11.04.2024

Fragliche Entgeltfortzahlung bei einer Coronainfektion

Eine Coronainfektion stellt auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. So sieht es § 3 Abs. 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) vor. Voraussetzung ist, dass es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich nicht möglich ist, die erforderliche Tätigkeit beim Arbeitgeber auszuführen, und die Arbeit im Homeoffice nicht infrage kommt.

Gerichtshammer auf Tisch

Arbeitsunfähig wegen Covid

Im konkreten Fall handelt es sich um einen Produktionsmitarbeiter, den Kläger, der bei einem Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie beschäftigt war. Er hatte sich keiner Schutzimpfung gegen das Coronavirus unterzogen und wurde am 26.12.2021 positiv auf das Virus getestet. Für die Zeit vom 27. bis zum 31.12.2021 wurde dem unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen leidenden Mitarbeiter eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Für diese Zeit zahlte sein Arbeitgeber Entgeltfortzahlung an den Mitarbeiter.

Ablehnung einer Folge-Arbeitsunfähigkeit

Am 29.12.2021 erließ die Gemeinde N. eine Verfügung, nach der für den Mitarbeiter bis zum 12.01.2022 Isolierung (Quarantäne) in häuslicher Umgebung angeordnet wurde. Für die Zeit vom 3. bis zum 12.01.2022 lehnte der Arzt die Ausstellung einer Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Begründung ab, das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung würden zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichen. Mit der Verdienstabrechnung für Januar 2022 nahm der Arbeitgeber für diese Zeit vom Lohn des Mitarbeiters einen Abzug in Höhe von etwa 1.000 Euro brutto vor. Daraufhin klagte der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber und verlangte die Zahlung dieses Betrags. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger ging in Berufung, worauf das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat.

Berufung blieb ohne Erfolg

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, ohne dass es darauf ankam, ob bei ihm durchgehend Symptome von COVID-19 vorlagen. Die Coronainfektion stellt einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Die Absonderungsanordnung ist keine eigenständige, parallele Ursache für Arbeitsunfähigkeit, vielmehr beruht das daraus resultierende Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion (Monokausalität). Diese ist die nicht hinwegzudenkende Ursache für die nachfolgende Absonderungsanordnung. Aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion war es dem Kläger rechtlich nicht möglich, die geschuldete Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten zu erbringen (§ 275 Abs. 1 BGB).

Abgelehnte Impfung ist Verstoß

Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht des Weiteren angenommen, es könne nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das Unterlassen der empfohlenen Coronaschutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion ursächlich war. Das Berufungsgericht hat hierbei zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Nichtvornahme der Schutzimpfungen einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten darstellte (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Es hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Gefahr von Impfdurchbrüchen in die Kausalitätsprüfung einbezogen. Die wöchentlichen Lageberichte des RKI und dessen Einschätzung der Impfeffektivität ließen – so das Landesarbeitsgericht – nicht den Schluss zu, dass Ende Dezember 2021/Anfang Januar 2022 die beim Kläger aufgetretene Coronainfektion durch die Inanspruchnahme der Schutzimpfung hätte verhindert werden können. Der Beklagten stand ein Leistungsverweigerungsrecht wegen nicht vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zu (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Kläger der Beklagten durch Vorlage der Ordnungsverfügung der Gemeinde N. in anderer, geeigneter Weise nachgewiesen hat, infolge seiner Coronainfektion objektiv an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert zu sein. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2024 – 5 AZR 234/23)

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)