10.07.2023

Was ist eine Teileinspruchsentscheidung?

Nobody is perfect. Ihr Finanzamt macht da keine Ausnahme. Weist ein Bescheid Fehler auf, legen Sie als Unternehmen Einspruch ein. Eine Teileinspruchsentscheidung zum korrekten Teil des Bescheides soll Rechtssicherheit schaffen – sorgt bisweilen aber für Rechtsunsicherheit.

Teileinspruchsentscheidung

Was ist ein Einspruch? 

Mit einem Einspruch können Sie als Unternehmen beispielsweise einen Steuerbescheid von Ihrem Finanzamt anfechten. Dafür haben Sie als steuerpflichtiges Unternehmen normalerweise einen Monat nach Bekanntgabe Zeit. Sie kennen das: gegen Ende des Bescheides finden Sie jeweils im Erläuterungsteil eine entsprechende Belehrung. Sie finden dort keine Belehrung? Dann gibt Ihnen § 356 Abgabeordnung (AO) ein Jahr nach Bekanntgabe Zeit, Einspruch einzulegen.  

Was ist eine Einspruchsentscheidung? 

Ihr Finanzamt entscheidet über Ihren Einspruch per Bescheid, im Finanzamtsjargon „Einspruchsentscheidung“. Sie enthält: 

  • eine Begründung  
  • eine Rechtsbehelfsbelehrung  

Das Amt erteilt sie Ihnen, dem Einspruchsführer, schriftlich oder elektronisch.  

Was ist eine Teileinspruchsentscheidung? 

Sie kann Ihr Finanzamt erteilen, wenn es zur Auffassung kommt, dass es sachdienlich wäre, zunächst nur über Teile Ihres Einspruches zu entscheiden. Die Möglichkeit dazu eröffnet ihm § 367 Abs. 2a AO.  

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Warum kann eine Teileinspruchsentscheidung sachdienlich sein? 

Zur Prüfung Ihres Einspruches rollt Ihr Finanzamt Ihren gesamten Steuervorgang noch mal neu auf, um ihn umfassend zu prüfen:  

  • Es kann z.B. weitere Unterlagen zur Klärung anfordern.  
  • Oder ein ähnlich gelagertes Verfahren kann beim Bundesfinanzhof (BFH) oder beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig sein, dessen Ausgang auch für Ihr Einspruchsverfahren von Bedeutung sein könnte, und Ihr Finanzamt möchte diesen erst abwarten, bevor es eine dazu analoge Entscheidung über Ihren Einspruch fällt.  

Um Sie mit Ihrem gesamten Einspruch nun nicht in Gänze warten zu lassen, kann Ihr Finanzamt eine Entscheidung z.B. über unstrittige Korrekturen sofort umsetzen und diesen Teil der Änderung als verbindlich abschließen. Zu diesem Zweck kann die Behörde eine entsprechende Teileinspruchserklärung erlassen. Das kann sich für Sie als steuerpflichtiges Unternehmen als vorteilhaft erweisen, zumal wenn Sie sich nicht unberechtigte Hoffnungen auf Steuererstattungen machen sollten. So können Sie sich sicher sein, dass der Sachverhalt später nicht noch mal neu aufgerollt wird, mit möglicherweise anderen Entscheidungen. 

Können Sie die Teileinspruchsentscheidung angreifen? 

Sie haben als steuerpflichtiges Unternehmen gegen eine Teileinspruchsentscheidung dieselben Rechte wie gegen eine normale Einspruchsentscheidung. Sie können die Entscheidung mit einer Klage vor dem Finanzgericht angreifen. Zu diesem Behufe muss die Finanzbehörde in der Teileinspruchsentscheidung unverwechselbar deutlich machen, hinsichtlich welcher Teile ihre Entscheidung keinen Bestand haben soll.  

In mehreren Urteilen oder Beschlüssen hat sich der BFH 2022 mit Teileinspruchsentscheidung befasst, so z.B. in seinem Urteil vom 17.03.2022 (XI R 39/19) oder ganz neu in seinem Beschluss vom 12.05.2022 (V R 31/20).  

Worum ging es in diesem Beschluss? 

Um einen Unternehmer. Dessen Umsatzsteuererklärung zum Streitjahr 2006 hatte sein Finanzamt (FA) am 19.06.2008 mit der Folge zugestimmt, dass diese einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand. Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA am 31.03.2011 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 2006. Der Bescheid enthielt keinen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO. Dieser gestattet eine Nachprüfung bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung. Das Finanzamt kann eine Steuer vorläufig festsetzen, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für deren Entstehung eingetreten sind. 

Am 20.04.2011 legte der Unternehmer Einspruch bei seinem Finanzamt ein. Damit wandte er sich gegen zweierlei: 

  • gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus drei Rechnungen einer Lieferfirma B 
  • gegen die Erhöhung der steuerpflichtigen Provisionserlöse in der Höhe ihrer steuerlichen Auswirkung; er beantragte insoweit die Aussetzung der Vollziehung (AdV). 

Kam das FA seinen Forderungen nach? 

Teilweise. Es gewährte zunächst AdV zum Teil und erst auf erneuten Einspruch des Unternehmers in Höhe des Gesamtbetrags von Vorsteuerabzug und Provisionserlöse, ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Und das kam so: während des laufenden Einspruchsverfahrens zum Streitpunkt Provisionserlöse fand in den Räumen des FA ein Erörterungsgespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle statt. Dabei habe man eine Einigung darüber erzielt, dass die Provisionserlöse nicht umsatzsteuerpflichtig seien und die Umsatzsteuer 2006 daher entsprechend zu mindern sei. In der Folgezeit erging jedoch kein Teil-Abhilfebescheid zur Umsetzung dieser Einigung. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 wies das FA den Einspruch des Unternehmers wegen „Umsatzsteuer 2006“ zurück.  

Womit begründete das FA dies?  

Damit, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma B nicht erfüllt seien. Zu den Provisionsumsätzen führte die Einspruchsentscheidung nur aus, dass das FA im „Rahmen einer Betriebsprüfung (…) die Umsatzsteuerpflicht der Geschäftsvorfälle aus den … fest[stellte] und (…) die Umsätze mit Bescheid vom 31.3.2011 entsprechend [erhöhte]“. Außerdem ergehe „der Bescheid weiterhin vorläufig gem. § 165 AO bzgl. der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Punkte“. 

Leuchtete das dem Unternehmen ein? 

Nein, tat es nicht. Er erhob am 10.04.2013 Klage wegen der Ende März 2011 festgesetzten Umsatzsteuer für 2006. Er beantragte, den Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom März 2013 insoweit zu ändern, dass unter Berücksichtigung von zusätzlichen Vorsteuerbeträgen für bestimmte Arbeiten die Umsatzsteuer herabgesetzt werde. Hierauf verfügte das FA am 22.04.2013 erneut AdV der Umsatzsteuerfestsetzung in bestimmter Höhe mit Fälligkeiten im Mai 2011 an. Das Finanzgericht (FG) lud daraufhin zur mündlichen Verhandlung mit Zeugenvernehmung am 22.11.2017 wegen Umsatzsteuer 2006 und Umsatzsteuer 2008. Bei dieser Gelegenheit verständigte man sich auf folgendes: 

  • die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge bei der Einkommensteuerfestsetzung 2006 und beim Gewerbesteuermessbetrag 2006 als Betriebsausgaben sind abzugsfähig.  
  • Das FA ändert die betreffenden Steuerfestsetzungen für 2006 entsprechend.  

Hierauf erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 2006 und Gewerbesteuermessbetrag 2006 sowie ihren Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2006 und 2008 in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens wollte man gegeneinander aufheben. Dementsprechend beendete das FG das Klageverfahren durch den Erledigungs- und Kostenbeschluss noch in der mündlichen Verhandlung. 

Was wurde aus der AdV der Umsatzsteuerrückstände? 

Das FA forderte sie bei dem Unternehmer ein. Daraufhin beantragte er erneut AdV der offenen Umsatzsteuerbeträge. Es habe sich bei der im finanzgerichtlichen Verfahren streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 lediglich um eine Teil-Einspruchsentscheidung gehandelt, meinte er. Darin sei nur über den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma B entschieden worden, nicht aber über die ebenfalls streitige Erhöhung der steuerpflichtigen Provisionserlöse. Das FA lehnte diesen Aussetzungsantrag ab, weil der Umsatzsteuerbescheid 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 durch die Abgabe beiderseitiger Erledigungserklärungen im Klageverfahren bestandskräftig geworden sei. Den anschließend beim FG gestellten Antrag auf AdV lehnte dieses mit gleicher Begründung ab. 

Der Kläger beantragte hierauf beim FA die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2006 durch Erlass eines Teil-Abhilfebescheides in Bezug auf die als steuerpflichtig behandelten Provisionserlöse. Das FA lehnte auch diesen Antrag ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch 2019 als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2006 wies das FG folgendermaßen ab:  

  • Die Einspruchsentscheidung sei nicht als „Teil-Einspruchsentscheidung“ bezeichnet.  
  • Aus ihrem Inhalt ergebe sich nicht, dass diese lediglich für Teile des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 2006 Bestandskraft entfalten sollte.  
  • Die Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 betreffe ohne jegliche Einschränkung die gesamte Umsatzsteuerfestsetzung für 2006.   
  • Darüber hinaus fehle es an der Sachdienlichkeit für eine Teil-Einspruchsentscheidung, wenn das FA, wie vom Unternehmer behauptet, bereits Abhilfe hinsichtlich der streitigen Provisionserlöse signalisiert habe.  
  • Das FG habe es schlicht vergessen, die Frage der Provisionserlöse in der Einspruchsentscheidung abzuhandeln oder insoweit dem Einspruch abzuhelfen. Auch der Unternehmer habe offensichtlich vergessen, den Komplex „Provisionserlöse“ im Rahmen des Klageverfahrens einzubringen und die behauptete Rechtswidrigkeit zu begründen. 

Damit war der Unternehmer nicht einverstanden, wie anzunehmen ist? 

Nein, er beantragte Revision beim BFH. Der Hof sollte die (Teil-)Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 für nichtig erklären. Außerdem rügte er:  

  • die unzutreffende Anwendung und Auslegung des § 367 Abs. 2a AO,  
  • eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht sowie  
  • die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch eine Überraschungsentscheidung. 

Wie sieht der BFH die Sache? 

Er hält die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 31.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 sei bestandskräftig und damit unabänderbar. Entgegen der Auffassung des Unternehmers handele es sich bei der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 nicht um eine Teil-Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a AO, sondern um eine abschließende Einspruchsentscheidung nach dessen Abs. 1. Ebenso führe die nachträgliche Aufnahme des Vorläufigkeitsvermerks „Der Bescheid ergeht weiterhin vorläufig gem. § 165 AO bzgl. der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Punkte“ nicht zur Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung. Das FG habe weder seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt noch eine Überraschungsentscheidung getroffen. 

Autor*in: Franz Höllriegel