Junge jüdische Perspektiven auf Antisemitismus
Die Landeshauptstadt München hat sich im Nachgang des Anschlags der Hamas vom 7. Oktober 2023 dem Thema Antisemitismus gewidmet. Die städtische Fachstelle für Demokratie hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Erfahrungen von jungen Jüdinnen und Juden in München mit Antisemitismus untersucht. Im Rahmen eines Stadtratshearings wurde diese wissenschaftliche Studie mit dem Titel „Zwischen Verstecken und Flagge zeigen. Junges jüdisches Leben in München und Antisemitismuserfahrungen vor und nach dem 7. Oktober“ im Münchner Rathaus vorgestellt.
Zuletzt aktualisiert am: 16. Mai 2025

Die Studie der Frankfurt University of Applied Sciences stellt die Perspektiven von 18- bis 35-jährigen jüdischen Münchnern und Münchnerinnen in den Mittelpunkt und beleuchtet ihre Erfahrungen mit Antisemitismus, ihre Reaktionen sowie ihre Wünsche an die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft. Bürgermeister Dominik Krause erklärte, dass diese Studie einen ebenso erhellenden wie erschütternden Einblick in die Erfahrungen junger jüdischer Münchner und Münchnerinnen liefere und zeige, wie alltagsprägend Antisemitismus auch hier in München ist. Die Stadt München fühle sich der Sichtbarkeit und Sicherheit jüdischen Lebens in besonderem Maße verpflichtet. Sie werde Antisemitismus – egal in welcher Form er auftritt – auch weiterhin geschlossen und entschieden entgegentreten. Die Perspektiven der davon unmittelbar Betroffenen und die Ergebnisse der Studie seien dabei ein wichtiger Orientierungspunkt.
Der Auftrag der städtischen Fachstelle für Demokratie in München oblag einem Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Dr. Julia Bernstein. Auf der Grundlage von 35 qualitativen Interviews untersuchte das Team die Auswirkungen der Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023. Die darauffolgenden antisemitischen Reaktionen weltweit markieren für die meisten Befragten eine tiefe Zäsur: Viele Interviewte berichten von einem tiefen Bruch, der ihr Vertrauen in die Gesellschaft erschüttert habe – das Sicherheitsgefühl sei verschwunden, die Sichtbarkeit der eigenen Identität werde zum Risiko. Die Reaktionen reichen von Rückzug und Angst bis zu Wut, Resilienz und einem gestärkten jüdischen Selbstverständnis. Zugleich äußern viele Studienteilnehmende große Sorgen um ihre Kinder und eine zunehmend fragile Perspektive auf ihre Zukunft in Deutschland, wie Professorin Dr. Julia Bernstein erläutert.
Die Studie analysiert zudem die bestehenden Unterstützungsstrukturen und Lücken in der Stadt. Die Ergebnisse verdeutlichen, wo es konkreten Handlungsbedarf gibt – in Bildungseinrichtungen, Behörden, Sicherheitsorganen und der Zivilgesellschaft. Dabei werden auch Wünsche und Forderungen der Befragten sichtbar: mehr Empathie, ein fundierteres gesellschaftliches Verständnis für Antisemitismus in seinen vielfältigen Formen – besonders in Bezug auf Israel – sowie sichtbare und glaubwürdige Solidarität bei konkreten Vorfällen. Viele fordern, dass jüdische Perspektiven systematisch in politische, mediale und institutionelle Prozesse eingebunden werden.
Die Leiterin der Fachstelle für Demokratie Dr. Miriam Heigl sieht als ein deutliches Ergebnis der Studie, dass Antisemitismus den Alltag jüdischer Münchner und Münchnerinnen in fast allen Bereichen beeinträchtigt. Das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen und ihre Fähigkeit, jüdisches Leben zu schützen, sei erschüttert. Dieses Vertrauen wieder aufzubauen, sei jetzt eine dringende Aufgabe für uns alle. Die Studie enthält konkrete Empfehlungen an Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, um die Lebenssituation junger Münchner Juden und Jüdinnen zu verbessern und Antisemitismuserfahrungen aktiv entgegenzuwirken.