07.02.2023

EU fördert Teamwork von Mensch und Maschine

Einfühlsamkeit, Empathie, soziale Zusammenarbeit – Angebote aus einem kirchlichen Füreinander-Katalog? Mitnichten. Diese hehren Ziele nimmt sich das von der EU geförderte Projekt „Fluently“ zur Entwicklung eines einfühlsamen Roboters mit KI für den Einsatz in der Industrie vor.

Mensch und Maschine

Forschungsprojekt „Fluently“

Der Roboterhersteller Fanuc unterstützt das Forschungsprojekt „Fluently“ unter Leitung von Roboverse Reply. Es soll eine Roboterplattform schaffen, die eine „echte soziale“ – so die Pressemitteilung von Fanuc Europe GmbH – Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ermöglicht. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Es verfolgt zwei Ziele:

  • Entwicklung eines auf künstlicher Intelligenz basierenden, tragbaren Geräts für Industriearbeiter und Roboter
  • Entwicklung eines speziellen Schulungszentrums mit der Bezeichnung „The Fluently RoboGym“, in dem Fabrikarbeiter mit Robotern eine reibungslose Interaktion im Industrieprozess trainieren können.

Insgesamt sind 22 Partner aus Wissenschaft und Industrie an dem Projekt beteiligt. Horizon Europe, das Finanzierungsprogramm der EU für Forschung und Innovation, unterstützt das Projekt. Für die technische Koordination ist das Labor für Automation, Roboter und Maschinen der Fachhochschule Südschweiz (Supsi) zuständig. Neben Forschern der Supsi sind Wissenschaftler weiterer führender Einrichtungen wie dem Politecnico di Torino in Italien und der Waseda-Universität in Japan an dem Projekt beteiligt.

Robotik, Reality Capture und Mixed Reality

Roboverse Reply ist auf Integrationsszenarien in den Bereichen Robotik, Reality Capture und Mixed Reality spezialisiert, in denen Cloud- oder On-Premise-Infrastrukturen unternehmensfähige Lösungen erfordern. Das Unternehmen arbeitet mit mehreren Robotik-, Hardware- und Softwareanbietern zusammen – unter anderem mit Boston Dynamics und Microsoft. Die Lösungen von Roboverse Reply umfassen:

  • KI-Skills mit sensorbasierter Anomalieerkennung,
  • Fleet Management für das Internet of Robotic Things,
  • digitale Zwillinge und
  • Anwendungslogik für Ende-zu-Ende-Support.

Die Roboverse-Plattform ermöglicht den Angaben zufolge autonome und präventive Inspektionen, um die Lebensdauer Ihrer Infrastrukturen zu verlängern. Zudem erlaubt sie demnach interaktive Telepräsenz für die Sicherheit.

Kognitive oder physische Belastungen

„Arbeiter sind oft hohen kognitiven oder physischen Belastungen ausgesetzt“, erklärt Professorin Anna Valente, Leiterin des Supsi-Labors für Automation, Robotik und Maschinen und Mitglied im Schweizerischen Wissenschaftsrat. Wenn ein Mensch eng mit einem Roboter zusammenarbeitet, sei es wichtig, dass der Roboter die Gefühle des Menschen erkennt und entsprechend reagiert, indem er zum Beispiel seine Dynamik anpasst.

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Eine gute Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine sei besonders wichtig in modernen intelligenten Fabriken. Hier ändern sich Produktionsvolumen und Produkte ständig. Hier stehen mobile Transportsysteme und Roboter neben statischen Arbeitsplätzen. „Unsere Industrieroboter sind bereits mit Sensoren zum Sehen und Fühlen ausgestattet, können aber bislang keine menschlichen Emotionen erkennen“, sagt Ralf Völlinger, General Manager des Geschäftsbereichs Roboter bei Fanuc Europe. „Wir wollen erreichen, dass künftig noch mehr Menschen unsere Industrieroboter einfach und effizient nutzen können“, so Völlinger.

Wertschöpfungsketten der europäischen Wirtschaft

Die „Fluently“-Forscher konzentrieren ihre Entwicklungsarbeit auf drei für die europäische Wirtschaft wichtige Wertschöpfungsketten:

  • die Demontage und das Recycling von Batterien für E-Bikes und Elektrofahrzeuge,
  • Prüf- und Montageprozesse in der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie
  • die Aufarbeitung hochkomplexer Industrieteile mittels Laserbearbeitung.

„Diese Prozesse werden derzeit fast ausschließlich manuell durchgeführt, was bei den Arbeitnehmern zu psychischen und physischen Belastungen führt“, sagt Valente. Arbeitskräfte in der Produktion gerieten zum Beispiel unter Stress, wenn sie Batterien demontieren, weil das Risiko einer Explosion bestehe. Auch physische Belastungen etwa durch die Arbeit mit schweren Teilen in der Luft- und Raumfahrtindustrie könnten Stress verursachen.

Entlastung für Arbeitnehmer

Roboter könnten in Zukunft die Arbeitnehmer zumindest teilweise von der mit diesen Prozessen verbundenen Belastung befreien sowie einige der zeitaufwändigeren Aufgaben übernehmen. Dies würde helfen, einerseits die Kompetenzen und Erfahrungen der Arbeitnehmer zu erhalten und andererseits die Möglichkeiten ihrer Weiterqualifizierung zu erhöhen.

„Wir wollen Roboter zu Teamkollegen des Menschen ausbilden, die ihn so gut wie möglich unterstützen“, so Valente. Völlinger ergänzt: „Als Roboterlieferant sind wir stolz darauf, diese bahnbrechende Entwicklungsarbeit mit unseren Robotern und unserem technischen Know-how zu unterstützen.“ Die Fanuc Corporation ist einer der weltweit führenden Hersteller von Fabrikautomation für CNC-Steuerungen, Roboter und Produktionsmaschinen (Robodrill, Robocut, Roboshot). Seit 1956 sieht sich das Unternehmer als Pionier in der Entwicklung von numerisch gesteuerten Maschinen in der Automatisierungsindustrie. Mit 266 Fanuc Standorten weltweit und mehr als 8.000 Mitarbeitern bietet es ein Netzwerk in den Bereichen Vertrieb, technischer Support, Forschung und Entwicklung, Logistik und Kundendienst.

Baden-Württemberg hat die besten Nachwuchs-Roboterintegratoren

Fanuc ist seit 2018 Global Partner des Wettbewerbs der Bildungsorganisation WorldSkills Luxemburg. Sie trug im Oktober 2022 die internationale Meisterschaft im Berufsfeld „Robot Systems Integration“ aus. Als beste Nachwuchs-Roboterintegratoren der Welt zeichneten sich dabei Wettbewerber aus Baden-Württemberg aus. Angetreten waren elf Teams aus ebenso vielen Ländern, die vier Tage lang ihre Kenntnisse im Bereich der Roboterprogrammierung unter Beweis stellten.

Das deutsche Team setzte sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Wettbewerber aus Taiwan durch, die den zweiten Platz belegten. Den dritten Platz sicherte sich das Team aus Polen. Die Großveranstaltung WorldSkills findet alle zwei Jahre statt mit dem Ziel, junge Menschen von den Vorteilen beruflicher Qualifikation zu überzeugen. Insgesamt nahmen 2022 mehr als 1.100 Teilnehmer aus 57 Ländern und Regionen in 61 Wettbewerbsdisziplinen teil.

Deutsche Gewinner der Goldmedaille

Die deutschen Gewinner der Goldmedaille im aufstrebenden Berufsfeld der Roboterintegration heißen Marvin Schuster und Philipp Raab. Die beiden Zwanzigjährigen hatten als Auszubildende im Bereich Mechatronik bei der Firma Mapal in Aalen zusammengearbeitet. Für die Teilnahme am WorldSkills-Wettbewerb hatten sie sich qualifiziert, als sie auf der deutschen Meisterschaft der Roboterintegratoren den ersten Platz belegten. Diese landesweite Ausscheidung hatte im Dezember 2021 in Neuhausen bei Stuttgart stattgefunden.

„Wir waren schon während unserer Ausbildung mit Roboterprogrammierung konfrontiert und haben dazu verschiedene Weiterbildungskurse gemacht“, erklärt Schuster seine Affinität zu Robotern. Gemeinsam mit seinem Kollegen Raab hatte er sich wochenlang auf die deutsche Meisterschaft sowie auf die nun veranstaltete internationale Meisterschaft der Roboterintegratoren vorbereitet. Raab: „Mich fasziniert an der Roboterprogrammierung besonders, wie man Prozesse vollautomatisch und mit hoher Geschwindigkeit ablaufen lassen kann.“

Praxisnahen Aufgabenstellung aus der Lagerhaltung

Bei den WorldSkills-Meisterschaften 2022 sind die Teams mit einer praxisnahen Aufgabenstellung aus der Lagerhaltung konfrontiert. Sie programmierten einen Roboter so, dass er ein Miniatur-Förderband in einer festgelegten Frequenz bedienen konnte. Dabei entnahm der Roboter aus einem Magazin unterschiedliche Bauteile und füllte diese in einer vorgeschriebenen Reihenfolge in insgesamt sechs Behälter. Die Reihenfolge der Befüllung war abhängig von verschiedenen QR-Codes, die der Roboter mithilfe einer externen Kamera auslesen mussten. Am Ende des Förderbandes entnahm der Roboter die befüllten Behälter und stapelte sie auf einer Palette aufeinander.

„Entscheidend war nicht nur die Geschwindigkeit, in der der Roboter gearbeitet hat, sondern auch eine geringe Fehleranfälligkeit des Systems“, sagt Jens Mühlegg, der bei Fanuc Deutschland als Business Developer Education arbeitet und das Siegerteam trainiert hat. Laut Mühlegg war es für die Jury-Entscheidung wichtig, dass der automatisierte Prozess stabil weiterlief, selbst wenn Sensoren ausfielen oder ein QR-Code fehlerhaft war. „Wenn ein Fabrikmitarbeiter versehentlich einen Behälter vom Band stößt und ihn falsch zurücksetzt, muss ein Roboter in der Lage sein, den Fehler zu erkennen und zu beheben. Auch das war Teil der Aufgabenstellung“, so Mühlegg.

WorldSkills 2024 in Lyon

Die nächste internationale WorldSkills Meisterschaft soll 2024 im französischen Lyon stattfinden. Schon 2023 ist die Europameisterschaft der Berufe im polnischen Danzig geplant. Im Gegensatz zur Welt- und Europameisterschaft wird die Deutsche Meisterschaft für Roboterintegration jährlich ausgetragen. Seit der Gründung im Jahr 1956 durch Dr. Seiuemon Inaba, einem Pionier für numerische Steuerung (NC), sieht sich Fanuc als weltweit führend auf dem Gebiet der Fertigungstechnik.

Mit der ersten numerischen Steuerung eines elektrischen Impulsmotors in einer Werkzeugmaschine hat Inaba einen wesentlichen Grundstein für die moderne Automatisierung kompletter Produktionslinien gelegt. Mit der Vision, die Möglichkeiten der Automatisierung beständig auszuweiten, Produktivität und Produktqualität zu steigern und Kosten zu senken, entwickelten Dr. Inaba und sein Team schon bald einen Roboter, der in der Lage war, eine Werkzeugmaschine zu beladen. Hersteller und Maschinenbauunternehmen weltweit profitieren von den Erfindungen Inabas.

Heute, sechzig Jahre nach der Gründung, betreibt das Unternehmen weltweit über 4,9 Millionen installierten CNC-Steuerungen und 810.000 Roboter in der Fabrikautomation. Bei dem Unternehmen ist laut Unternehmensmitteilung „die Arbeit im Einklang mit der Natur ein wesentlicher Bestandteil unserer Philosophie“. Deshalb lege man bei Entwicklung und Lieferung seiner Automatisierungslösungen großen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Egal ob es sich um eine Roboter-, Robomaschinen- oder Fabrikautomatisierungslösung handelt, die Produkte stelle man mit großer Rücksicht auf die Natur her.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)