12.10.2021

Social-Media-Chat: Private Äußerungen sind generell geschützt

Heikel ist die Frage um den Charakter von Konversationen in Online-Chats. Gelten die von den Teilnehmern ausgetauschten Inhalte als privat und geschützt, auch wenn es sich um Unterhaltungen innerhalb eines Kollegenkreises von sozialen Organisationen handelt und die Inhalte verächtlichen Charakters sind?

Social-Media-Chat

Was ist passiert?

Mündliche Aussagen in einem privaten Social-Media-Chat sind geschützt und führen nicht zur Kündigung, auch wenn sie menschenverachtenden Inhalts sind. Hintergrund ist eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zu einer Konversation in einem WhatsApp-Chat. Beschäftigte eines Vereins für Flüchtlingshilfe, getragen u.a. vom Landkreis, verschiedenen Städten und Gemeinden, haben sich in den Chat-Nachrichten verachtend über Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer geäußert. Unter den Beschäftigten fand sich auch der technische Leiter der Organisation, ihm wurde auf diese Äußerungen hin gekündigt.

Kündigung nicht rechtmäßig

Die Antwort des Arbeitsgerichts war eindeutig, mit Berufung auf das Grundgesetz. Diese Kündigung ist nicht wirksam, wie das LAG Berlin-Brandenburg festgestellt hat. Denn der Chatroom sei und bleibe ein privater Raum. Eine vertrauliche Kommunikation im privaten Kreis, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei, falle unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wie in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beschrieben.

Kein Verstoß gegen Loyalitätspflichten

Auch die Tatsache, dass Äußerungen fielen, die aufgrund der Art der Beschäftigung der Chat-Teilnehmer und -Teilnehmerinnen sowie der Zielgruppe äußerst unpassend waren, hatte keine Konsequenz. Diese heikle Angelegenheit, dass sich gerade Beschäftigte einer Flüchtlingshilfeorganisation verachtend über Migranten und Migrantinnen äußern, hat keinen Einfluss auf die Frage der Eignung für die Tätigkeit im Bereich der Flüchtlingshilfe, wie das LAG befunden hat. Dies lag aber an der besonderen Aufgabenstellung des Verantwortlichen. Da der technische Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben übernehme, habe er auch keine entsprechenden Loyalitätspflichten. Auch ein Mangel an Verfassungstreue, wie sie bei Mitgliedern eines Vereins als Teil des öffentlichen Dienstes erwartet werden, sei durch diese privaten Äußerungen nicht erwiesen.

Kündigung dennoch erfolgt

Interessant ist, dass es doch zur Kündigung kam. Hintergrund ist der öffentliche Schaden, den die Organisation hinnehmen müsste. Im vorliegenden Fall blieb der technischen Leiter nicht vor einer Kündigung bewahrt. Nach Ansicht des LAG hat die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung zu erfolgen. Im Sinne von § 9 Kündigungsschutzgesetz von bei diesem Arbeitnehmer keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten. Da die belastenden Äußerungen öffentlich bekannt geworden seien, könne der Verein bei Weiterbeschäftigung dieses technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber Migranten auftreten. Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)