16.08.2023

Überlegungen zur Inflationsausgleichsprämie

Allen Beschönigungen zum Trotz: die Inflation hält Deutschland nach wie vor fest im Griff. Der Gesetzgeber versucht gegenzusteuern. Nach dem Modell der Corona-Prämien gibt er Ihnen als Arbeitgeber die Möglichkeit, steuer- und abgabenfrei Ihrem Arbeitnehmer einen Ausgleich zu zahlen.

Inflationsausgleichsprämie

Inwiefern hält die Inflation das Land im Griff? 

Insofern, als  

  • sie, wie der Bayerische Rundfunk unter Berufung auf eine erste Schätzung des Statistischen Bundesamt berichtet, im Juli 2023 wohl 6,2 Prozent betragen wird, nach 6,4 Prozent im Juni.  
  • Verbraucher das demnach an der Supermarktkasse hätten bemerken können. Die Preise für Nahrungsmittel seien überdurchschnittlich gestiegen, und zwar um elf Prozent im Vorjahresvergleich.  
  • die Europäische Zentralbank (EZB) die „hartnäckig hohe Inflation“ als Begründung für ihren mittlerweile neunten Zinsschritt am 27. Juli 2023 in Folge heranziehe.  
  • die Statistik einen Tag später erste Daten geliefert habe, wonach die Inflation kaum zurückgehe. Die Jahresrate sei allein in Bayern von Juni auf Juli um zwei Zehntel auf 6,2 Prozent zurück gefallen. 
  • im Euroraum die Inflation ebenfalls hoch bleibe und aus Sicht des Bundesbank-Präsidenten Joachim Nagel nicht eingedämmt sei. Die Kerninflation unter anderem ohne die schwankungsreichen Preise für Energie und Lebensmittel sei hartnäckig. Deshalb müsse die Geldpolitik noch hartnäckiger sein.  

Worin bestand das Modell der Corona-Prämien? 

  • In der Corona-Prämie nach § 3 Nr. 11a Einkommensteuergesetz (EStG):  Steuerfrei sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 auf Grund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis höchstens 1.500 Euro; 
  • dem Corona-Pflegebonus nach der dortigen Nr. 11b: vom 18. November 2021 bis zum 31. Dezember 2022 für Zahlungen des Arbeitgebers zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise gewährte Leistungen bis höchstens 4.500 Euro, allerdings nicht an alle Arbeitnehmer, sondern nur an solche, die in Einrichtungen der Pflege tätig waren. Welche genau, richtete sich nach dem Infektionsschutzgesetz und dem Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor Covid-19, egal ob sie festangestellt tätig waren oder im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung, eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt waren, auch wenn der Arbeitgeber seine Leistungen bis zum 31. Mai 2023 gewährt hat. 

Wie sieht die Ausgleichzahlung für Inflation aus? 

Sie hat der Gesetzgeber 2022 in Nr. 11c der genannten EStG-Passage als Inflationsausgleichsprämie (IAP) eingeführt. Sie ist Teil des dritten Entlastungspakets vom 3. September 2022. Zusammen ergeben die drei Entlastungspakete ein Gesamtvolumen von 95 Milliarden Euro. Weitere Maßnahmen betreffen:  

  • den Arbeitnehmerpauschbetrag bei der Einkommensteuer von 1.200 Euro, bis zu welchem Beschäftigte Werbungskosten bei der Einkommensteuererklärung ohne Belege pauschal geltend machen können.  
  • die Anhebung der Fernpendlerpauschale für Fernpendler ab dem 21. Kilometer bis 2026 von 35 auf 38 Cent. Über die Mobilitätsprämie wird die Entlastung auch auf Geringverdiener übertragen.  

„Der Bund ist bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien“, so Punkt 10 des Beschlusses. Der Gesetzgeber will damit die Bürgerinnen und Bürger um 65 Milliarden Euro entlasten. Laut Kanzler Scholz geht es darum, das Land gut durch diese Zeit zu führen – durch kurzfristige Hilfen, strukturelle Veränderungen, um den Anstieg der Energiepreise zu dämpfen, und die Abschöpfung von Zufallsgewinnen am Strommarkt.  

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Es handelt sich dabei um eine Prämie von höchstens 3.000 Euro pro Arbeitnehmer, die Sie als Arbeitgeber steuer- und sozialversicherungsfrei an Ihren Arbeitnehmer seit 26.10.2022 noch bis 31.12.2024 auszahlen können. Über den Höchstbetrag hinausgehende Beträge sind steuer- und sozialversicherungspflichtiger Lohn – und ab 2025 sowieso alle. 

Was bedeutet zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn? 

Das ist die wichtigste Voraussetzung. Ihr Arbeitnehmer kann beispielsweise nicht auf fest vereinbarte Lohnbestandteile verzichten und dafür die IAP erhalten. Die IAP zahlen Sie als Arbeitgeber Ihrem Mitarbeiter zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn aus. Entscheidend ist, dass Ihr Arbeitnehmer auf die bisherige Prämie keinen vertraglichen oder anderweitig rechtlich durchsetzbaren Anspruch hat z.B. aus einer betrieblichen Übung. 

Was bedeutet betriebliche Übung? 

Sie begründet Ansprüche Ihres Arbeitnehmers gegenüber Ihnen als seinem Arbeitgeber. Sie entsteht, wenn Sie eine bestimmte Verhaltensweise regelmäßig wiederholen z.B. als freiwilliges Weihnachtsgeld, aus welcher Ihr Arbeitnehmer schließen kann, diese Leistung oder Vergünstigung wollten Sie auf Dauer gewähren. Freiwillige normale sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtige Prämien, freiwillige Weihnachts- oder Urlaubsgelder usw. können Sie gegen die IAP tauschen. 

Gibt es Beschränkungen für die IAP? 

Sie zahlen Sie nur, wenn Sie als Arbeitgeber über entsprechende Liquidität verfügen; denn anders als z.B. bei der Energiepauschale von 300 Euro, steht Ihnen als Arbeitgeber keine Refinanzierungsquelle zur Verfügung. Sie leiten also kein Geld des Staates an Ihren Arbeitnehmer weiter, sondern zahlen aus Ihrer eigenen Tasche. Einzig der Betriebsausgabenabzug steht Ihnen dann zu und damit eine Steuerersparnis in Höhe Ihres Steuersatzes, mit dem Sie Gewinne versteuern. Mindestens die Hälfte der IAP zahlen Sie als Arbeitgeber also selbst. 

Können Sie die IAP zahlen ohne Einbußen bei Ihrer Liquidität? 

Ja, mit Hilfe einer Gehaltsverschiebung. Um Liquidität zu bezahlten und trotzdem die IAP zu zahlen, gleichzeitig kompensierende, andere Ausgaben zu vermeiden, können Sie als Arbeitgeber folgende Strategie nutzen. Wenn in Ihrem Unternehmen wie in vielen Unternehmen anderen gerade die Löhne steigen und dies tariflich nicht als Lohnerhöhung vorgegeben ist, was einen rechtlichen Anspruch Ihres Arbeitnehmers begründen würde, können Sie als Arbeitgeber eine freiwillige, aber beabsichtigte Lohnerhöhung erst einmal verschieben und die IAP für regelmäßige Zahlungen nutzen. 

Es lässt sich vielleicht am besten an folgendem Beispiel zeigen, was gemeint ist: Sie als Arbeitgeber planen für Ihre beiden Arbeitnehmer ab Mai 2023 eine Lohnerhöhung von monatlich 100 Euro brutto. Bei diesen würden nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern etwa 60 Euro netto ankommen. Sie als Arbeitgeber würden zusätzlich zum Bruttolohn noch Ihre Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen zahlen; sagen wir zur Vereinfachung, Ihr Arbeitgeberaufwand läge deshalb bei 125 Euro monatlich. Nun haben Sie als Arbeitgeber von dem IAP erfahren. Sie verschieben diese freiwillige Lohnerhöhung. Stattdessen zahlen Sie Ihrem Arbeitnehmer monatlich 60 Euro IAP. Ergebnis: Er hat das gleiche Netto wie bei einer Lohnerhöhung um 100 Euro brutto zur Verfügung. Sie als sein Arbeitgeber haben statt einer Bruttobelastung von 125 Euro für eine 100 Euro Bruttogehaltserhöhung stattdessen nur eine Bruttobelastung von 60 Euro Aufwand.   

Die IAP – für Sie als Arbeitgeber eine Rundum-sorglos-Maßnahme also? 

Vielleicht nicht ganz. Dr. Stefan Middendorf, Partner bei der Sozietät KPMG Law, sieht arbeitsrechtlichen Fallstricke. Wenn Sie die nicht beachten, könne die Prämie Sie am Ende deutlich mehr Geld kosten als ursprünglich gedacht. Der Haken liegt ihm zufolge in Ihrer Möglichkeit, die 3.000 Euro weder voll auszuschöpfen noch in einer Summe zu zahlen. Eine Aufteilung in beliebig viele Teilbeträge ist möglich. Zahlen Sie aber die Teilbeträge regelmäßig, z.B. monatlich aus, könne leicht eine betriebliche Übung entstehen. Die Folge wäre, dass Ihre Arbeitnehmer die Prämie weiterhin verlangen können – allerdings dann nicht mehr steuerfrei, wenn der Zeitraum abgelaufen oder der Höchstbetrag überschritten ist. Vermeiden könnten Sie das mit einem begleitenden Hinweis auf die Einmaligkeit bzw. das bevorstehende Ende der Zahlung. 

Können Sie als Arbeitgeber die IAP nur einzelnen Mitarbeitern gewähren?  

Middendorf hält das grundsätzlich für möglich; allerdings müssten Sie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz im Blick behalten. Tun Sie das nicht, könnten nichtbedachte Arbeitnehmer die Prämie einklagen. Begünstigen Sie nur bestimmte Mitarbeitergruppen, benötigten Sie als Arbeitgeber einen sachlichen Differenzierungsgrund. Als einen Grund nennt der Rechtsanwalt, nur solche Gehaltsgruppen, Abteilungen oder Standorte zu begünstigen, in denen die Mitarbeiter besonders von der Inflation betroffen sind. Rechtswidrig wäre es hingegen, Teilzeitkräfte oder geringfügig Beschäftigte ganz von den Zahlungen auszunehmen. Zahlungen anteilig im Verhältnis zur Arbeitszeit hält Middendorf hingegen ebenso für zulässig wie eine unterschiedslose Auszahlung an alle Arbeitnehmer. Ähnliches gelte für befristet Beschäftigte. 

Können Sie als Arbeitgeber nur besonders leistungsstarke oder treue Mitarbeiter begünstigen?  

Damit sollten Sie vorsichtig sein. Zweck der Inflationsausgleichsprämie ist ja die Linderung der Folgen der Inflation. Zwar dürfen Sie als Arbeitgeber laut Bundesfinanzministerium weitere Ziele damit verfolgen, wie etwa:  

  • Betriebstreue belohnen  
  • Anreiz für Leistung.  

Einen Betriebsprüfung könne das anders sehen. Sobald solche Ziele zu sehr in den Vordergrund rücken, ist die Steuerfreiheit gefährdet und Ihnen als Arbeitgeber drohen erhebliche Nachforderungen. Wollen Sie die Prämie daran knüpfen, dass das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt ungekündigt ist, könnte das Finanzamt Sie als steuer- und beitragspflichtige Gratifikation werten. 

Können Sie Zahlungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nachträglich in ein IAP umwandeln? 

Nein, das habe das Bundesfinanzministerium klargestellt. Ihnen als Arbeitgeber empfiehlt Middendorf daher nicht auf die Idee zu kommen, etwa das jährlich gezahlte Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder die Tantieme zu streichen und stattdessen zur Inflationsausgleichsprämie zu greifen. Nicht verboten sei hingegen, für die Prämie einen eigenen Rechtsanspruch zu schaffen. So könne die Inflationsausgleichsprämie zum Beispiel als Verhandlungsmasse in Tarifauseinandersetzungen eingebracht werden oder Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein, vorausgesetzt, das Budget für die Prämie war vorher nicht schon anderweitig verplant. 

Was geschieht mit einer zugesagten Prämie, wenn Ihr Arbeitnehmer vor Zahltermin kündigt? 

Das sei nicht abschließend geklärt. Daran schließen sich weitere Fragen an: 

  • Dürfen Sie als Arbeitgeber die Zahlung an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses knüpfen?  
  • Können Sie die Prämie anteilig kürzen?  

Die Inflationsausgleichsprämie habe keinen Entgeltcharakter, sondern werde zusätzlich zum geschuldeten Gehalt gezahlt, nicht als dessen Bestandteil. Ebenso wenig könnte aber aus dem gleichen Grund Ihr Arbeitnehmer, wenn er vor dem Zahlungstermin ausscheidet, die Prämie für sich reklamieren, und zwar auch nicht zeitanteilig. 

Autor*in: Franz Höllriegel