23.06.2020

Vibrationen – Grundlagen

Unter Vibration werden alle mechanischen Schwingungen verstanden. Ausgelöst durch Gegenstände werden sie in variierender Intensität auf den menschlichen Körper übertragen. Unterschieden wird bei diesem Transfer der Vibrationen zwischen Hand-Arm-Vibration (HAV) und Ganzkörpervibration (GKV).

Maschine

Vibrationen treten vermehrt bei der Benutzung von Arbeitsmitteln auf und können sowohl die Sicherheit als auch die menschliche Gesundheit beeinflussen oder sogar gefährden.

Man unterscheidet bei Vibrationen grundsätzlich zwischen zwei Arten von Schwingungen:

  • Hand-Arm-Vibrationen (HAV) übertragen Schwingungen auf das Hand-Arm-System des Anwenders und können dort zu Schädigungen führen.
  • Ganzkörpervibrationen (GKV) werden von Maschinen und Fahrzeugen über den Sitz oder die Füße übertragen und können Gefährdungen am ganzen Körper, vor allem auch im Bereich des Rückens, verursachen.

Vibrationen

Die gefährdende Einwirkung vibrierender Werkzeuge oder Maschinen ist seit Langem bekannt, wird jedoch oft unterschätzt.

Die Gefährdung bei der Arbeit unter Vibrationen ist abhängig von der Dauer der täglichen Exposition und ggf. von den Randbedingungen bei der Arbeit. Kälteeinflüsse, hohe Greifkräfte, Wechselwirkungen etc. können zu einem erhöhten Risiko führen.

Den Einstieg in die Prävention erleichtern folgende Fragestellungen:

  • Gibt es Schwingungs-/Vibrationsbelastungen bei den Arbeiten?
  • Wie hoch sind die Belastungen und wie hoch die Randbedingungen?
  • Sind die Möglichkeiten von TOP ausgeschöpft?
  • Entsprechen die Arbeitsmittel dem Stand der Technik?
  • Ist die Höhe der Vibrationen ermittelt und dokumentiert?
  • Kann ein Minderungsprogramm erstellt werden?

Ganzkörpervibrationen und Hand-Arm-Vibrationen

Je nach Art der Einwirkung wird üblicherweise unterschieden zwischen Ganzkörpervibrationen und Hand-Arm-Vibrationen.

Die Begriffe „Schwingungen“ bzw. „Vibrationen“ werden im Folgenden gleichbedeutend verwendet, wobei oftmals Schwingungen als Oberbegriff angesehen wird.

Als Ganzkörpervibrationen (GKV) werden Einwirkungen von Schwingungen und Vibrationen über das Gesäß oder den Rücken bei sitzenden Tätigkeiten, über die Füße bei stehenden Arbeitsabläufen oder über den Kopf und den Rücken bei liegenden Arbeiten bezeichnet. Dabei wird der gesamte Körper angeregt. Ganzkörpervibrationen sind wir auch in unserer Freizeit, etwa bei der täglichen Fahrt mit dem Auto oder Motorrad, ausgesetzt.

Bei Hand-Arm-Vibrationen (HAV) wirken die Vibrationen über die Hände auf den Menschen ein, sodass ausschließlich oder zumindest hauptsächlich das Hand-Arm-System angeregt wird. Hand-Arm-Vibrationen werden u.a. bei Arbeiten mit elektrisch oder pneumatisch betriebenen handgehaltenen Maschinen übertragen. Gefühlt habe Sie Vibrationen vielleicht auch schon beim Schneiden der Hecke oder bei Arbeiten mit der Stichsäge.

Gefährdungen durch Hand-Arm-Vibrationen bringen z.B. Arbeiten mit

  • Schleifmaschinen,
  • Meißelhämmern,
  • Stampfern und Rüttelplatten,
  • Abbau-, Aufbruch- und Bohrhämmern sowie
  • Motorkettensägen

mit sich. Ganzkörpervibrationen sind u.a. langjährige Berufskraftfahrer

  • auf Baustellen-Lkws,
  • auf Gradern,
  • Radladern,
  • Gabelstaplern auf unebenem Gelände oder
  • Militärfahrzeugen

ausgesetzt. Ähnlich wie beim Schall ist auch bei mechanischen Vibrationen eine Reihe von Einflussgrößen und Wirkungen bekannt. Die Gefährdung der Gesundheit ist von der Einleitungsstelle in den menschlichen Körper, der Größe der Einwirkung und einer sich über Jahre hinweg fortsetzenden täglichen Wiederholung der Belastungen abhängig.

Belastung und Schäden durch Vibrationen

Die Belastung des Menschen ergibt sich aus

  • der Stärke der Vibrationen,
  • der Frequenz,
  • der Einwirkdauer,
  • der Arbeitsweise und
  • den Tätigkeiten.

Das individuelle „Erleben“ hängt ab von

  • dem Gesundheitszustand,
  • der Art der Tätigkeiten und
  • der Einstellung und Erwartungshaltung.

Gefährdungen entstehen dann, wenn stark spürbare Vibrationen

  • auf das Hand-Arm-System einwirken bzw.
  • beim stehenden oder sitzenden Menschen in den Körper des Menschen eingeleitet werden.

Hand-Arm-Vibrationen beeinträchtigen die subjektive Wahrnehmung, die feinmotorische Koordination und die Leistungsfähigkeit und können bei langjähriger Einwirkung zu

  • Durchblutungsstörungen,
  • Nervenfunktionsstörungen,
  • Muskelveränderungen oder
  • Knochen- und Gelenkschäden

führen.

Durch starke Hand-Arm-Vibrationen im tieffrequenten Bereich können degenerative Veränderungen der Handknochen, der Gelenke in der Hand, des Ellbogens und der Schultern entstehen. Diese sind mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden.

Gelenkschäden können an folgenden Gelenken auftreten:

  • Handgelenk
  • Ellbogengelenk
  • Schultereckgelenk

Außerdem kann es im Bereich der Handwurzelknochen zum Mondbeintod – einer Nekrose des Mondbeins – bzw. zum Ermüdungsbruch kommen.

Eine weitere Auswirkung durch langjährige Vibrationsbelastungen im höheren Frequenzbereich können Durchblutungsstörungen in den Fingern sein, die sich anfallsartig durch Taubheit sowie durch Weißwerden der Finger äußern und bis hin zu krampfartigen Attacken (Weißfinger-Krankheit) führen können.

Diese Störungen, die auf Vibrationseinwirkungen zurückgeführt werden, bezeichnet man auch als „vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom“. In der Medizin werden solche Erkrankungen – die auch bei Personen auftreten können, die keine Vibrationsbelastung hatten – „Raynaud-Phänomen“ genannt.

Arbeiten in Kälte erhöhen das Risiko für diese Beschwerden, hier können Arbeitshandschuhe helfen.

Auch hohe Greifkräfte und gleichzeitige Vibrationen im Hand-Arm-Bereich (z.B. durch Maschinen wie Steinbohrer) können Druckschäden im Carpaltunnel, das sog. Carpaltunnel-Syndrom (CTS), hervorrufen. Gefäßschäden der Hand können z.B. durch stoßhaltige Krafteinwirkungen oder Vibrationen – etwa bei Schmiede- oder Steinhauerarbeiten – auftreten. Gefäßschäden werden dann als Hypothenar-Hammer-Syndrom (HHS) oder als Thenar-Hammer-Syndrom (THS) bezeichnet. Bei HHS ist der Kleinfingerbereich betroffen, beim THS der Daumenballen. Auch sportliche Aktivitäten (z.B. Karate) können ein HHS oder THS auslösen.

Ganzkörpervibrationen können

  • die Sinnesfunktionen (Gleichgewichtsstörungen, Kinetosen, Sehstörungen) beeinflussen,
  • die feinmotorische Koordination und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen,
  • Magenbeschwerden bewirken oder
  • zu Wirbelsäulenbeschwerden oder -erkrankungen führen.

Nach Branchen sind Gefährdungen durch Vibrationen bei der Arbeit häufig in der Bauwirtschaft, im Bergbau, in der Metallindustrie und in der Holzverarbeitung zu finden.

Beispiele für Arbeitsmittel mit Hand-Arm-Vibrationen und einer möglichen Gefährdung enthält die Fachliteratur, z.B. im Ergänzungsbogen zum DGUV Grundsatz G 46 „Belastungen des Muskel- und Skelettsystems einschließlich Vibrationen“.

Schutzmaßnahmen bei Vibrationen am Arbeitsplatz

Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung nennt in § 10 Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung der Exposition durch Vibrationen. Dort wird festgelegt, dass der Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen nach dem Stand der Technik durchzuführen hat, die die Gefährdung der Beschäftigten ausschließt oder so weit wie möglich verringert. Dabei haben technische Maßnahmen Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören alternative Arbeitsverfahren, ergonomischere Arbeitsmittel, Zusatzausrüstungen, Wartungsprogramme, Schulung, Expositionsbegrenzung oder entsprechende Arbeitszeitpläne.

Im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren, die durch Vibrationen ausgelöst werden, gilt es, sowohl die HAV als auch die GKV möglichst gering zu halten oder komplett zu vermeiden. In der Praxis gibt es hierfür einige Möglichkeiten. Dazu zählen unter anderem:

  • Verwendung von Klebemitteln anstelle von Nietarbeiten

  • Einsatz von Mehrfachschraubern

  • Verwendung von Bohrhämmern anstelle von Schlagschraubern

  • Verwendung von vibrationsdämpfenden Handgriffen an Arbeitsmitteln

  • Meidung von Fahrbahnunebenheiten wie z.B. Schlaglöchern

  • Verwendung von schwingungsmindernden Fahrersitzen

Autor*in: Dr. Gerhard Neugebauer