17.05.2023

Achtung Falle: Gewerbesteuerpflicht wegen „unbeabsichtigter“ Betriebsstätte!

Sie haben einen Gewerbebetrieb in Deutschland? Dann unterliegen Sie der Gewerbesteuer, wenn dieser Gewerbebetrieb hier im Inland eine Betriebsstätte hat. Das ist nicht so trivial, wie es sich anhört. Auch darum kann es Streit geben. Sie können ihn leicht vermeiden.

Gewerbesteuerpflicht

Warum ist die Unterscheidung Gewerbebetrieb und Betriebsstätte nicht trival?

Weil es für die Gewerbesteuerpflicht ganz entscheidend auf den Begriff Betriebsstätte an- und es hierüber immer wieder zum Streit kommt. Die Abgabenordnung (AO) sagt uns, was steuerrechtlich eine Betriebsstätte ist, was dazu gehört, damit sie es ist, und wie lange sie hierfür bestehen muss:

§ 12 Abgabenordnung – Betriebsstätte

Betriebstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebstätten sind insbesondere anzusehen:

  1. die Stätte der Geschäftsleitung,
  2. Zweigniederlassungen,
  3. Geschäftsstellen,
  4. Fabrikations- oder Werkstätten,
  5. Warenlager,
  6. Ein- oder Verkaufsstellen,
  7. Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen,
  8. Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn
  9. die einzelne Bauausführung oder Montage oder
  10. eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder
  11. mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen

länger als sechs Monate dauern.

Warum kommt es darüber gerne zum Streit?

Weil die AO an dieser Stelle nichts dazu mitteilt, ob die Betriebsstätte bzw. der Gewerbebetrieb im In- oder im Ausland steht. Gerade darüber und insbesondere dann, wenn eine Gesellschaft außerhalb Deutschlands ansässig ist, die Geschäftsleitung aber im Inland stattfindet, wird häufig über den Begriff Betriebsstätte gestritten. Erschwert wird die Beurteilung, wenn die inländische Stätte der Geschäftsleitung gleichzeitig die Privatwohnung des Betriebsstättenleiters ist. Aber auch bei Einschaltung von Management Gesellschaften entbrennt immer wieder Streit.

Wie können Sie als Unternehme dieses Problem lösen?

Indem Sie sich an die folgenden Regeln halten, die der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 23.03.2022, Az.: III-R-35/20, zu einem ähnlichen Fall aufgestellt hat:

  • „Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i.S. des § 12 Satz 1 AO sein, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht. Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit [des Unternehmens] vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers).“
  • „Eine Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 AO erfordert eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung)“.
  • „Ohne eine gewisse räumliche und zeitliche ‚Verwurzelung‘ des Unternehmens vor Ort fehlt es an dem für eine Betriebsstätten Begründung erforderlichen Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke i.S. des § 12 Satz 1 AO. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort macht die Betriebsstätte des Auftragnehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers.“

Worum ging es in dem Fall?

Um eine 2008 gegründete GmbH mit satzungsmäßigem Sitz in X und einem Stammkapital von 25.000 Euro. Ihre Gesellschafter waren seit 2010 M mit einem von Geschäftsanteil 23.500 Euro und A 1.500 Euro Geschäftsanteil. Alleiniger Geschäftsführer war seit 2010 M mit Wohnsitz im Großherzogtum Luxemburg. Unternehmensgegenstand war seit 2009 die „Verwaltung eigenen Grundvermögens“. Die GmbH erwarb 2009 ein mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebautes Grundstück in der P-Straße in X zu einem Kaufpreis von 790.000 Euro. Dieses Objekt wurde im Streitjahr für 1,55 Millionen Euro an eine KG veräußert. Im Dezember 2013 wurde eine Teilungserklärung erstellt, es entstanden 33 Teileigentumsanteile. Im Jahr 2014 stellte die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit ein.

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Die GmbH erteilte im November 2009 der am …01.2007 gegründeten R-GmbH in X eine schriftliche „Hausverwaltungsvollmacht“ für das in X gelegene Grundstück. Die R-GmbH erhielt alle Rechte und Pflichten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung der Immobilie standen. Hierzu zählte neben der Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber Mietern und Pächtern der Immobilie die Vertretung der Klägerin gegenüber Behörden.

Die Verwalterin konnte geeigneten Dritten einzelne Verwaltungsaufgaben, die sich aus dem Verwaltungsvertrag ergeben, übertragen und dazu auch Untervollmachten erteilen. Im Jahr 2012 trat die neu gegründete R-Vermögensverwaltungs GmbH mit Sitz in X in die Hausverwaltungsvollmacht ein. Ähnliche Vereinbarungen bestanden zwischen der R-Vermögensverwaltungs GmbH und anderen Gesellschaften, an denen M beteiligt war.

Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der R-GmbH sowie der R-Vermögensverwaltungs GmbH war seit der Gründung H. Zweck der Gesellschaften und weiterer Gesellschaften, an denen H beteiligt war, war der An- und Verkauf von Häusern sowie die Hausverwaltung. Ähnliche Hausverwaltungstätigkeiten erledigte die R-Vermögensverwaltungs GmbH auch für Gesellschaften, an denen M der alleinige gesetzliche Vertreter war (G-Gesellschaften).

Was sorgte für Streit?

Das Finanzamt und  die Frage, ob GmbH im Streitjahr 2013 im Inland eine Betriebsstätte hatte und dementsprechend gewerbesteuerpflichtig sei. Auf Nachfrage der Finanzverwaltung teilte der frühere Geschäftsführer der Klägerin am 20.04.2009 mit, der Sitz der Klägerin sei in der „T-Straße in X“. Eine Nachfrage des Finanzamtes ergab, dass dort kein eigenes Klingelschild für die Klägerin und kein Mietvertrag über die Anmietung von Büroräumen existierte.

Am 23.02.2010 benannte ein Mitarbeiter des Steuerberaters der GmbH die Adresse „K-Straße in X“ als deren Sitz. Mit Schreiben vom 02.08.2012 teilte Y als Angestellte der R-Vermögensverwaltungs GmbH in Gründung  verschiedenen Personen wie u.a. dem Steuerberater S mit, dass die Klägerin ihren Geschäftssitz ab dem …08.2012 in die Z-Straße in X verlegen werde. In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr wurde als Anschrift der Geschäftsleitung die Adresse „Z-Straße in X“ angegeben, an der sich der Sitz der R-Vermögensverwaltungs GmbH befindet.

Die Klägerin gab zunächst keine Steuererklärung ab. Deswegen schätzte das FA mit Bescheid vom 10.12.2014 den Gewerbesteuermessbetrag. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Erst am 15.12.2015 reichte die GmbH u.a. die ausstehende Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr ein.

Am 24.02.2016 erließ das FA erklärungsgemäß einen entsprechenden Steuerbescheid. Mit geändertem Bescheid vom 12.08.2016 setzte es den Gewerbesteuermessbetrag 2013 unter Anrechnung eines Verlustvortrags in Höhe von 145.889 Euro auf 18.273 Euro fest. Gegen den geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid legte die GmbH Einspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass der im Streitjahr erzielte Gewinn aufgrund der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht der Gewerbesteuer unterliege. Mit Einspruchsentscheidung wies das FA den Einspruch zurück. Hiergegen erhob die GmbH Klage.

Mit welcher Begründung?

Es liege keine Gewerbesteuerpflicht vor, weil die GmbH im Inland zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsstätte innegehabt habe. Im Streitfall habe M seine Unternehmen an seinem Wohnsitz in Luxemburg verwaltet. Dort habe er als Geschäftsführer der Klägerin die Steuererklärungen unterschrieben. Für den Fall, dass das Gericht gleichwohl eine Gewerbesteuerpflicht annehme, habe sie einen Anspruch auf die „einfache Grundbesitzkürzung“ nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG 2013. Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) den Gewinn aus Gewerbebetrieb um 1.914,28 Euro kürzte. Im Übrigen wies es die Klage ab mit Hinweis auf das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 669 veröffentlichten Urteil. Die Klägerin habe im Inland eine Betriebsstätte gehabt, mit der Folge der grundsätzlichen Gewerbesteuerpflicht. Die Klägerin ging damit vor den BFH.

Wie sah der BFH die Sache?

Er wies die Revision, wie vom FA beantragt, zurück. Die Klägerin unterhalte im Inland eine inländische Betriebsstätte nach § 12 AO. das FG hat die Betriebsstätte lediglich mit der Möglichkeit der Überwachung vor Ort begründet, ohne die tatsächliche Überwachung vor Ort festzustellen. Auch soweit das FG in seiner weiteren Begründung einer inländischen Betriebsstätte zusätzlich auf die „enge wirtschaftliche Verflechtung“ und die „mehrjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin“ und weiteren „Managementgesellschaften“ (G-Gesellschaften) abstelle, könnten diese Umstände nicht in einer Gesamtwürdigung miteinbezogen werden, weil es im vorliegenden Fall allein um die Frage der inländischen Betriebsstätte der Klägerin gehe.

Da der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann, ob möglicherweise schon in dem Vermietungsobjekt eine Betriebsstätte der Klägerin i.S. des § 12 Satz 1 AO anzunehmen ist, hob er das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Was bedeutet Die Entscheidung des BFH für Ihre Praxis als Unternehmen?

Sie sollten insbesondere bei Personengleichheit von Auftraggeber und Auftragnehmer, gegebenenfalls in verschiedenen Gesellschaften, darauf achten, ob der Begriff der Betriebsstätte aufseiten des Auftraggebers versehentlich erfüllt wird. Dann besteht Gewerbesteuerpflicht, die Sie aber durch klare Verträge vermeiden können.

Gut zu wissen dabei, dass eine Kapitalgesellschaft stets ein Gewerbebetrieb ist – unabhängig davon, welche Tätigkeit sie ausübt. Dabei gilt: Auch freiberufliche oder vermögensverwaltende Tätigkeiten sind in der Rechtsform einer GmbH gewerbesteuerpflichtig.

Autor*in: Franz Höllriegel