06.05.2021

Betriebsrats-Sitzungen und Versammlungen während Corona

Betriebsratssitzungen können gemäß § 129 BetrVG weiterhin per Telefon- oder Videokonferenz stattfinden. Auch Betriebsversammlungen müssen nicht als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Die letztes Jahr wegen Corona in Kraft getretene Sonderregelung gilt zunächst noch bis Juni 2021, wird aber unter Umständen noch weiter verlängert.

Betriebsrat Sitzung Corona

Geschäftsführung Betriebsrat. § 129 BetrVG war und ist als Ausnahmeregelung gedacht, damit Betriebsräte ihren gesetzlichen Aufgaben auch während der Pandemie nachkommen können. Die Vorschrift soll jedoch in keinem Fall Präsenzsitzungen und -treffen ersetzen; sie ist gewissermaßen nur als letzter Rettungsanker konzipiert. Es kann nicht oft genug betont werden, dass alle Betriebsratsgremien weiterhin die Möglichkeit haben, sich auch persönlich zu treffen. Das gilt zumindest dann, wenn sie das für erforderlich halten und entsprechende Hygiene- sowie Abstandsregelungen einhalten. Es bleibt die Entscheidung jedes einzelnen Gremiums, wie die Treffen stattfinden sollen.

Hinweis: Betriebsrat entscheidet unabhängig

In keinem Fall ist es dem Arbeitgeber gestattet, dem Betriebsrat vorzuschreiben, seine Sitzungen digital oder per Telefon abzuhalten – was derzeit in einigen Betrieben auch aus der Erwägung der Kostenersparnis heraus geschieht, z. B. auch und gerade bei Sitzungen des Gesamtbetriebsrats. Wäre dies möglich, könnten Arbeitgeber unerlaubt Einfluss auf die Arbeit der betrieblichen Interessenvertreter nehmen. Das dürfen sie aber gerade nicht, wie etwa das LAG Berlin-Brandenburg entschieden hat (Beschluss vom 24.8.2020, Az.: 12 TaBVGa 1015/20).

Darauf sollten Sie bei Telefon- oder Videokonferenzen achten

Damit die Form der Anwesenheitsliste gewahrt ist, muss jeder Teilnehmer seine Anwesenheit „in Textform“ bestätigen, d. h., er muss dies per E-Mail oder Chat-Nachricht an den Vorsitzenden vor oder während der Sitzung tun. Nicht selten kommt es gerade wegen einer zu schlechten Internetverbindung zu technischen Problemen und Teilnehmer können „aus der Sitzung fliegen“. Wenn das passiert, muss die Sitzung sofort unterbrochen werden. Eine Fortsetzung ist erst möglich, wenn alle Teilnehmer wieder vollzählig sind – es sei denn, der Betreffende hat das Meeting bewusst verlassen. Das gilt für Video- und Telefonkonferenzen gleichermaßen.

So wahren Sie die Grundsätze der Nichtöffentlichkeit und der Vertraulichkeit

Betriebsratssitzungen sind nichtöffentlich, egal, ob sie als Präsenzveranstaltung oder in einem anderen Format stattfinden. Das heißt, weder bei einer Telefon- noch bei einer Videokonferenz dürfen bei den Teilnehmern andere Personen wie etwa Familienmitglieder im Raum anwesend sein. Wird am Treffen also von zu Hause aus teilgenommen, muss das jeweilige Mitglied sicherstellen, dass niemand anders Zutritt zu dem Zimmer hat, in dem er gerade sitzt. In den Sitzungen geht es häufig um vertrauliche Unterlagen und Informationen. Diese müssen natürlich auch vertraulich bleiben. Das heißt zum einen, dass das Mitglied, das im Homeoffice ist, die Unterlagen nicht nur während der Sitzung, sondern auch davor und danach vor der Einsichtnahme Dritter schützt. Wenn das Ziel ist, die Gremiumskollegen auf den neuesten Stand zu bringen, ist es in Videokonferenzen leichter, die Unterlagen in die Kamera zu halten bzw. den eigenen Bildschirm freizugeben. Telefonkonferenzen sind hierfür eher ungeeignet.

Was bei der Abstimmung wichtig ist

Wenn es darum geht, in Sitzungen im Sinne von § 129 BetrVG abzustimmen, muss zwischen Video- und Telefonkonferenzen unterschieden werden. Bei Videokonferenzen, in denen jeder Teilnehmer über eine (angeschaltete) Kamera verfügt, lässt sich eine Abstimmung per Handzeichen einfach realisieren. Bei einer Telefonkonferenz gestaltet sich die Sache schwieriger: Hier muss der Vorsitzende den entsprechenden Beschlusstext zunächst vorlesen. Anschließend kommt er nicht darum herum, jeden einzelnen Teilnehmer nach seiner Entscheidung zu fragen, also nach Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Nach der Abstimmung sollte der Vorsitzende das Ergebnis noch einmal zusammenfassen und festhalten, so wie es in einer Präsenzsitzung auch üblich ist. Übrigens: Geheime Abstimmungen sind in Telefon- oder Videokonferenzen nicht möglich. Ist es Ihnen wichtig, über eine bestimmte Beschlussvorlage geheim abzustimmen, bleibt nur die Präsenzsitzung oder die Nutzung von Abstimmungstools.

Expertentipp: Reihenfolge bei Abstimmung ändern

Es gibt keine Vorgaben dazu, in welcher Reihenfolge die Gremiumsmitglieder gefragt werden sollen. Denkbar sind rotierende Befragungen, sprich, dass sich die Abstimmungsfolge in jeder Sitzung ändert. Es kann auch sinnvoll sein, diejenigen Teilnehmer zuerst abstimmen zu lassen, die entweder die Jüngsten sind oder die kürzeste Zeit als Betriebsrat im Amt sind. Dies vermeidet unter Umständen das Problem, sich nicht mehr zu trauen, frei abzustimmen – etwa wenn Wortführer innerhalb der Gruppe ein bestimmtes Ergebnis vorgeben (möchten).

Vor- und Nachteile der Telefonkonferenz

Ob für Ihr Gremium Telefon- oder Videokonferenzen besser geeignet sind, lässt sich nicht pauschal beurteilen, sondern hängt vom konkreten Einzelfall ab. Für Telefonkonferenzen kann sprechen, dass diese technisch stabiler funktionieren. Der Vorsitzende muss den Teilnehmern, die er ja nur hört, allerdings mehr als bei Videokonferenzen vertrauen, dass sie den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit beachten. Außerdem ist die Kommunikation per Telefon schwieriger, als wenn man sich sieht und hört. Denn die Hemmschwelle, sich zu Wort zu melden, kann höher sein. Wenn der Vorsitzende in die Runde blicken und die Teilnehmer angucken kann, merkt er viel eher, dass ein Mitglied vielleicht etwas sagen möchte, sich das aber erst nach Ermunterung traut.

Verhandeln von Betriebsvereinbarungen

Nicht nur Betriebsratssitzungen, sondern auch Gespräche mit dem Arbeitgeber können im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen erfolgen. In diesem Rahmen lassen sich etwa geplante Betriebsvereinbarungen voranbringen – bis hin zum fertigen Text. Sogar die eigenhändige und persönliche Unterschrift beider Seiten, die § 77 Abs. 2 BetrVG vorschreibt, kann ohne Präsenztermin geleistet werden: Zunächst unterschreibt der Arbeitgeber zwei ausgedruckte Exemplare und schickt sie per Post an den Betriebsrat. Beide werden vom Vorsitzenden unterzeichnet und während ein Exemplar wieder zurück an die Geschäftsleitung geht, verbleibt das andere bei der betrieblichen Interessenvertretung.

Auch bei Betriebsversammlungen können Betriebsräte frei entscheiden

Was für Betriebsratssitzungen gilt, kann auch bei Betriebsversammlungen nicht falsch sein: Auch bei Letzteren können Gremien selbst entscheiden, wie sie die Veranstaltung durchführen wollen. Der Arbeitgeber kann nicht vorschreiben, dass Präsenzversammlungen ausfallen müssen. Das sah auch das LAG Hamm so (Beschluss vom 05.10.2020, Az.: 13 TaBVGa16/20). Allerdings ist der Entscheidungsspielraum nicht unendlich, sondern muss gewissenhaft genutzt werden: Im entschiedenen Fall wollte der Betriebsrat drei kleinere Teilversammlungen durchführen und hatte dafür Hygienekonzepte entwickelt, die das Gesundheitsamt abgesegnet hatte. Dies ist einer der wesentlichsten Punkte, falls sich Interessenvertreter für Präsenzveranstaltungen entscheiden: Wenn Menschen kommen sollen, sind selbstverständlich Hygiene-, Abstands- und Regeln zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz aufzustellen und einzuhalten. Ausreichender Abstand führt in der Regel dazu, dass sich der Platzbedarf verdreifacht, was entweder die Notwendigkeit von Teilversammlungen unterstreicht oder zumindest die Eignung des Raums in den Fokus rückt. Die Sicherheit der Beschäftigten ist oberstes Gebot.

Hinweis: Arbeitgeber muss Kosten übernehmen

Der Arbeitgeber kann hingegen keine Kostenargumente gegen Präsenzveranstaltungen ins Feld führen. Dass Betriebsversammlungen in Pandemiezeiten teurer sind wegen der Schutzmaßnahmen und eventuell nötiger Teilversammlungen, ist für den Betriebsrat kein Grund, von seinem Wunsch nach einer Präsenzveranstaltung abzurücken.

Arbeitgeber muss Sie adäquat ausrüsten

Vergessen Sie zudem nicht: Die Durchführung einer digitalen Betriebsversammlung erfordert in der Regel mehr technisches Know-how als eine Präsenzveranstaltung. Wenn Sie sich für eine Online-Versammlung entscheiden, muss der Arbeitgeber dies nicht nur dulden, sondern Ihnen auch das nötige Equipment zur Verfügung stellen. Es reicht nicht, wenn er sich mit dieser Form des Events nur einverstanden erklärt.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)