07.09.2016

Steuerzins: Bund der Steuerzahler führt Musterprozess

Null Zinsen auf alles – das gilt seit März bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Dafür Parkgebühren auf alles. Die Banken ziehen nach. Immer mehr erheben Negativzinsen, bisweilen verschleiert als Gebührenerhöhungen für Kontoführung u.ä. Stichwort Steuerzins: Nur das Finanzamt hat den Pfiff offenbar nicht gehört.

Bund der Steuerzahler führt Musterprozess

Unternehmen zahlen zu hohen Steuerzins

Berlin, 7. September 2016 – Stellen Sie sich einmal vor: statt vom Finanzamt sechs Prozent Zinsen pro Jahr aufgedrückt zu bekommen, werden Ihnen von ihm auch noch welche auf Ihre Steuerschuld gutgeschrieben. Zu schön, um wahr zu sein.

Aber wenigstens eine Anpassung seiner Zinsen könnte man schon erwarten. Andere müssen das auch.

Finanzamt schläft – und Steuerzahler soll zahlen

Das fand zumindest ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen. Es gab für 2010 pünktlich seine Steuererklärung ab. Das Finanzamt benötigte für die Bearbeitung der Steuererklärung 2011 mehr als zehn Monate. Mit dem Ergebnis: es setzte neben den Steuern auch Zinsen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr fest.

Noch schlimmer war es im Folgejahr. Für 2011 fielen deutlich mehr Zinsen an. Hier setzte das Amt die endgültige Steuer erst im Januar 2016 fest. Das Paar will das nicht hinnehmen. In beiden Fällen hatte es die lange Bearbeitungszeit nicht verschuldet – es klagte gegen die Steuerbescheide für 2010 und 2011 beim Finanzgericht Münster. Gegen die Zinsfestsetzungen legten die Kläger Einspruch ein – und bekommen jetzt Unterstützung vom Bund der Steuerzahler (BdSt).

Klageverfahren für aktuellen Zinszeitraum

Der BdSt fördert die Klage als Musterverfahren. Damit will er prüfen lassen, ob der Zinssatz, der Steuerzins, noch zeitgemäß ist. Erstmals ist damit ein Klageverfahren für einen aktuellen Zinszeitraum anhängig.

„Während die Sparer unter niedrigen Zinsen leiden, bekommt das Finanzamt eine Top-Rendite“, kritisiert BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Seit mehr als 50 Jahren liegt der Zinssatz für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen bei 0,5 Prozent pro Monat – also sechs Prozent pro Jahr.

Steuerzins vs. Niedrigzinsphase der EZB

Angesichts der Niedrigzinsphase der EZB kritisiert der BdSt diesen Zinssatz als zu hoch. Der Fiskus müsse sich fragen, warum er bei Steuererstattungen bessere Konditionen anbieten kann als Banken und Sparkassen. Schließlich würden die hohen Erstattungszinsen wieder aus Steuermitteln gezahlt.

Und weiter lässt sich im Umkehrschluss fragen, wieso Steuerzahler für Bearbeitungszeiten noch Zinsen zahlen müssen, zumal sie sie nicht zu verantworten haben.

Unternehmen: Einspruch gegen Bescheid einlegen!

Aus dem Verfahren könnten – vorausgesetzt freilich, es verläuft nach den Erwartungen der Kläger und des BdSt – auch andere Steuerzahler Nutzen ziehen. Schon jetzt sollten sie zu diesem Zweck gegen ihren Bescheid Einspruch einlegen.

Der BdSt rät, damit das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Zur Begründung sollten Unternehmen auf das Musterverfahren beim FG Münster (Az.: 10 K 2472/16 E) und ergänzend auf das einschlägige Verfahren (Az.: I R 77/15) beim Bundesfinanzhof verweisen. Bei einem Erfolg der Klageverfahren erhalten die Einspruchsteller gegebenenfalls später die zu viel gezahlten Zinsen zurück.

Autor*in: Franz Höllriegel