04.05.2023

Gesellschafterdarlehen: vGA durch unzureichende Zinsvereinbarung

Außenprüfer lieben Gesellschafterdarlehen. Gerne bewerten sie hier die vereinbarte Verzinsung in Teilen als verdeckte Ausschüttung von Gewinn (vGA). Dem ist der Bundesfinanzhof (BFH) nun entgegengetreten. Er stellt neue Kriterien für fremdüblichen Zinssatz auf, auf die Sie achten sollten.

unzureichende Zinsvereinbarung

Warum haben es Prüfer besonders auf die vGA abgesehen?

Sie ist bei ihnen beliebt, weil sie ihnen Gelegenheit bietet, bei Ihnen als Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung festzustellen, die

  • durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind,
  • sich auf die Höhe des Gewinns auswirken und
  • in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen.

Welche Kriterien sind für den BFH Hinweise auf eine vGA?

Zum Beispiel, wenn der Vorgang geeignet wäre, dem begünstigten Gesellschafter einen Beteiligungsertrag zu verschaffen. Meistens hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis, nach einem Fremdvergleich angenommen (etwa BFH, Urteil vom 08.09.2010, Az.: I R 6/09).

Was heißt Fremdvergleich?

Man vergleicht dabei Ihr Verhalten als Kapitalgesellschaft Ihrem Gesellschafter gegenüber mit dem eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters:

  • Hätten Sie bei dessen sorgfältiger Handlungsweise einem Nichtgesellschafter einen Vermögensvorteil gewährt? Der BFH meint, nein, das hätten sie nicht.
  • Des Weiteren kann sich für ihn speziell aus einer sonst nicht üblichen Zinshöhe bei der Darlehensgewährung zwischen Ihnen als Kapitalgesellschaft und einem Gesellschafter eine vGA ergeben. So würde ein Darlehen von Ihnen als Kapitalgesellschaft an Ihren Gesellschafter zu einem unangemessen niedrigen Zins oder eine fehlende Verzinsungsabrede die Mehrung des Gesellschaftsvermögens verhindern.
  • Andersherum würde es eine Vermögensminderung der Gesellschaft bedeuten, wenn Sie als Kapitalgesellschaft dem Gesellschafter ein Darlehen zu überhöhten Zinsen gewähren.

Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung der Gesellschaft kann aus der Zinshöhe stammen. Ergibt sich dann eine vGA nicht bereits aus einem formellen Fremdvergleich, kommt es maßgeblich auf die Fremdüblichkeit der Zinshöhe und damit auf einen materiellen Fremdvergleich an. Will heißen: Sind die Darlehensvereinbarungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, nimmt man eine vGA je nach Höhe der Differenz zu einem fremdüblichen Zinssatz an. Bei Prüfung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gilt bei alleinigen oder beherrschenden Gesellschaftern der formelle Fremdvergleich. Danach kann bei der Begünstigung eines solchen Gesellschafters eine vGA anzunehmen sein, wenn Sie als Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringen, für die es an einer Vereinbarung fehlt (etwa BFH, Urteil vom 17.01.2018, Az.: I R 74/15). Diese Vereinbarung muss sein:

  • klar,
  • zuvor getroffen,
  • zivilrechtlich wirksam und
  • tatsächlich durchgeführt.

Allein aufgrund des Fehlens dieser Vereinbarung führt dann eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bereits zu einer vGA. Der BFH hat sein Verständnis der Fremdüblichkeit in einem Urteil von 2021 formuliert (BFH, Urteil vom 18.05.2021, Az.: I R 62/17)

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Worum ging es in dem Streitfall?

Um eine GmbH, die zur Finanzierung eines Unternehmenskaufs drei verschiedene Darlehen aufnahm, und zwar:

  • ein Gesellschafterdarlehen von ihrer Alleingesellschafterin, einer weiteren GmbH, mit acht Prozent jährlich verzinst, unbesichert, nachrangig und bei den Gesellschaftern der weiteren GmbH unter identischen Konditionen refinanziert,
  • ein Bankdarlehen, mit durchschnittlich 4,78 Prozent jährlich verzinst, vollumfänglich besichert und vorrangig, wobei als Sicherungsgeberin u.a. die weitere GmbH fungierte,
  • ein Verkäuferdarlehen, mit zehn Prozent jährlich verzinst, unbesichert und nachrangig.

Das Finanzamt hielt die vereinbarten Zinsen des Gesellschafterdarlehens für überhöht. Es hielt stattdessen einen Zinssatz von fünf Prozent für fremdüblich und in Anlehnung an das Bankdarlehen angemessen. In Höhe der Differenz nahm das Finanzamt eine vGA an. Dagegen klagte die GmbH. Die Sache gelangte vor den BFH.

Was sagte der BFH?

Er lehnte die Ermittlung des marktüblichen Zinssatzes für das Gesellschafterdarlehen durch eine bloße Anlehnung an das Bankdarlehen ab. Stattdessen zog er die Grundsätze der aktuellen Rechtsprechung für die Beurteilung der Fremdüblichkeit der Zinshöhe heran und entwickelte dazu neue Kriterien. Danach sei der fremdübliche Zinssatz durch einen Vergleich mit Bankdarlehen oder mit den am Kreditmarkt üblichen Konditionen zu ermitteln. Berücksichtigt werden sollten dabei jeweils Risikozuschläge oder -abschläge für die Besicherung und für den Rang des Darlehens.

Da die Vorinstanz dies in ihrer Entscheidung nicht geprüft hatte, wiesen die Münchener Richter die Sache noch mal an diese zurück. Im Entscheidungsfall hat der Hof der Vorinstanz gewissermaßen eine Handlungsanleitung mit auf den Weg gegeben und mit neuen Kriterien aufgezeigt, wie der Fremdvergleich konkret durchzuführen ist.

Sieht der BFH eine vGA als gegeben an, selbst wenn der Preis stimmt?

Nein, nur wenn er nicht stimmt. Eine vGA wäre für ihn nur gegeben, wenn der Preis oder der Zins für die Kapitalüberlassung das Maß des Fremdüblichen über- bzw. unterschritten hätte. Für die dafür regelmäßig erforderliche Schätzung könne das Finanzgericht zwar die im Einzelfall geeignetste Methode wählen. Die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise sei aber die Preisvergleichsmethode, weil sie unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führe (BFH, Urteil von 2021).

Wann hält der BFH die Preisvergleichsmethode für anwendbar?

Wenn:

  • zum einen der zu beurteilende Preis und
  • zum anderen der als Maßstab dienende Vergleichspreis auf zumindest wesentlich identischen Leistungsbeziehungen beruhen.

Daher sei kein oder nur ein eingeschränkter Preisvergleich unter besonderen Umständen eines verbundenen Unternehmens möglich. Diese besonderen Umstände müssten im Verhältnis zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen zu einer abweichenden Preisgestaltung führen. In einem solchen Fall könnten tatsächlich vorhandene Vereinbarungen mit oder zwischen dritten Unternehmen allenfalls dann auf die konkret zu beurteilende Leistungsbeziehung nach entsprechenden Anpassungen übertragen werden.

Welche Vergleiche wären möglich?

  • interner Preisvergleich: man vergleicht das Gesellschafterdarlehen mit einem tatsächlich gewährten Bankdarlehen verglichen, insbesondere die Nachrangigkeit und die Unbesichertheit des Gesellschafterdarlehens. Auch das hingegebene Verkäuferdarlehen (also das mit zehn Prozent jährlich verzinste Darlehen wäre im Rahmen eines Preisvergleichs bei der gebotenen Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zwingend einzubeziehen.
  • externen Preisvergleich: existiert ein Markt für nachrangige Kredite? Bestünde ein solcher, gäbe dieser den zutreffenden Maßstab für einen etwaigen her. Insoweit sei es möglich, dass fremde Dritte auf diesem Markt gegen Zahlung eines höheren Preises – also der Vereinbarung eines Zinszuschlags zur Kompensation eines höheren Ausfallrisikos – unbesicherte Nachrangdarlehen gewähren. Weitere Folge daraus sei, dass solche Darlehen im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern anzuerkennen wären. Handele es sich bei den fremden Dritten nicht um herkömmliche Banken, sei auf das gedachte Verhalten der Dritten abzustellen und nicht auf eine Banküblichkeit.

Ist für den BFH die Konzernstruktur für den Preisvergleich von Bedeutung?

Ja, er stellte diese Frage auch. Die Vertragsparteien seien schließlich in einer Konzernstruktur verbunden und hätten damit Rückhalt im Konzern. Die Darlehensgeberin als Alleingesellschafterin könne Einfluss auf das Verhalten der Kapitalgesellschaft als Darlehensnehmerin nehmen. Laut seinem Urteil von 2021 liegt in einem Konzernrückhalt keine werthaltige Besicherung des Rückzahlungsanspruchs. Zumindest gilt das in einem passiven Konzernrückhalt, der also nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen verfestigt ist. Umgekehrt heißt das, dass bei rechtlich bindenden Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen eine Besicherung gegeben ist, die sich auf die Höhe des fremdüblichen Zinses auswirken würde.

Ist im Entscheidungsfall der Darlehensvertrag dem Grunde nach steuerrechtlich anzuerkennen?

Ja, aber nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen schließe die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus wie etwa einzelne Abreden zu

  • Verzinsung,
  • Sicherheitengestellung oder
  • Fälligkeit der Zinszahlungen.

Hat der Bankkredit aus Sicht des BFH Bedeutung?

Nein. Bei der Überprüfung der Zinshöhe eines unbesicherten und nachrangigen Gesellschafterdarlehens könne ein mit Banken vereinbarter Zinssatz nicht als Maßstab herangezogen werden, wenn die Bankkredite besichert und vorrangig zu bedienen seien. Es widerspräche den allgemeinen Erfahrungssätzen, dass ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen zum gleichen „Preis“ gewähren würde.

Wie relevant ist für den BFH die gesetzliche Nachrangigkeit nach Insolvenzordnung?

Nicht relevant. Die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzordnung (InsO) spiele für den Fremdvergleich keine Rolle. Trotz Nachrangigkeit sei ein Risikozuschlag zulässig, da der Darlehensgeber freiwillig den Vorrang eines anderen Drittgläubigers akzeptiere.

.. und wie Bonität?

Ebenfalls nicht relevant. Ob das Vermögen der Kapitalgesellschaft infolge ausreichender Substanz dem Gesellschafter als Kreditgeber eine hinreichende Sicherheit für die Rückzahlung biete, sei unerheblich. Der fremde Dritte stelle vor allem auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft ab. Da diese Entwicklung nur prognostiziert werden könne, sei es naheliegend, dass der Dritte bei fehlenden Sicherheiten und Nachrangigkeit des Darlehens einen höheren Preis für das Darlehen fordern würde als ein abgesicherter Gläubiger.

Wer entscheidet, was fremdüblich ist und was nicht?

Grundsätzlich das Finanzamt. Es trägt laut BFH die Feststellungslast für die fehlende Fremdüblichkeit des vereinbarten Zinssatzes. Im Zweifel liegt also eher keine vGA vor. Zwar ist noch offen, ob die Finanzverwaltung die BFH-Entscheidung allgemein anerkennt. Aber es steht bereits fest, dass die Finanzämter für ihre bisherige Argumentation bei Betriebsprüfungen keine Grundlage mehr haben.

Was bedeutet das für Ihre Praxis als Kapitalgesellschaft?

Ob ein von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährtes Darlehen mit einem fremdüblichen Zinssatz verzinst wird, prüfen Sie nach der BFH-Entscheidung insbesondere anhand der folgenden Kriterien:

  • Preisvergleich mit anderen Leistungsbeziehungen wie etwa Bankdarlehen unter Einbeziehung von Preisanpassungen
  • Fragen der Nachrangigkeit und der Besicherung als wichtige Vergleichskriterien
  • Kreditmarkt als heranzuziehender Vergleichsmaßstab
Autor*in: Franz Höllriegel