16.11.2022

Pro und Contra einer kleinen AG

Knapp bei Kasse, nicht liquide – und das gerade jetzt, wo die Kunden Ihnen das Büro einrennen. Längerfristig werden Sie als Unternehmen Geld benötigen, um Investitionen zu tätigen. Doch woher nehmen? Eine Antwort wäre eine AG, zumal für Sie als mittleres Unternehmen.

Pro und Contra einer kleinen AG

Warum sollten Sie als Unternehmer eine kleine AG gründen wollen?

Dafür ließe sich eine lange Reihe von Gründen anführen. Der wichtigste in der Praxis besteht sicherlich in der vergleichsweise einfachen Möglichkeit der Eigenkapitalbeschaffung.

AG, das ist doch nur etwas für die Großen …

Das war einmal. Früher galt die Aktiengesellschaft als die klassische Rechtsform für Großunternehmen. Das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Regulierung des Aktienrechts (Kleine-AG-Gesetz) von 1994 hat zur höheren Attraktivität der Aktiengesellschaft als Rechtsform auch für mittelständische Unternehmen wesentlich beigetragen. Der Gesetzgeber hat das Aktienrecht für Aktiengesellschaften mit namentlich bekannten Aktionären um eine Reihe von hinderlichen Formalitäten entrümpelt. Gerade der hohe Verwaltungs- und Kostenaufwand durch die gesetzlich vorgeschriebenen Formalien machte die Aktiengesellschaft früher für mittelständische Unternehmen uninteressant.

.. also doch auch etwas für die Kleinen?

Was abschreckend wirkt ist: Die Unternehmensform der Aktiengesellschaft gilt eben als Oberklasse der Rechtsform für Unternehmen. Die Sozietät Meyer-Köring listet auf:

  • im Rechtsverkehr erweckt sie den Eindruck von Größe und Vertrauen
  • sie trägt so zu einem verbesserten Unternehmensimage bei
  • sie bietet eine Vielzahl von Kapitalmaßnahmen und Instrumenten zur Kapitalbeschaffung
  • Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft können freier operieren als in anderen Rechtsformen
  • Mitsprache- und Informationsrecht der Aktionäre ist bis auf notwendige Minderheitenrechte reduziert.
  • Sie eignet sich in besonderer Weise für
    • Mitarbeiterbeteiligungsmodelle,
    • Aktienoptionen für Führungskräfte („stock options“)
    • leistungsabhängige Gehaltskomponenten mit starker Anreizwirkung.
  • Dies macht sie für kompetente Führungskräfte attraktiver.
  • Externe Fachleute lassen sich zur Unterstützung der Gesellschaft im Aufsichtsrat platzieren.
  • Anteile an einer Aktiengesellschaft sind übertragbar:
    • leicht,
    • formfrei
    • kostenfrei; ein Notar ist nicht erforderlich.
  • Die Aktiengesellschaft bietet nicht zuletzt die Möglichkeit des Ganges an den Kapitalmarkt, die Börse.
  • Steuerliche Vorteile gegenüber den Personengesellschaften durch die Unternehmenssteuerreform 2000 seit 2001, insbesondere für thesaurierte Gewinne und für Anteilseigner mit hohen Einkommen.

Ist der Weg in die Aktiengesellschaft für Sie als mittelständisches Unternehmen gangbar?

Schon, er ist allerdings mit einigen Hindernissen gepflastert. Die Wege in die Aktiengesellschaft können sie nach Bedarf wählen:

  • Entweder in Form einer gewöhnlichen Bargründung gegen Geldeinlage mit einem Mindestkapital von 50.000 Euro.
  • Oder über dem Weg einer Sachgründung, also nicht wie bei der Bargründung mit Geld, sondern einen sonstigen Vermögensgegenstand als Gegenleistung für die von ihnen übernommenen Aktien. Dieser Gegenstand kann auch ein Unternehmen sein.

Daneben stehen verschiedene Gründungsmodelle nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) zur Verfügung. Dabei überführen Sie normalerweise einen Rechtsträger, beispielsweise eine GmbH oder eine Personenhandelsgesellschaft, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsform der Aktiengesellschaft. Bei Beteiligung mehrerer Rechtsträger kann der Weg in die Aktiengesellschaft vertraglich durch eine Verschmelzung und bei einem einzelnen bestehenden Rechtsträger, der seine Identität nicht verlieren soll, durch Ausgliederungs- oder Abspaltungsbeschluss erfolgen, sonst durch Aufspaltungsbeschluss.

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Der Zuschnitt der Aktiengesellschaft und die erleichterten Wege in die Aktiengesellschaft machen diese Rechtsform zumal für Sie als mittelständisches Unternehmen interessant. Meyer-Köring erinnern in diesem Zusammenhang an Mitarbeiterbeteiligungsmodelle; sie waren vor ein paar Jahren noch echte Exotenkonstruktionen. Mittlerweile gehören sie zu den selbstverständlichen Mitteln der Mitarbeiterakquisition. In der Internet-Branche werde, so die Rechtsanwälte der Sozietät, das Recruiting von Fachkräften ohne solche Beteiligungsmodelle und Aktienoptionen kaum noch von Erfolg gekrönt sein. Die Aktiengesellschaft mit ihren Möglichkeiten könne so einen echten Wettbewerbsvorteil bieten. Wer hoch hinaus will an den Kapitalmarkt, der sich durch den Neuen Markt für kleine Unternehmen anbietet, komme an der Rechtsform der Aktiengesellschaft nicht vorbei.

Der Gesetzgeber sah das Problem und steuerte gegen. Um die Aktiengesellschaft für den Mittelstand attraktiver zu machen, speckte er im „Kleine-AG-Gesetz“ die Voraussetzungen für die Gründung einer AG ab zur sogenannten „kleinen“ Aktiengesellschaft. Sie kommt zwar auch nicht für jedes Unternehmen in Betracht, kommt aber der Motivation bestimmter Zielgruppen entgegen.

Welche Motive wären das also?

Einschließlich der Beschaffung von Eigenkapital in den beiden ersten Gruppen lassen sich die gängigsten Motive für die kleine Aktiengesellschaft im Grunde in sechs Gruppen aufteilen:

  • Kapitalbeschaffung an der Börse: für größere Mittelständler, die in die AG wechseln, um mittel- oder längerfristig an die Börse zu gehen oder sich zumindest die Option der Börse zu eröffnen.
  • außerbörsliche Erweiterung des Kreises der Anteilseigner: für Mittelständler ohne eine Börsenabsicht
  • Nutzung für Zwecke einer Familiengesellschaft: Trennung von Management und Geschäftsführung im Hinblick auf:
    • Nachfolgeregelung,
    • Unabhängigkeit der Gesellschaft von familiären Nachfolgeregelungen oder
    • Vorbereitung auf Aufnahme von Fremdmanagement.
  • Bildung von Holdinggesellschaften
  • Tochtergesellschaften: u.a. von großen Unternehmen der Gründung einer GmbH vorgezogen, da vertrauter, obwohl sie bei der GmbH ein weitergehendes Weisungsrecht hätten.
  • Imagegründe: u.a. zur Nutzung des höheres Renommees der Aktiengesellschaft sowohl für die handelnden Personen als auch für das Unternehmen als Ganzes, das den Anschein von Seriosität und Größe als Vorteil im Wettbewerb einsetzen mag. Mit dieser Rechtsform insgesamt verraten Sie als Unternehmen hier, dass Sie hoch hinaus wollen und Sie sich das auch zutrauen.

Was könnte die kleine AG für Ihr mittelständisches oder kleines Unternehmen passend machen?

Zunächst, weil für Ihre kleine AG vereinfachte Regelungen gelten. Der Grund hierfür ist die personalistische Struktur der kleinen Aktiengesellschaft. Zur personalistischen Struktur empfehlen wir Ihnen die Lektüre unseres Beitrages „Was unterscheidet die kleine AG von der großen?“. Aus der Verschiedenartigkeit der Motive für die Gründung einer kleinen AG werden Sie als Unternehmen darüber hinaus die Vor- und Nachteile abwägen wollen, um zu sehen, ob dieses Modell für Ihr Unternehmen das richtige sein könnte.

Wie sähe eine solche Abwägung aus?

Folgendermaßen:

  • Vorteilhaft wäre, dass die Aktiengesellschaft nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet.
  • Nachteilig wäre demgegenüber, dass Sie einen erhöhten organisatorischen Aufwand treiben müssten. Immerhin arbeiten in ihr drei Gremien nebeneinander.
  • Positiv an diesem organisatorischen Aufwand wäre jedoch die gute Kontrollfunktion durch die drei Gremien.
  • Positiv wäre zudem die Unternehmenskontinuität. Das heißt, der Bestand der Aktiengesellschaft ist unabhängig von Mitgliederwechseln gewährleistet. Auch die Übertragung von Geschäftsanteilen ist durch die Aktien leicht möglich.
  • Negativ zu beurteilen wäre allerdings der erhöhte Planungs- und Finanzaufwand bei der Gründung der Aktiengesellschaft von 50.000 Euro und mehr für die notarielle Beurkundung.
  • Positiv dem entgegenstehen könnte hinwiederum die Möglichkeit des Börsengangs, wodurch die Eigenkapitalfinanzierung unabhängig von Krediten bei Banken gesichert wäre.
  • Negativ festzuhalten wäre, dass bei einer Aktiengesellschaft ein geringer Gestaltungsspielraum vorliegt, da der rechtliche Rahmen sehr eng ist.
  • Positiv würde dem die kleine Aktiengesellschaft in Teilen entgegenwirken.

Was wäre unterm Strich summa summarum festzuhalten?

Im Ergebnis dient die kleine Aktiengesellschaft Ihrem Unternehmen als gute Brückenkonstruktion von der GmbH zur Aktiengesellschaft:

  • Sie erleichtern damit den Übergang.
  • Sie können als Unternehmen sich so erst stabilisieren, bevor Sie sich zum Gang zur Börse entschließen.
  • Sie verteilen damit das unternehmerische Risiko auf mehrere Aktionäre verteilt.
  • Sie trennen zudem das Kapital von der Unternehmensleitung.

Leistet eine kleine AG einen Beitrag zur Fachkräftegewinnung?

Sie kann es zumindest. Für High-Potentials steht laut Ralf Hager vom Fachportal für Mittelstand „onpulson“ eine Karriere in Großunternehmen mit bekannten Marken an erster Stelle – ein Berufsweg im Mittelstand ist für sie meist keine Option: Zu wenig Gehalt, ein Firmensitz in der Provinz und zu wenig Sozialprestige lauten die häufigsten Vorurteile.

Doch dies entspricht nicht wirklich der Realität. Der Mittelstand hat weit mehr zu bieten als auf den ersten Blick gedacht. Im Rückgrat der deutschen Wirtschaft befinden sich zahlreiche erfolgreiche und international aufgestellte Hidden Champions – Weltmarktführer in hochspezialisierten Nischen. Mit ihrer Innovationskraft und Wachstumsdynamik bieten sie hochqualifizierten Mitarbeitern Chancen auf eine glänzende Karriere. Im Vergleich zu Konzernen punkten sie mit flachen Hierarchien, einer beständigeren Personalpolitik und einer familiären Arbeits-Atmosphäre.

Gerade für Macher ergeben sich gute Karrierechancen im Mittelstand. Wer etwas bewegen will und Eigeninitiative zeigt, kann Ideen und neue Projekte in den flachen Hierarchien mit kurzen, unbürokratischen Entscheidungswegen meist schneller umsetzen, als in komplexen Konzernstrukturen. Auch die frühe Übernahme von Verantwortung erleichtert den Aufstieg. So erfolgreich die Hidden Champions auf den Weltmärkten sein mögen, so schwer tun sie sich laut Hager mit dem Recruiting neuer Mitarbeiter und Manager. Der Fachkräftemangel zieht sich wie ein Flächenbrand durch fast alle Branchen und erweist sich immer mehr als größte Wachstumsbremse.

Doch Hager sieht den Mittelstand selbst in der Pflicht,

  • neue Wege im Recruiting zu gehen,
  • seine Sichtbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und
  • seine Vorteile für Arbeitnehmer besser ins Licht zu rücken.

Viele mittelständische Unternehmen würden von der neuen Generation der Digital Natives nicht wahrgenommen. Um attraktive Fach- und Führungskräfte zu gewinnen, seien Employer Branding, Social Recruiting und für Nachwuchskräfte ein qualifiziertes Hochschulmarketing unumgänglich. Hier bestehe enormer Nachholbedarf. Employer Branding gezielt zu betreiben ist für jedes zukunftsorientierte Unternehmen ein unverzichtbares Leitthema. Dadurch wird nicht nur die Attraktivität als Arbeitgeber und die Rekrutierungsqualität verbessert. Auch die bestehenden Mitarbeiter fühlen sich so stärker mit dem Unternehmen verbunden. Dies alles sind Themen, bei denen eine Aktiengesellschaft, egal ob groß oder klein, ein besseres Potential zu einer möglichst breiten Aufstellung in Qualität, Quantität oder Image bietet.

Autor*in: Franz Höllriegel