09.01.2020

Kein giftiges Schweröl mehr: Neue Treibstoffvorschrift für die Schifffahrt

Am ersten Januar tritt weltweit eine neue Treibstoffvorschrift für die Schifffahrt in Kraft. Schiffe dürfen kein giftiges Schweröl verbrennen. Das Echo in der Fachwelt ist geteilt. Nicht weit genug geht die Regelung Naturschützern. Scrubber könnten verstärkt zum Einsatz kommen.

Treibstoffvorschrift

Treibstoffe mit höchstens 0,5 Prozent Schwefel

Nur noch Treibstoffe mit höchstens 0,5 Prozent Schwefel dürfen Schiffe auf den Weltmeeren nutzen. Bisher waren bis zu 3,5 Prozent erlaubt – dreitausendfünfhundert Mal mehr als beim Straßendiesel, wie der Naturschutzbund Nabu in einer Pressemitteilung vorrechnet. An Land sind demzufolge 0,001 Prozent die Obergrenze.

Der Schwefelgehalt gilt als grober Gradmesser der Treibstoffqualität. Ist er hoch, seien daneben viele andere Giftstoffe im Treibstoff enthalten. Reeder dürften weiterhin das giftige Schweröl nutzen, wenn sie nach der Verbrennung den Schwefel aus dem Abgas waschen lassen. Andere Giftstoffe landeten trotzdem in der Luft oder über das Waschwasser im Meer. Viele Schiffe schütten, so der Nabu, dieses Waschwasser angeblich über Bord.

Ausnahmeregelungen bergen neue Gefahren

Mit dem neuen Gesetz wollte man eigentlich das Schweröl aus den Tanks verbannen. Die Ausnahmeregelungen brächten nicht nur neue Gefahren für die Gewässer mit sich, behauptet der Nabu und beruft sich dabei auf eine neue Studie des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie im Hinblick auf die Schadstoffeinträge ins Meer. Demnach würden auch die Luftschadstoffemissionen nicht so stark gesenkt wie beim vollständigen Verzicht auf Schweröl.

Weiter Schweröl voll von Schwefel

Auf Nord- und Ostsee und in den deutschen Häfen gilt einem Bericht des NDR zufolge schon länger ein Grenzwert von 0,1 Prozent. Frachter, Tanker oder Kreuzfahrtschiffe, die auf offener See künftig weiter Schweröl voll von Schwefel, Schwermetallen und Stickoxiden verbrennen, benötigten eine Abgasreinigungsanlage an Bord.

Obwohl der neue Grenzwert seit Jahren bekannt ist, hätten sich bisher nur etwa zehn Prozent der deutschen Reeder für den Einbau eines Scrubber genannten Abgaswäschers entschieden. Vor allem wegen der Kosten im Millionenbereich pro Schiff, so Alfred Hartmann, Präsident des Verbands Deutscher Reeder, gegenüber dem Sender.

Große Schiffe benötigen dem Bericht zufolge 100 bis 200 Tonnen Treibstoff pro Tag, je nach Größe und Ladung. Die Bunkerkosten sind ein wesentlicher Teil der Betriebskosten. Der schwefelarme Treibstoff ist pro Tonne etwa 220 Euro teurer als das herkömmliche Schweröl. Die deutschen Reeder rechnen dadurch mit Zusatzkosten von mehreren Milliarden Euro. Allein Hapag-Lloyd geht jährlich von Mehrkosten von mehr als einer Milliarde Euro aus.

Scrubber ist Technologie der Wahl

Woher er die Zuversicht nimmt, der Großteil der Flotte stelle künftig auf Schiffsdiesel um, lässt der Nabu in seiner Pressemitteilung offen. Dieser verbrenne deutlich sauberer, heißt es dazu lediglich. Die führenden Hersteller von Scrubber oder Entschwefelungsanlagen für das Abgas vertreten unterdessen laut dem Fachjournalisten Hans-Jürgen Reuß übereinstimmend die Auffassung, dass die Nachrüstung der Schiffe mit Scrubbern nicht nur die einfachste, sondern auch die wirtschaftlichste Lösung sei. Sie begründeten ihre Auffassung mit zwei Argumenten:

  • Die Investition in einen Scrubber steigere den Wert eines Schiffes.
  • Auf lange Sicht werde der Schiffsbetrieb wesentlich billiger, da man unverändert mit Schweröl des alten Standards fahren könne, dessen Preis aber zudem erheblich sinken werde.

Einsatz von Partikelfiltern

Der Nabu sieht in der neuen Vorschrift dennoch einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer sauberen Schifffahrt. Schweröl sei damit nicht mehr der allgegenwärtige Treibstoff auf See. Zudem ermögliche der sauberere Treibstoff den Einsatz von Partikelfiltern. Diese seien auf See allerdings bisher nicht vorgeschrieben.

„Der Verbrennung dieses Sondermülls auf See muss endgültig ein Riegel vorgeschoben werden“, so Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Er sieht eine Reihe von Gefahren und Belastungen für:

  • Gesundheit,
  • Gewässer,
  • Klima,
  • verheerende Ölpesten.

Tote Vögel, tote Fische, dreckige Strände passé?

Bilder toter Vögel und Fische und verdreckter Strände müssten der Vergangenheit angehören, so Miller. Die Verschärfung der Vorschriften für die Schiffstreibstoffe sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Schifffahrt verfüge weiterhin über riesige Verschmutzungsprivilegien. An Land seien Partikelfilter und Katalysatoren Standard, auf Schiffen nicht. Um dies zu ändern, seien die neuen Treibstoffregelungen eine Vorbedingung. Für neue Schiffe müssten schon heute emissionsfreie Antriebe und Treibstoffe in Anwendung gebracht werden, um neben der Luftreinhaltung auch die Klimaschutzziele zu erreichen. Nabu-Schiffsexperte Sönke Diesener macht Schiffe verantwortlich für:

  • umwelt- und gesundheitsschädliche Stickoxide,
  • Feinstaub,
  • andere Luftschadstoffe.

„Der Anteil der Seefahrt an Schadstoff- und Treibhausgasemissionen wird wachsen“, prophezeit Diesener.
Die Schifffahrt müsse schnellstens umsteuern. Sonst bleibe sie der „letzte große Luftverschmutzer“.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)