01.04.2021

Betriebsrats-Check: Gefährdungsbeurteilungen

Die Gefährdungsbeurteilung ist die Grundlage des betrieblichen Arbeitsschutzes. Bei der jeweiligen Umsetzung gibt es viel Spielraum, da das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) nur die wichtigsten Eckpunkte regelt. Das eröffnet Ihnen als Betriebsrat weitreichende Mitbestimmungsrechte. Am besten legen Sie den genauen Ablauf der Beurteilungen verbindlich in einer Betriebsvereinbarung fest. Dabei sind jedoch bestimmte Prinzipien zu beachten.

Gefährdungsbeurteilung Betriebsrat

Das ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber als Verantwortlichen für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Daher muss er sich natürlich auch in erster Linie um die Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen kümmern.

Doch da die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 5 ArbSchG so viel Möglichkeiten zur individuellen Umsetzung lässt, haben Sie als Betriebsrat über § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dabei ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Das heißt, Sie können die Geschäftsleitung notfalls zwingen, überhaupt Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und auch federführend auf die einzelnen Details einwirken. Es ist empfehlenswert, dass sich das Gremium in diesen bedeutsamen Fragen wirklich einmischt und die ihm gesetzlich zustehenden Rechte auch ausübt.

Prävention als Leitfaden

Wie immer im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sollten sich auch Gefährdungsbeurteilungen klar an der Prävention orientieren, d. h., sie sollten den Schwerpunkt darauf legen, Unfälle und Krankheiten bestmöglich zu verhindern, bevor diese überhaupt entstehen können.

Die konkrete Situation entscheidet Ein zweiter wichtiger Ansatz ist die Ausrichtung des Umfangs und des Ablaufs der Beurteilungen auf die konkreten Erfordernisse in Ihrem Betrieb – mit anderen Worten: Passgenaue Prozesse sind gefragt und keine Standardlösungen, die für Sie vielleicht viel zu umfangreich sind oder Probleme beleuchten, die es bei Ihnen so unter Umständen gar nicht gibt. Umgekehrt können standardisierte Beurteilungen aber auch manchmal das Risiko beinhalten, dass Fragen, die gerade für die Kollegen Ihres Unternehmens wichtig sind, gar nicht gestellt werden.

Planen Sie den Ablauf gut

Eine Gefährdungsbeurteilung macht sehr viel Arbeit – und je besser sie vorbereitet ist, desto erfolgreicher wird sie in der Regel sein. Daher ist es ratsam, dass Sie auch mit einem Mitglied des Betriebsrats in den entsprechenden organisatorischen Gremien vertreten sind. Hier sollten sich die Beteiligten möglichst systematisch ein Bild von den Gefährdungen machen. Vorab (und oft mithilfe von professionellen Anbietern) erstellte Unterlagen sorgen dafür, dass strukturiert alle bestehenden Risiken und Gefährdungen ermittelt werden.

Das ArbSchG nennt z. B. diese Gefahrenquellen:

  • Arbeitsverfahren
  • Arbeitsabläufe
  • Arbeitszeiten
  • unzureichende Qualifikation bzw. Unterweisung

der Beschäftigten

Warum die Kollegen unbedingt eingebunden werden sollten

Die Gefährdungsbeurteilung soll die Sicherheit der Beschäftigten an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen gewährleisten und, falls möglich, weiter verbessern.

Daher sollte es im Grunde selbstverständlich sein, dass die Kollegen auch am Prozess beteiligt werden – und zwar am besten von Anfang an. Das führt nicht nur zu einer größeren Akzeptanz der durch die Gefährdungsbeurteilung ermittelten Schutzmaßnahmen, sondern führt unter Umständen auch dazu, dass bessere Maßnahmen entwickelt werden können. Schließlich kennen die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit am besten und können oft wertvolle Anregungen geben.

Vereinbaren Sie Mitspracherechte für die Kollegen

Es ist in jedem Fall ratsam, den Ablauf von Gefährdungsbeurteilungen in einer Betriebsvereinbarung festzulegen. Dies ist auch der beste Rahmen, um verbindlich zu regeln, welche Mitsprachebefugnisse die Kollegen in diesem Prozess haben (sollten):

  • Sinnvoll ist das Recht, zum geplanten Ablauf der Gefährdungsbeurteilung und zur Ernennung der für die Durchführung verantwortlichen Personen angehört zu werden.
  • Vereinbaren Sie, dass die Beschäftigten deren Vorgesetzte oder den Arbeitgeber über erkannte Gefahren informieren und eigene Tipps und Empfehlungen äußern können.
  • Kollegen sollten Änderungen am Arbeitsplatz melden dürfen, damit zeitnah reagiert werden kann.
  • Die Beschäftigten sollten nicht nur an der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beteiligt werden. Ganz wesentlich für den Erfolg ist es, sie im Anschluss über die Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit und die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung dieser Gefahren zu informieren.
  • Hilfreich ist auch die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer ihre Vorgesetzten auffordern können, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dies sollte von Ihnen als Betriebsrat flankiert und unterstützt werden.

Sensibilisieren Sie Ihre Kollegen

Arbeits- und Gesundheitsschutz lässt sich viel erfolgreicher verwirklichen, wenn im Betrieb eine offene und konstruktive Atmosphäre für entsprechende Probleme herrscht. Das können Sie als Betriebsrat gezielt fördern, indem Sie die Kollegen dafür sensibilisieren.

Nutzen Sie dafür z. B. Mitarbeiterbefragungen, Gruppendiskussionen oder gemeinsame Arbeitsplatzbegehungen. Auch solche Punkte könnten in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Regen Sie Mitarbeiterbefragungen an

Mitarbeiterbefragungen zu bestimmten Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind wertvolle Methoden, um Gefährdungen erfassen und beheben zu können. Regen Sie daher bei der Geschäftsleitung an, etwa mithilfe anonymisierter Fragebogen Themen wie körperliche und psychische Arbeitsbelastungen, Arbeitsumgebung, Arbeitsorganisation, Arbeitszufriedenheit, Beschwerden etc. anzusprechen. Durch solche Fragebogen erhalten sowohl die Verantwortlichen auf Arbeitgeberseite als auch der Betriebsrat wertvolle Einsichten in etwaige Über- bzw. Unterforderungen und weitere Risiken.

Gruppendiskussionen können wertvoll sein

Gerade in kleineren Betrieben kann es den Gefährdungsbeurteilungen sehr förderlich sein, wenn in Gruppen von fünf bis zwölf Mitarbeitern aus einem Arbeitsbereich über mögliche Risiken und Gegenmaßnahmen diskutiert wird. Sinnvoll ist der Einsatz eines Moderators, der das Gespräch ordnet und führt. So lassen sich zielgenau und maßgeschneidert Probleme und mögliche Lösungen identifizieren.

So muss die Beurteilung dokumentiert werden

Der Arbeitgeber muss den gesamten Prozess der Gefährdungsbeurteilung von der Vorbereitung über die Gefährdungsermittlung bis hin zu den beschlossenen und umgesetzten Maßnahmen dokumentieren.

Diese Dokumentation dient auch folgenden Punkten:

  • Erleichterung der organisatorischen Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung
  • Kontrolle der beschlossenen und umgesetzten Arbeitsschutzmaßnahmen
  • Nachweise gegenüber den Aufsichtsbehörden
  • Überarbeitungen, falls sich die Umstände ändern oder die Beurteilung nach einem gewissen Zeitablauf aktualisiert werden muss

Hinweis: gleichartige Arbeitsplätze

Eine Gefährdungsbeurteilung ist für jede ausgeübte Tätigkeit bzw. jeden Arbeitsplatz nötig. Bei gleichartigen Betriebsstätten, gleichen Arbeitsverfahren und gleichen Arbeitsplätzen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)