16.05.2023

Verluste bei GmbH-Gesellschafterdarlehen: kennen Sie dieses BMF-Schreiben?

Gesellschafterdarlehen in der eigenen Steuererklärung – abziehbare Aufwendung oder steuerlich egal? Darüber kommt es immer wieder zum Streit. Ein wahrer Augiasstall an Rechtsprechung hat sich dazu schon gebildet. Das Finanzministerium hat zum großen Ausmisten angesetzt.

Verluste bei GmbH-Gesellschafterdarlehen

Inwiefern mistet das Bundesfinanzministerium (BMF) aus?

Indem es in einem Schreiben vom 07.06.2022 umfassend Stellung bezogen hat, wie Gesellschafterdarlehen ertragsteuerlich zu behandeln sind.

Was ist der Anlass für das ministerielle Schreiben?

Ein Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften von Dezember 2019. Es führte in das Einkommensteuergesetz neu den § 17 Absatz 2a EStG neu ein. Der Gesetzgeber hat seinerzeit die Gelegenheit genutzt und in den Sätzen 1 bis 4 normspezifisch geregelt, wann es zu nachträglichen Anschaffungskosten für GmbH-Anteile kommt. Verluste aus Gesellschafterdarlehen können sein:

  • direkt abziehbare Aufwendungen
  • nachträgliche Anschaffungskosten des GmbH-Anteils, die zunächst steuerlich keine Wirkung haben.

Unter anderem zu letzterem fasst das ministerielle Schreiben zur neuen Vorschrift im EStG Ergebnisse der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder zusammen.

Was sind nachträgliche Anschaffungskosten von GmbH-Anteilen?

Zunächst alle Ihre Aufwendungen als Gesellschafter, die Sie leisten, um die Anteile zu erwerben oder zu begründen. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten eines GmbH-Anteils können gehören:

  • offene und verdeckte Einlagen: Zu den verdeckten Einlagen gehört insbesondere der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen in Höhe des werthaltigen Teils. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich im Zeitpunkt des Verzichtes um ein fremdübliches oder um ein gesellschaftsrechtlich veranlasstes Darlehen handelt.
  • Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen oder
  • Darlehensverluste, allerdings nur soweit
    • die Gewährung des Darlehens oder
    • das Stehenlassen des Darlehens
    • in einer Krisenzeit der Gesellschaft erfolgte und
    • gesellschaftsrechtlich veranlasst war.

Was heißt in diesem Zusammenhang gesellschaftsrechtlich veranlasst?

Das richtet sich nach der Fremdüblichkeit. Will sagen: hätte die Gesellschaft von einer fremden Person üblicherweise noch ein Darlehen zu Marktbedingungen erhalten? Gesellschaftsrechtlich veranlasst ist:

  • ein Krisendarlehen: Rückzahlung ist angesichts der finanziellen Situation der GmbH gefährdet zum Zeitpunkt seiner Gewährung
  • ein stehengelassenes Darlehen: Rückzahlung ist angesichts der finanziellen Situation der GmbH gefährdet zum Zeitpunkt seiner Weitergewährung

In beiden Fällen wäre ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen.

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Liegt keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor, sondern eine normale Vertragsbeziehung wie unter fremden Dritten, ist eine steuerliche Berücksichtigung des Darlehensverlusts im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen möglich.

Wonach richtet sich die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten?

Das ministerielle Schreiben regelt sie nach verschiedene Darlehensarten:

  • Krisendarlehen: wird in einer Krisensituation der GmbH gegeben; bei Verlust gilt der Nennbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten. Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter schon vor der Krise z.B. innerhalb des Darlehensvertrags erklärt, dass das Darlehen in der Krise nicht zurückgefordert wird.
  • Finanzplandarlehen: wird von vornherein in die Finanzplanung der GmbH in der Weise einbezogen, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll; wird bei Verlust ebenfalls zum vollen Nennbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten gewertet. Ohne ein solches Finanzplandarlehen wäre das Wirtschaften der GmbH praktisch nicht möglich.
  • stehengelassenen Darlehen: abgestellt auf den Beginn der Krise, in der Praxis regelmäßig schwer festzustellen. Üblicherweise bestimmt dies erst ex post durch
    • das Finanzamt,
    • ein Insolvenzverwalter oder
    • Gutachter.

Als Gesellschafter ist hier also eine besondere Vorsicht geboten. Das Stehenlassen des Darlehens wird genauso gewertet wie die Hingabe eines Darlehens in der Krisensituation. Der volle werthaltige Teil des Darlehens wird bei Verlust als nachträgliche Anschaffungskosten gewertet.

Der bei Eintritt der Krise nicht mehr werthaltige Teil kann bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden. Auch hier ist die Abgrenzung in der Praxis nicht einfach und muss im Zweifel geschätzt werden.

Sie finden alles Wichtige rund um das „Gesellschafterdarlehen“ in Ihrer Mediathek auf www. gmbh-brief.de unter dem Stichwort „Gesellschafterdarlehen“.

Beispiel: fremdübliches Darlehen

Ein Max Müller ist 100-Prozent-Gesellschafter der Müller-GmbH. Im Jahr 2001 gewährte er dieser ein Darlehen in Höhe von 200.000 Euro. Die Bedingungen sind fremdüblich. Schon im Jahr 2002 rutscht die Müller-GmbH in eine Krise. Müller lässt das Darlehen stehen. Es ist zu Beginn der Krise noch mit 80 Prozent werthaltig. Im Jahr 2004 wird die Müller-GmbH liquidiert. Eine Darlehensrückzahlung erfolgt nicht mehr.

Folge: Das Stehenlassen des Darlehens in der Krise ist gesellschaftsrechtlich veranlasst. Jeder Dritte hätte sein Darlehen zu diesem Zeitpunkt gekündigt und zurückverlangt. Erst im Jahr 2004 steht der Verlust fest.

  • Der nicht mehr werthaltige Teil des Darlehensüber 20 Prozent von 200.000 Euro = 40.000 Euro kann erst dann bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.
  • Der werthaltige Teil des Darlehensvon 200.000 Euro × 80 Prozent = 160.000 Euro ist dann als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG berücksichtigungsfähig.

Weil die GmbH liquidiert wird, wirken sich die Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung samt der nachträglichen Anschaffungskosten durch den anteiligen Darlehensverlust nach § 17 EStG als Verlust aus Gewerbebetrieb aus.

Was, wenn ein Gesellschafter auf sein ursprüngliches Darlehen verzichtet?

Das kommt nicht selten vor, wenn er merkt, dass die GmbH in Schwierigkeiten kommt. Hier kommt es wieder auf den Zeitpunkt an, wann der Gesellschafter auf das Darlehen verzichtet: Der zu Beginn der Krise bereits vorhandene Wertverlust des Darlehens kann im Jahr des Verzichtes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden. Liegt der Verzichtszeitpunkt schon weit in der Krisenzeit der GmbH, sind sowohl der werthaltige Teil als auch der nicht werthaltige Teil des Darlehens nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung. Sie wirken sich also erst dann aus, wenn der GmbH-Anteil z.B. durch Liquidation untergeht oder veräußert wird.

Welche Bedingungen gelten für einen Verlust aus Gesellschafterdarlehen bei Einkünften aus Kapitalvermögen?

Ein solcher Verlust wird nur berücksichtigt, wenn es sich nicht um nachträgliche Anschaffungskosten gehandelt hat. Folgende Bedingungen regelt § 20 EStG:

  • Das Darlehen wurde ursprünglich vergeben, um positive Einkünfte (z.B. Zinseinnahmen) zu erzielen.
  • Das Darlehen bzw. der Darlehensteil ist endgültig ausgefallen. Davon ist auszugehen, wenn sicher keine Rückzahlung mehr erfolgt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein reicht dafür nicht.
  • Zeitliche Einschränkungen sind:

Darlehensgewährung

Steuerliche Folge bei Darlehensverlust

vor dem 01.01.2009 keine Berücksichtigung, da private Vermögensveränderungen steuerlich nicht relevant sind (vor Einführung der Abgeltungssteuer)
nach dem 31.12.2008 und vor dem 01.01.2021

Bei Beteiligung unter 10 Prozent am Stammkapital:

– bis Steuerjahr 2019: voll abzugsfähig

– ab Steuerjahr 2020: nur verrechenbar mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG (siehe Gesetzesauszug)

Bei Beteiligung von mindestens 10 Prozent am Stammkapital:

– bis einschließlich Steuerjahr 2023: uneingeschränkt abzugsfähig
– ab Steuerjahr 2024 (aktueller Stand): nur verrechenbar mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG (siehe Gesetzesauszug)
nach dem 31.12.2020 nur verrechenbar mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG (siehe unten)

§ 20 Abs. 6 Satz 6 EStG – Verlustabzugsverbot/Verrechnung

„Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter […] dürfen nur in Höhe von 20 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden; die Sätze 2 und 3 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen.“

Beispiel fremdüblich vereinbartes Darlehen

Müller ist Alleineigentümer der Müller-GmbH. Im Jahr 2001 gewährte er dieser ein fremdüblich vereinbartes Darlehen in Höhe von 200.000 Euro.

Folge: Die GmbH weist das Darlehen als Verbindlichkeit gegen Gesellschafter in der Bilanz aus. Die Zinsen sind steuerlich bei der GmbH abzugsfähig (weil das Darlehen fremdüblich vereinbart ist), und beim Gesellschafter A stellen die Zinsen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar.

Beispiel stehengelassenes Darlehen

Im Jahr 2003 gerät die Müller-GmbH in die Krise. Müller lässt das Darlehen stehen. Es ist bei Kriseneintritt noch zu 80 Prozent (160.000 Euro) werthaltig.

Folge: Das Stehenlassen des Darlehens führt zu einer gesellschaftlichen Veranlassung. Jeder Dritte hätte das Darlehen zurückverlangt bzw. gekündigt.

Beispiel Verzicht auf Darlehen

Im Jahr 2005 verzichtet Müller auf das Darlehen. Es hat noch eine Werthaltigkeit von 40 Prozent der ursprünglichen Darlehenssumme.

Folge:

  • Die 20 Prozent Wertverlust von 40.000 Euro zum Zeitpunkt des Stehenlassens können als Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2005 geltend gemacht werden.
  • Die werthaltigen 80 Prozent (160.000 Euro) zum Zeitpunkt des Stehenlassens werden nachträgliche Anschaffungskosten. Auf die Werthaltigkeit zum Verzichtsstichtag kommt es in diesem Fall nicht mehr an.

Auch wenn ein Darlehen unverzinslich vergeben wurde, kann daraus die Absicht, positive Einkünfte erzielen zu wollen, abgeleitet werden (z.B. Wertsteigerung des GmbH-Anteils).

Internet-Tipp

Alles Wichtige rund um das „Gesellschafterdarlehen“ in der Mediathek auf www.gmbh-brief.de unter Stichwort „Gesellschafterdarlehen“.

Autor*in: Franz Höllriegel