durch den BRH sei ernüchternd. Die Probleme hätten sich in Anzahl und Dringlichkeit sogar verschärft:

  • 2022 sei jeder dritte Fernverkehrszug unpünktlich gewesen – ein Negativrekord. Die DB AG verfehle weiterhin die Kundenansprüche an Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Das gelte auch für den Nah- und den Güterverkehr.
  • Dafür sei zudem die überalterte Schieneninfrastruktur verantwortlich. Anlagenausfälle und Kapazitätsengpässe bremsten den Schienenverkehr aus.
  • Die vielfältigen und weltweiten Geschäftstätigkeiten der DB AG jenseits der Eisenbahn in Deutschland würden Management- und Finanzressourcen binden.
  • Die wirtschaftliche Situation des Konzerns verschärfe sich weiter. Diese seien in Teilen defizitär. Die Erträge seien rückläufig oder es entständen zum Teil massive Verluste in den bahnbezogenen Geschäftsfeldern der DB AG:
    • DB Cargo,
    • DB Regio,
    • DB Fernverkehr.
  • Die DB AG könne ihre Kosten und Investitionen nicht durch die Einnahmen decken und habe sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiter verschulden müssen. Die Verschuldung sei seit 2016 um zehn Milliarden Euro auf über 30 Milliarden Euro angestiegen – täglich fünf Millionen Euro neue Schulden. Und das, obwohl der Staat die DB AG auf unterschiedlichen Wegen immer stärker finanziell unterstütze. Diese öffentlichen Zahlungen von zuletzt durchschnittlich 16,6 Milliarden Euro im Jahr überstiegen dabei die Einnahmen aus Infrastrukturentgelten, Transport- und Fahrgastumsätzen.
  • Alles zusammen beschädige das die Reputation der DB AG immer mehr. Werbewirksame Versprechen und Strategien wie „Starke Schiene“ oder „Deutschlandtakt“ halte die DB AG nicht ein, sie verkämen zu wirkungslosen Worthülsen.

Was ist zu tun?

„Die Dauerkrise ist nicht allein Folge von Entscheidungen der DB AG. Durch eigene Versäumnisse hat die Bundesregierung wesentlich dazu beigetragen. Nach vier weiteren verlorenen Jahren muss die Bundesregierung endlich entschlossen gegen die Ursachen der Dauerkrise vorgehen und den Konzern wirksam, umfassend und schnell umstrukturieren“, so Scheller. Erforderlich sei dafür:

  • Den Gewährleistungsauftrag in einem Gesamtkonzept konkretisieren – mit nachvollziehbaren Zielen für das System Eisenbahn, validen Kostenschätzungen und einem gleichzeitig realistischen und ambitionierten Zeitplan. Es muss klar sein, was für eine Bahn und wieviel Bahn der Bund zu welchen Kosten haben will.
  • Vom Gesamtkonzept ausgehend braucht der Bund die seit langem angekündigte Eigentümerstrategie – um die DB AG auf seine Interessen auszurichten. Kernfrage ist, was in den Konzern gehört, um den Gewährleistungsauftrag zu erfüllen. Management- und Finanzressourcen dürfen nur dort zum Einsatz kommen, wo sie tatsächlich Probleme im Schienennetz und -verkehr lösen. Engagements im Ausland oder in anderen Sparten sind einzustellen.
  • Die Struktur des Systems Eisenbahn weiterentwickeln, also die DB AG so ausrichten, dass das System Eisenbahn als Ganzes profitiert. Denn die bisherige Organisation als integrierter Konzern hat sich nicht bewährt. Dabei braucht der Bund die Kontrolle über das Schienennetz, um seinen Gewährleistungsauftrag zu erfüllen. Gleichzeitig sollte er auch durch die Struktur des Systems Eisenbahn den Wettbewerb auf der Schiene fördern.
  • Eine aktive Beteiligungsführung beim DB AG-Konzern, mit der der Bund angemessen Einfluss nimmt. Das heißt:
  • Die Eignung verschiedener Rechtsformen prüfen.
  • Den Unternehmenszweck klar festlegen und eingrenzen.
  • Aufsichtsräte angemessen mit Bundesvertreterinnen und -vertretern besetzen.
  • Eine neue Verschuldungsgrenze einführen.
„Der Bund muss die DB AG aufgleisen – als verkehrspolitischer Gestalter, Alleineigentümer und Geldgeber kann er die Weichen stellen“, sagte Scheller. „Wichtig ist: Was die Schiene nicht stärkt, gehört nicht in den Konzern.“

DB: Bahn schreibt schwarze Zahlen

Anders das Bild, dass die Bahn selber von ihrer Situation zeichnet. Danach schreibt der Deutsche Bahn-Konzern (DB) „wieder schwarze Zahlen“, wie das Unternehmen anlässlich der Bilanzpressekonferenz 2023 Ende März hervorhob. Zwar räumt der Konzern Belastungen des Bahngeschäfts ein. Sie führt er zurück auf:

  • Pandemie-Folgen,
  • Ukraine-Krieg
  • stark gestiegene Inflation

Operativer Gewinn 2022

Trotzdem habe der DB-Konzern das Geschäftsjahr 2022 mit einem deutlichen operativen Gewinn abgeschlossen. Das operative Ergebnis (EBIT bereinigt) verbesserte sich demnach im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 um rund 2,8 Milliarden Euro auf knapp 1,3 Milliarden Euro. Der Konzernumsatz (bereinigt) sei 2022 gegenüber dem Vorjahr um 19,1 Prozent auf rund 56,3 Milliarden Euro gewachsen – „eine neue Höchstmarke“, so die Bahn-Pressemitteilung. In den Jahren 2020 und 2021 habe die DB pandemiebedingt noch Verluste in Milliardenhöhe gemacht.

Im Kerngeschäft der DB verbesserten sich ihr zufolge im Vergleich zum Vorjahr Umsatz und Ergebnis 2022 insgesamt ebenfalls erheblich. Dr. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG: „Klimafreundliche Mobilität boomt. Die Nachfrage stimmt und wächst aktuell weiter stark. Für 2023 könnte es im Fernverkehr mit deutlich mehr als 150 Millionen Reisenden eine neue Rekordzahl geben. Das spornt uns an, für unsere Kundinnen und Kunden so schnell wie möglich besser zu werden; denn Deutschland verdient eine Bahn, die leistungsfähiger und pünktlicher ist.“

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)