24.08.2023

Ein kommunales Problem: Klinikschließungen

Kommunen haben derzeit mit einem großen Problem zu kämpfen: mit der Insolvenz zahlreicher Krankenhäuser und Kliniken. Denn die Bedrängnisse des Gesundheitssystems zeigen sich nirgendwo so ausgeprägt wie in den Krankenhäusern. Gründe für die Defizite in den Kliniken liegen in der chronischen Unterfinanzierung, einem falschen Anreizsystem für die Kostenverrechnung und jahrelanger Passivität der Politiker und Politikerinnen, was viele Kliniken schließlich an den Rand des wirtschaftlich Möglichen gebracht hat.

Straßenverkehrsbehörde

Die Zahlen sind erschreckend: Allein von Januar bis April zählte das Statistische Bundesamt acht Insolvenzverfahren. Seit Mai wurden 9 weitere Anträge gestellt. Eine drastische Zunahme im Vergleich zum letzten Jahr mit insgesamt 10 Insolvenzen, 2021 waren es vier Kliniken. Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht eine Lösung der Probleme in seiner großen Krankenhausreform. Vor drei Wochen einigten sich Bund und Länder auf entsprechende Eckpunkte, u.a. auf ein angepasstes Vergütungssystem. Über die Sommermonate soll ein entsprechendes Gesetz erarbeitet werden. Allerdings zeichnet sich eine dramatische Lage der Branche ab: Fast 70 % aller Kliniken sehen ihre wirtschaftliche Existenz laut einer Umfrage der deutschen Krankenhausgesellschaft gefährdet.

Eine offene Frage ist bislang, auf welche Art und Weise die Häuser schließen sollen. Denn zahlreiche Kliniken wie beispielweise Groß-Gerau können sich ein ordnungsgemäßes Ende gar nicht leisten. Auch andere Kommunen können die Millionenbeträge nicht aufbringen, die für die Abwicklung einer hoch verschuldeten Klinik notwendig sind. Vielen bleibt nur der Weg der Insolvenz. Dies aber hat große Auswirkungen auf den Steuerzahler und auch Ärzte und Pflegendes Personal leiden durch ein Insolvenzverfahren unter nicht unbeträchtlichen Gehaltseinbußen. Denn wenn eine Klinik Insolvenz anmeldet, übernimmt die Bundesagentur für Arbeit für lediglich drei Monate die Fortzahlung der Löhne und Gehälter der Angestellten.

Ein Beispiel ist das Klinikum Groß-Gerau mit einem Defizit von 9 Millionen Euro. Weil das Defizit nicht mehr zu stemmen war, rechnete die Geschäftsführerin Erika Raab die Kosten für eine Schließung durch. Die abzulösenden Kredite, die Abfindungen für Mitarbeiter, die Auszahlung der Betriebsrenten u.a. summierten sich auf 90 Millionen Euro. Das war eine Summe an Geld, das die Kommune nicht hatte. Weder Schließung noch Sparmaßnahmen griffen, daher meldete Raab am 01.12.2019 Insolvenz für das Klinikum Groß-Gerau an.

Groß-Gerau ist aber kein Einzelfall, denn derzeit ist ein erheblicher Anstieg von Insolvenzverfahren zu erleben. Defizitäre Krankenhäuser von kommunalen und konfessionellen Trägern werden in der Regel per Insolvenz abgewickelt. Obwohl die Insolvenz der Klinik eine zweite Chance gegeben hat (im Insolvenzverfahren dürfen nur noch 4,8 Millionen Euro anstatt 17 Millionen Euro jährlich Schulden gemacht werden), glaubt Geschäftsführerin Raab nicht, dass sich andere Häuser ein Beispiel daran nehmen können. Durch die überzeichneten Haushalte vieler Kommunen werde es für Kliniken auch in der Insolvenz schwer. Manche Kommunen werden nicht einmal genug Geld haben, um die Kredite der Krankenhäuser abzulösen.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)