23.05.2022

Die Gefährdungsbeurteilung Leitern und Tritte

Sie gehören so selbstverständlich zu den Arbeitsmitteln in etlichen Betrieben verschiedenster Branchen, dass oft unterschätzt wird, was beim Umgang damit passieren kann: Leitern und Tritte. Auch könnte man meinen, dass eine Gefährdungsbeurteilung bei solch simplen Geräten in zwei Minuten vollzogen sei. Weit gefehlt – worauf es dabei ankommt und was alles zu beachten ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Leiterunfall

Ein Fehltritt oder zu wenig Standsicherheit, schon ist es passiert: Im Umgang mit Leitern und Tritten passieren immer wieder schwere Unfälle. Arbeitgeber müssen daher die Gefährdungen durch die Auswahl, Bereitstellung und Benutzung dieser Arbeitsmittel umfassend beurteilen. Die wesentlichen Vorgaben für die Gefährdungsbeurteilung von Leitern und Tritten sind in der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2121 „Gefährdungen von Personen durch Absturz – Bereitstellung und Benutzung von Leitern“ definiert.

Allgemeine Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung Leitern und Tritte

Demnach ist zunächst per Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob für die vorgesehenen Tätigkeiten ein sichereres Arbeitsmittel als eine Leiter verwendet werden kann. Das sind in diesem Fall z.B. Gerüste oder Hubarbeitsbühnen. Sofern nur eine Leiter infrage kommt, muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass diese den zum Zeitpunkt der Bereitstellung auf dem Markt geltenden Rechtsvorschriften entspricht.

Des Weiteren sind die Gefährdungen zu beurteilen, die bei der Verwendung der jeweiligen Leiter auftreten können, sowie die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ermitteln.

Bei der Gefährdungsbeurteilung sind insbesondere folgende Punkte zu bewerten:

  • Arbeitsaufgabe/Verwendung (z.B. einzusetzende Körperkraft, Schwierigkeit der Tätigkeit, Höhenunterschied, Ergonomie, Transport, Aufstellung, bauliches Umfeld)
  • Dauer und Häufigkeit
  • Art des Arbeitsmittels (z.B. Bauart der Leiter, Abmessung, Traglast)
  • Umgebungsbedingungen (z.B. Witterung, Wechselwirkungen zur Umgebung, Aufstellort, Untergrund)
  • Standsicherheit
  • Anbauteile und Zubehör

Hinweis

Zu berücksichtigen sind dabei außerdem die Vorgaben der TRBS 1111 „Gefährdungsbeurteilung“ und der TRBS 2121 „Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz – Allgemeine Anforderungen“. Alle TRBS sind als Volltext auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zu finden (www.baua.de). Zu bedenken ist natürlich, dass die Anwendbarkeit der Leitern im betrieblichen Umfeld und bei typischen Tätigkeiten beurteilt werden muss.

Die Vorgaben der geänderten DIN EN 131

Seit dem 1. Januar 2018 gelten neue Anforderungen bei Leitern, die als Anlegeleitern genutzt werden können und länger als 3 m sind. Hintergrund sind die umfassenden Änderungen der DIN EN 131. Diese Europäische Norm umfasst insgesamt sechs Teile, die nach und nach aktualisiert wurden.

Gewerbliche Anwender sollten Altbestände per Gefährdungsbeurteilung überprüfen – und bei Bedarf nachrüsten. Für Händler gilt: Sie dürfen seit diesem Zeitpunkt nur noch Leitern gemäß der neuen Norm verkaufen. Ansonsten wäre es ein Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetz, wonach der Händler dazu beizutragen hat, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden. Dazu müssen die Produkte dem neuesten Stand der Technik entsprechen.

Was aber ist mit den noch vorhandenen Beständen in Betrieben, wenn sich bei der Gefährdungsbeurteilung herausstellt, dass sie die Anforderungen der Norm seither nicht mehr erfüllen? Die Antwort: Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Leitern gemäß der Gefährdungsbeurteilung auf den neuesten Stand der Technik bringen. Denn für alte Leitern in Industrie und Gewerbe gibt es grundsätzlich keinen Bestandsschutz.

Doch auch wenn die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass alte Leitern nun nicht mehr der Norm entsprechen, brauchen sie nicht unbedingt entsorgt zu werden. Vielmehr lassen sich Steigsysteme regelkonform erweitern. So könnte etwa eine neu montierte Quertraverse bei Anlegeleitern dafür sorgen, dass die Standsicherheit gemäß der neuen DIN EN 131-1 gegeben ist.

Prüfen Sie: Reicht die Anzahl sicherer Leitern und Tritte aus?

Sie müssen dafür sorgen, dass Leitern und Tritte in ausreichender Anzahl am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Ihr Ziel sollte es sein, dass die Aufstiege nicht erst von einem anderen, weit entfernten Lagerort transportiert werden müssen. Das minimiert die Gefahr, dass aus Bequemlichkeit oder aus Zeitgründen ungeeignete Leitern und Tritte zum Einsatz kommen.

Achtung: Die verfügbaren Leitern und Tritte müssen Ihre Mitarbeiter natürlich auch noch besteigen dürfen. Eine beruflich genutzte Leiter hält in der Regel rund 50.000 Belastungszyklen ohne Beschädigungen stand. Dann hat sie das Ende ihrer geplanten Nutzungsdauer erreicht. Wie lange das dauert? Das kommt darauf an. Eine Anlegeleiter, die bei größeren Bauvorhaben als Zugangsweg für viele Arbeiter dient, sollte bereits viel früher aussortiert werden als z.B. eine Leiter, die Mitarbeiter nur bei Prüfungen und Wartungen einige Male pro Jahr begehen.

Eignen sich die Leitern und Tritte für die Aufgabe?

  • Nach der DIN EN 131 dürfen Sie z.B. bei Mehrzweckleitern, die eingefahren länger als 3.000 mm sind, die Oberleiter nicht mehr separat nutzen. Informieren Sie sich über solche und ähnliche Verbote. Nutzen Sie nur Leitern, die sich auch für die Aufgabe eignen.
  • Ob die vorgesehene Leiter für die durchzuführende Arbeit genutzt werden darf, klären Sie am besten noch, bevor Sie den Arbeitsauftrag erteilen.
  • Bauart, Leiterlänge bzw. Tritthöhe, Werkstoff, Stabilität und Standsicherheit sind entsprechend der vorgesehenen Verwendung hinsichtlich der Arbeits- und Umgebungsbedingungen auszuwählen.
  • Leitern dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn die Beschäftigten beim Besteigen der Leiter und bei der Arbeit auf der Leiter jederzeit sicher stehen und sich sicher festhalten können. Wenn ein Mitarbeiter auf einer Leiter eine Last trägt, darf diese nicht verhindern, dass sich der Mitarbeiter sicher festhalten kann.
  • Falls diese Forderungen nicht erfüllt werden können, können Gerüste, Hubarbeitsbühnen bzw. sonstige Arbeitsbühnen zur Anwendung kommen.

Sind Benutzungsanleitungen an den Leitern angebracht?

  • Die Verhaltensmaßnahmen bei der Benutzung von tragbaren Leitern ergeben sich auch aus der auf der Leiter angebrachten Benutzungsanleitung in Form von Piktogrammen.
  • Fehlt eine solche Anleitung, ist diese (z.B. beim Leiterhersteller) zu beschaffen und an der Leiter deutlich erkennbar und dauerhaft anzubringen.

Werden Leitern und Tritte ausreichend geprüft?

Sie müssen dafür sorgen, dass

  • eine beauftragte Person Leitern und Tritte wiederkehrend auf ordnungsgemäßen Zustand prüft (wiederkehrende Prüfung, Sicht- und Funktionsprüfung),
  • die Intervalle der Prüfungen entsprechend den Einsatzbedingungen festgelegt werden,
  • die Ergebnisse in ein Leitern-Prüfbuch eingetragen werden,
  • Beschäftigte betriebsfremde Leitern und Tritte vor ihrer Benutzung besonders sorgfältig auf Eignung und Beschaffenheit prüfen.
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Werden beschädigte Leitern und Tritte der Benutzung entzogen?

Es ist zu gewährleisten, dass

  • schadhafte Leitern und Tritte nicht benutzt werden (Unterweisung),
  • schadhafte Leitern der Benutzung entzogen und so aufbewahrt werden, dass die Weiterbenutzung bis zur sachgerechten Instandsetzung bzw. Verschrottung nicht möglich ist (u.a. separater Aufbewahrungsplatz, zusammengekettet, markiert [rot]).
Autor*innen: Christine Lendt, Stefan Johannsen