14.11.2022

Auflösung und Liquidation einer kleinen AG

Sommer ade, Scheiden tut weh. Von Sommerklamotten scheiden, dauert nur kurz, von einer kleinen Aktiengesellschaft länger, deren Liquidation mindestens ein Jahr. Dabei gehen Sie in drei Schritten vor. Der Gründe für die Auflösung können viele sein, sind aber meistens gesetzlich geregelt.

Auflösung und Liquidation einer kleinen AG

Welches sind die drei Schritte für die Auflösung einer kleinen AG?

  • Auflösungsbeschluss
  • Liquidation und Abwicklung
  • Erlöschen der kleinen AG

Was liegt dem Auflösungsbeschluss zugrunde?

Die Auflösungsgründe einer kleinen Aktiengesellschaft. Sie finden sich größtenteils in den folgenden Nummern von § 262 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG):

  • 1: der satzungsgemäße Fristablauf. Dafür ist in der Satzung eine bestimmte Dauer der Aktiengesellschaft vereinbart.
  • 2: Beschluss der Hauptversammlung. Die Satzung kann diesbezüglich Erfordernisse über die Beschlussfähigkeit regeln. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von mindestens Dreiviertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals.
  • 3: Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Die Abwicklung richtet sich nach den Regeln der Insolvenzordnung.
  • 4: Beschluss über die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse zur Auflösung der Gesellschaft.
  • 5: Mit Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts zur Feststellung eines Mangels der Satzung nach § 144 a AktG über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ein Mangel in der Satzung bedeutet, dass der Gesellschaftsvertrag wesentliche Punkte nicht geregelt hat oder sonst wie fehlerhaft und somit nichtig ist.
  • 6: Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit durch das Registergericht. In diesem Fall gilt die Aktiengesellschaft direkt als aufgelöst.

Die Auflösung der kleinen AG ist beschlossen. Was nun?

Nun beginnt die Liquidation oder Abwicklung. Die Liquidation führt nicht automatisch zur Beendigung der Gesellschaft. Bei diesem Vorgang werden:

  • die persönlichen und vermögensrechtlichen Bindungen zwischen den Gesellschaftern gelöst,
  • bleibt die Gesellschaft bestehen,
  • der Geschäftsgegenstand ändert sich in „Abwicklung“.

Eine Abwicklung kann nicht erfolgen, wenn:

  • die Gesellschaft in Insolvenz ist
  • oder kein Vermögen mehr hat.

Wer führt die Liquidation durch?

In der Regel die Vorstandsmitglieder als Abwickler (§ 265 Abs. 1 AktG). Sie sorgen primär dafür:

  • laufende Geschäfte zu beenden
  • ausstehende Forderungen einzutreiben
  • das übrige Vermögens in liquide Mittel umzusetzen
  • die Gläubiger zu befriedigen.

Ziel der Abwickler ist es, das bestmögliche Verwertungsergebnis für die Aktionäre zu erreichen. Der Grundsatz des Gläubigerschutzes ist im Aktiengesetz (§ 272 AktG) verankert. Bevor die Abwickler das Vermögen auf die Gesellschafter verteilen dürfen, stellen sie sicher, dass alle Ansprüche von Gläubigern erfüllt sind. Zu diesem Zweck veröffentlichen sie in den Gesellschaftsblättern dreimal einen Aufruf, Ansprüche anzumelden. Nach der dritten Veröffentlichung beginnt das Sperrjahr. In diesem machen die Gläubiger ihre Ansprüche geltend.

Wann erhalten die Aktionäre Ihr Geld?

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Wenn alle Gläubigeransprüche befriedigt sind, verteilen die Abwickler es aus dem restlichen Vermögen auf die Aktionäre. Während der Liquidationszeit der Gesellschaft muss dies für den Rechtsverkehr und für Dritte erkennbar sein (§ 268 Abs. 4 AktG). Dies wird üblicherweise durch den Zusatz „i.L.“ für „in Liquidation“ zum Ausdruck gebracht.

Erlöscht damit die kleine AG?

Voraussetzung dafür ist.

  • die Liquidation ist beendet
  • eine Schlussrechnung ist vollzogen
  • die Auflösung der Aktiengesellschaft ist abschließend in das Handelsregister eingetragen. Je nach Auflösungsgrund veranlasst dies das Registergericht oder die Gesellschaft ist selbst verpflichtet, dies eintragen zu lassen.

Mit Erlöschen der Gesellschaft besteht eine Aufbewahrungspflicht der Gesellschaft (§ 273 Abs. 2 AktG). Bücher und Schriften sind dabei an einem vom Gericht bestimmten Ort zur sicheren Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen.

Ist die Liquidation einer kleinen AG immer unausweichlich, wenn es der Firma schlecht geht?

Im Falle, dass es mit Ihrer kleinen AG nicht so recht bergauf gehen will, ist die Löschung nicht alternativlos. Nehmen Sie folgendes Gleichnis: Jetzt in dieser Zeit der Apfelernte trägt unser Baum sehr gut. Viele Äpfel sind makellos, anderen vollkommen verdorben und manche aber nur halb. Da lohnt es sich, die faulen Teile wegzuschneiden und die guten restlichen zu genießen. So auch bei einer kleinen AG. Hier lohnt es sich vielleicht, über eine Abspaltung nicht lebensfähiger Teile nachzudenken. Oft bietet es sich sogar an, den Betrieb zu spalten, allein der Verringerung von Haftung wegen. Sie können Ihren Betrieb auf vielfältige Weise aufspalten. Mit Chancen, aber auch Risiken. Wenn Sie sich diesem Gedanken nähern wollen, empfehlen wir Ihnen die Lektüre unseres Beitrages „Wann bietet sich eine Betriebsaufspaltung an?“.

Und: liegt es an der Steuerlast, dass Ihre AG ins Schlingern gerät, lohnt es sich für Sie möglicherweise, bevor Sie gleich die ganze Firma liquidieren, einen Gedanken an Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung zu verschwenden. Gerade bei Betriebsaufgabe kann das aber nicht ganz unkritisch sein

Eine disquotale, also von einer Quote abweichende Gewinnausschüttung ist gegeben, wenn Sie als Gesellschafter Ihrer GmbH sich auf eine Gewinnausschüttung einigen, die von den Beteiligungsverhältnissen abweicht. Das muss nicht unrechtmäßig sein, kann es aber, wenn Sie als kleine AG bei der Liquidation nicht aufpassen.

Was, wenn ein Aktionär gegen die Auflösung der kleinen AG ist?

Dann kann sich die Frage nach einer Verpflichtung des einzelnen Aktionärs stellen, der Auflösung einer Gesellschaft zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist. Dazu hat das Oberlandesgericht Köln 2021 eine Entscheidung gefällt (OLG Köln, Urteil vom 06.05.2021 – 18 U 133/20).

Stellt sich die Lage einer Gesellschaft in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bei Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte bei einer Verzögerung der Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden, kann sich demnach wegen der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte die Stimmrechtsausübung durch einen ablehnenden Aktionär als rechtsmissbräuchlich erweisen.

Worum ging es in dem Verfahren?

Die Parteien stritten über die Frage, ob ein in der Hauptversammlung vom 3. September 2019 gefasster Beschluss über die Auflösung der Beklagten wirksam und rechtmäßig sei. Die Klägerin ist eine von insgesamt drei Aktionären der Beklagten. Deren Grundkapital von 75.000 Euro ist in 75.000 Stückaktien zu einem Nennwert von jeweils einem Euro eingeteilt. Der satzungsgemäße Unternehmensgegenstand ist die Beratung von „Banken und Grundpfandrechtsgläubigern bei der Umsetzung und Sanierung von Krediten“. Die Aktionäre halten jeweils 25.000 Aktien.

Die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten am 3. September 2019 beschloss in Anwesenheit aller Aktionäre mit den Stimmen der beiden Aktionäre A und der B GmbH die Liquidation der Gesellschaft zum Ende des Monats. Das Geschäftsjahr während der Abwicklung sollte das Kalenderjahr sein, das erste Abwicklungs-Geschäftsjahr ein Rumpfgeschäftsjahr bis Jahresende. Der Beschluss über die Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft vom 30.8.2016 und die Durchführung dieser Kapitalerhöhung blieben unberührt. Diese sei jedoch einzustellen, wenn sie nicht spätestens am 30.11.2020 im Handelsregister eingetragen wäre. Im Anschluss an die Abstimmung stellte der Versammlungsleiter trotz Ablehnung der Klägerin den Beschluss als angenommen fest. Er führte zur Begründung aus, er habe die Gegenstimmen der Klägerin als treuwidrig bewertet und daher bei der Stimmauszählung nicht berücksichtigt. Die Klägerin widersprach dem Beschluss zur Versammlungsniederschrift. Sie nahm wegen des Verfehlens der erforderlichen qualifizierten Mehrheit einen Verstoß gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG an. Sie forderte in ihrer Klage vor dem Landgericht Düsseldorf (Az. 82 O 6/20), den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zur Auflösung der Beklagten zum Ende September 2019, für nichtig zu erklären.

Wie sahen die Gerichte die Sache?

Landgericht und Oberlandesgericht schlossen sich dieser Forderung nicht an. Das OLG bewertete den Beschluss als nicht nichtig und auch nicht anfechtbar. Gegen diese seiner Ansicht nach zutreffende rechtliche Bewertung des Landgerichts habe die Berufung nichts vorgebracht. Zwar ist für die Berufung wie für das OLG das Landgericht Düsseldorf nicht zuständig gewesen. Die materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG sei aber gewahrt. Der Umstand, dass die Klägerin die Klage innerhalb der Monatsfrist beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht habe, stehe dem nicht entgegen und stelle sich insbesondere nicht als rechtsmissbräuchlich dar.

Für das OLG stellt sich die Ablehnung der zur Abstimmung gestellten Auflösung der Beklagten durch die Klägerin als treuwidrig dar. Deshalb sei sie bei der Feststellung des Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen gewesen. Die dieser Annahme zugrunde liegenden Tatsachen habe das Landgericht als unstreitig festgestellt, weshalb der Senat an diese gebunden ist und sie bei seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Nr. 1 ZPO).

War die Situation der AG aussichtslos?

So ziemlich. Nach Auffassung des OLG war nach den weiter gehenden – jedoch von der Berufung unkommentiert gebliebenen – Feststellungen des Landgerichts die Fortführungs- und Ertragsprognose der Beklagten negativ. Noch vorhandene Vermögenswerte wären unweigerlich abgeschmolzen. Die Auftragslage der Beklagten sei seit 2012 stark rückläufig gewesen. Trotz entsprechenden Bemühungen habe sie in ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld seit mehreren Jahren keine Neugeschäfte mehr generieren können. Deshalb habe sie ihren Betrieb faktisch eingestellt.

Mit welcher Folge für die Aktien des Unternehmens?

Mit der Folge, dass der Wert der Aktien nachhaltig negativ sei und ein Markt, auf dem die Aktionäre ihr Desinvestitionsinteresse realisieren könnten, nicht existiere. Entgegnungen der Klägerin darauf änderten nichts an dem tatsächlich zu verzeichnenden Umsatzrückgang. Auch der damit verbundene Hinweis darauf, die Beklagte habe auf dem einträglichen Geschäftsfeld des „Asset-Management“ Leistungen für Privatpersonen erbringen können und müssen, verfingen beim OLG nicht. Diese Leistungen erfasse der satzungsmäßige Gegenstand nicht. Deshalb bedürften sie einer Satzungsänderung, die von der Aktionärsmehrheit nicht gewollt sei und auf die die Klägerin keinen Anspruch habe.

Autor*in: Franz Höllriegel