23.05.2023

Mittelbare vGA bei nießbrauchbelasteten GmbH-Geschäftsanteilen

Sie sind Gesellschafter einer GmbH; einen Verwandten im Kreise der Gesellschafter wollen Sie an deren Gewinn teilhaben lassen: eher keine gute Idee. Das Finanzamt könnte auf die Idee kommen, Sie wollten damit Gewinne verschleiern – womöglich zwecks Steuervermeidung?

Mittelbare vGA Nießbrauch

Wann ist eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gegeben?

Ohne einen tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter nur, wenn:

  • der Empfänger des Vorteils eine Ihnen als Gesellschafter nahestehende Person und
  • die Vorteilszuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.

Was, wenn der Nießbrauchberechtigte sie direkt erhält?

Dann kann eine mittelbare vGA vorliegen.

Können Sie vorbeugen, um eine solche Gefahr auszuschließen?

Ja, gesunder Menschenverstand hat da schon oft gute Dienste geleistet. Fragen Sie sich vorher: würde so ein normal verständiger ordentlicher Kaufmann handeln? Egal, welche Gestaltung gewählt wird – der Fremdvergleich gehört bei einer Vorteilsgewährung stets im Voraus beachtet, wie ein vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedener Fall wieder einmal zeigt (BFH, Urteile vom 14.02.2022, Az.: VIII R 29/18 und VIII R 30/18).

Worum ging es in dem Streitfall?

Um den Kläger, einen Geschäftsmann, der 50 Prozent der Geschäftsanteile an der A-GmbH, der B-GmbH und der C-GmbH, und einen weiteren Geschäftsmann X, der ebenso viel an den drei GmbHs hielt. Der Kläger streitet mit dem Finanzamt darüber, ob in den Streitjahren 2004 und 2006 jeweils eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zugeflossen ist. Beide Geschäftsleute bestellten mit notariellem Vertrag unentgeltlich einen Quotennießbrauch mit einer Quote von 80 Prozent an ihren Geschäftsanteilen der C-GmbH zugunsten der A-GmbH.

GmbH-Brief − Steuervorteile, Haftungsschutz und Finanzsicherheit für Geschäftsführer

Wichtige rechtliche Informationen, Expertenwissen und Handlungsempfehlungen für Ihre Geschäftsführung

€ 439.00Jahrespreis zzgl. € 24,95 Versandpauschale und MwSt.

Newsletter

Die mit den Geschäftsanteilen der C-GmbH verbundenen Mitverwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, verblieben jeweils bei dem jeweiligen der beiden Anteilseigner. Am selben Tag beschlossen der Kläger und X als Gesellschafter der B-GmbH notariell die Erhöhung des Stammkapitals der B-GmbH, die beide jeweils zur Hälfte übernahmen. Die Stammkapitalerhöhung erfolgte nicht in Geld, sondern durch Einbringung der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile an der C-GmbH. Zugleich erklärten der Kläger und X, dass sie die neue Stammeinlage jeweils hälftig übernehmen. Die Leistung der Sacheinlagen durch die Klägerin und X in Gestalt der Einbringung der Geschäftsanteile an der C GmbH erfolgte mit gesonderter Vereinbarung und mit sofortiger Wirkung ebenfalls am 16.12.2004. Die B GmbH setzte die Geschäftsanteile zum Buchwert an. Der über die Kapitalerhöhung hinausgehende Betrag wurde in die Kapitalrücklage der B GmbH eingestellt.

Sind in der Folgezeit Gewinnausschüttungen erfolgt?

Ja, von der C-GmbH direkt an die A-GmbH:

  • Am 28.12.2004 beschloss die Gesellschafterversammlung der C GmbH eine Gewinnausschüttung, wovon noch am selben Tag ein Betrag in Höhe von 236.033 Euro direkt an die A GmbH ausgezahlt wurde.
  • Zudem beschloss die Gesellschafterversammlung der C GmbH am 02.06.2006 und
  • am 28.12.2006 weitere Gewinnausschüttungen. Insofern erfolgte am 28.12.2006 eine direkte Auszahlung an die A GmbH in Höhe von insgesamt 1.145.203 Euro.

Diese Vorgänge wurden in den ursprünglichen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erfolgten Einkommensteuerfestsetzungen des Klägers für die Streitjahre erklärungsgemäß nicht berücksichtigt. Bei der A GmbH wurden die empfangenen Zahlungen hingegen als verdeckte Einlagen des Klägers bzw. X erfasst und in das steuerliche Einlagekonto i.S. des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) eingestellt.

Akzeptierte das Finanzamt dies?

Nein, in einer bei der B GmbH für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer vom Finanzamt (FA) zu der Auffassung, dass in Höhe der Zahlungen aufgrund des Quotennießbrauchs an die A GmbH sowohl dem Kläger als auch X jeweils hälftig eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre anzuwendenden Fassung (EStG) zugeflossen sei. Unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 EStG erhöhte das FA daher das zu versteuernde Einkommen des Klägers 2004 um 59.008 Euro sowie 2006 um 286.300 Euro und änderte die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre jeweils mit Bescheid vom 03.06.2009.

Akzeptierten die beiden Geschäftsleute dies nun?

Nein, sie legten hiergegen Einsprüche ein – aber erfolglos. Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es meinte, die an die A-GmbH ausgezahlten Gewinnausschüttungen der C-GmbH seien auf der Ebene der B-GmbH eine vGA. Die verdeckten Gewinnausschüttungen seien jeweils hälftig den beiden Geschäftsleuten zugeflossen. Nein, der Kläger legte gegen das Urteil des FG Revision vor dem BFH ein. Ihm sei in den Streitjahren keine vGA zugeflossen. Es fehle bereits eine hierfür erforderliche Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung bei der B GmbH. Die Geschäftsanteile der C GmbH seien schon bei Einbringung durch den Kläger mit einem Nießbrauch belastet gewesen. Folglich könne die Gewinnausschüttung an die nießbrauchberechtigte A GmbH keine Minderung des vorhandenen Vermögens der B GmbH bewirken.

Die B GmbH habe vielmehr die direkte Ausschüttung von der C GmbH an die A GmbH dulden müssen und keinen Einfluss hierauf gehabt. Insbesondere habe sie auch nicht auf eine mögliche Gewinnausschüttung „verzichtet“. Aus diesem Grund sei die Rechtsprechung zu vGA zwischen Schwestergesellschaften bzw. im „Dreiecksverhältnis“ nicht auf den Streitfall übertragbar. Die A GmbH habe nichts von ihrer Schwestergesellschaft, der B GmbH, erhalten. Vielmehr sei die Ausschüttung von der C GmbH unmittelbar an die A GmbH erfolgt. Schließlich sei der B GmbH nicht vorzuhalten, dass sie der Einbringung nießbrauchbelasteter Anteile zugestimmt habe, da ihr immer noch 20 Prozent der Gewinnausschüttungen zustünden. Einer solchen Einbringung hätte auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zugestimmt.

Darüber hinaus hätten die vom FA geänderten Einkommensteuerbescheide zur Folge, dass sie im Widerspruch zu den gesonderten Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG der B GmbH stünden. § 174 Abs. 1 AO stehe daher der vom FA durchgeführten Änderung entgegen. Der BFH solle das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 04.02.2013 und die Einkommensteuerbescheide für 2004 und für 2006 jeweils vom 03.06.2008 aufheben. Das Finanzamt widersprach dem und beantragte beim BFH, die Revision zurückzuweisen.

Was sagte der BFH darauf?

Er führte aus, dass Gewinnausschüttungen als Kapitaleinnahmen ertragsteuerlich nicht dem Nießbrauchberechtigten, sondern weiterhin dem Anteilseigner zugerechnet werden müssten. Das sei deswegen der Fall, weil der an einem Kapitalgesellschaftsanteil bestellte Nießbrauch dem Nießbrauchberechtigten nur einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräume. Dieser könne aber:

  • keine wesentlichen Verwaltungsrechte wie insbesondere die Stimmrechte ausüben und
  • im Konfliktfall effektiv durchsetzen.

Sei zudem der Anteilseigner des nießbrauchbelasteten Kapitalgesellschaftsanteils – wie hier – eine Kapitalgesellschaft, könne die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten zu einer mittelbaren vGA führen. Dies setze voraus, dass es sich beim Gesellschafter der anteilseignenden Kapitalgesellschaft und beim Nießbrauchberechtigten um einander nahestehende Personen handele.

Worauf stellt der BFH besonders ab?

Einkommensteuerrechtliche Zurechnung der Ausschüttungen: Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist grundsätzlich der Anteilseigner. Einem Nießbrauchberechtigten rechnet der BFH die Ausschüttung nur ertragsteuerlich zu, wenn:

  • der Berechtigte aufgrund seiner Rechtsposition entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft hat und
  • so dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt ist.

Im vorliegenden Fall erlangte die A-GmbH durch den Nießbrauch zwar eine Gewinnbeteiligung, die Verwaltungsrechte aber blieben bei der B-GmbH als Anteilseignerin. Daher sind, so der BFH, die Ausschüttungen der C-GmbH der B-GmbH zuzurechnen.

Mittelbare vGA: Eine vGA liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Sie kann ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil dem Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Ist – wie in diesem Fall – die Anteilseignerin des nießbrauchbelasteten Kapitalgesellschaftsanteils eine Kapitalgesellschaft, kann die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten zu einer mittelbaren vGA führen, wenn es sich beim Gesellschafter der anteilseignenden Kapitalgesellschaft und beim Nießbrauchberechtigten um einander nahestehende Personen handelt.

Vorteilszuwendung der B-GmbH an die A-GmbH: Die direkte Auszahlung von 80 Prozent der ertragsteuerlich der B-GmbH zuzurechnenden Ausschüttung von der C-GmbH an die A-GmbH führte zu Vorteilszuwendungen der B-GmbH an die A-GmbH. Diese Zuwendungen sind den Geschäftsleuten – vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung – ebenfalls zuzurechnen. Eine vGA kann ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vermögensvorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Im vom BFH entschiedenen Streitfall handelt es sich bei der A-GmbH als Vorteilsempfängerin um eine den Geschäftsleuten nahestehende Person.

Was bedeutet dies für Sie als Gesellschafter einer GmbH?

Stellen Sie sicher, dass der Zufluss wie unter fremden Dritten vollzogen wird! Das haben die beiden Geschäftsleute hier versäumt. Der Zufluss einer vGA an sie hing vor allem davon ab, ob die Einbringung der Geschäftsanteile an der C-GmbH in die B-GmbH gegen letztlich den Erhalt neuer Geschäftsanteile an der B-GmbH durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Da dies unklar war, hat der BFH die Sache an die Vorinstanz zu weiteren Feststellungen zurückverwiesen.

Autor*in: Franz Höllriegel