28.06.2023

Mit der richtigen Strategie vor das Arbeitsgericht ziehen

Problem mit einem Arbeitnehmer? Nicht jedes lösen Sie einvernehmlich. Oft heißt es dann zum Abschied: man sieht sich – vor Gericht. Dort – wie auf See – sind Sie als Arbeitgeber in Gottes Hand. Ihr einstiger Mitarbeiter aber auch. Eine gute Strategie hilft zuweilen, Gott auf Ihre Seite zu ziehen.

Strategie Arbeitsgericht

Wie läuft ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht ab?

Die überwiegende Zahl arbeitsgerichtlicher Verfahren wird durch die Arbeitnehmerseite eingeleitet. In der Regel schalten die Gerichte eine Güteverhandlung dem eigentlichen Verfahren voraus. Gerichtsverfahren vor den normalen Zivilgerichten dauern da schon mal mehrere Monate. Das wäre mit Ihrem normalen Arbeitsalltag aber nicht vereinbar. In Arbeitsgerichtsverfahren soll die Güteverhandlung schnell und ohne großen formellen Aufwand zu einer Einigung führen. Insbesondere beim Streit über Kündigungen soll für beide Seiten möglichst schnell Klarheit darüber bestehen, wie es weiter geht. Aus diesem Grund wird das Arbeitsgericht den Termin für die Güteverhandlung sofort nach Eingang der Klage bestimmen.

Die Güteverhandlung findet vor dem Vorsitzenden, einem Berufsrichter, statt. Ehrenamtliche Richter werden erst beteiligt, wenn die Güteverhandlung erfolglos verläuft und in der nächsten Stufe ein Kammertermin erforderlich wird.

Bereiten Sie als Arbeitgeber eine schriftliche Stellungnahme für die Güteverhandlung vor?

Nicht unbedingt. Es besteht für Sie als beklagten Arbeitgeber keine gesetzliche Verpflichtung, zur Vorbereitung der Güteverhandlung schriftlich zur Klage Stellung zu beziehen. Manche Arbeitsgerichte fordern die Beklagtenseite zugleich mit der Zustellung der Klage und der Bestimmung des Gütetermins auf, unverzüglich oder innerhalb einer bestimmten Frist zur Klage Stellung zu nehmen. Diese Aufforderung brauchen Sie als beklagter Arbeitgeber jedoch nicht zwingend zu befolgen. Ihnen dürfen als solchem hierdurch keine Nachteile entstehen.

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Dennoch sollten Sie als beklagter Arbeitgeber den Termin gut vorbereiten. Die Verhandlung soll ja zu einer gütlichen Einigung zwischen Ihnen und Ihrem klagenden Arbeitnehmer führen. Zu diesem Zweck befragt der Vorsitzende Sie beide zu den Hintergründen der Klage. Sie fordert er auf, die Sach- und Rechtslage in den wesentlichen Punkten zu schildern. Daran schließt sich die Debatte darüber an, ob eine gütliche Einigung möglich wäre und Sie den Rechtsstreit also mit dem Abschluss eines Vergleiches beenden könnten.

Sollten Sie die Vorbereitung dem Anwalt überlassen?

Nein, Sie sind der Herr des Verfahrens auf Ihrer Seite. Niemand kann für Sie letztlich die Verantwortung für Ihr Vorgehen übernehmen. Egal, ob Sie den Termin mit oder ohne Anwalt wahrnehmen wollen, sollten Sie in jedem Fall eine genaue Vorstellung davon haben, welches Ergebnis Sie als beklagter Arbeitgeber im Termin erzielen wollen und zu welchen Zugeständnisse Sie sich bereitfinden können oder wollen, um dieses Ziel zu erreichen. Wer sich selbst vor dem Termin keine Gedanken darüber macht, welches Ergebnis er mit nach Hause nehmen will, wird vom Gericht oder der Gegenseite im Eifer des Gefechtes womöglich zu etwas überredet, was bei näherer Betrachtung nachteilig oder eigentlich nicht gewollt ist.

Außerdem können Sie durch die klare Vorstellung Ihrer Ziele die Verhandlungen frühzeitig in eine bestimmte Richtung lenken. Sind die Vorstellungen nicht abwegig, können Sie oft davon ausgehen, dass das Gericht Ihren Vorschlag aufgreift. Doch auch wenn eine gütliche Einigung entweder überhaupt nicht oder nicht zu diesem Zeitpunkt infrage kommt, können Sie dies klar formulieren.

Wann ist der Abschluss eines Vergleiches ratsam?

Ob ein Vergleichsabschluss sinnvoll ist, lässt sich naturgemäß nicht pauschal beantworten. Ein Vergleich ist generell sinnvoll, wenn

  • ein besonders hohes Prozessrisiko besteht
  • der Rechtsstreit sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht lohnen würde, wenn beispielsweise Zeitaufwand und Kostenaufwand höher als die Kosten eines Vergleiches wären
  • der Rechtsstreit nur aus prinzipiellen Gründen geführt werden soll, z.B. weil Sie Rechtsgeschichte schreiben wollen, was niemand von Ihnen verlangt
  • ein gegen Sie als Arbeitgeber ausfallendes Urteil auch Konsequenzen für andere Mitarbeiter oder Ihren Betrieb hätte

Was geschieht, wenn kein Vergleich zustande kommt?

Dann wird das Gericht einen Kammertermin bestimmen, der in der Regel einige Wochen später stattfindet. Auf einen Kammertermin sollten Sie als Arbeitgeber es grundsätzlich nur ankommen lassen, wenn die Rechtslage nicht aussichtslos ist. Vor einem Kammertermin müssen Sie als beklagter Arbeitgeber ausführlich schriftlich Stellung nehmen. Darüber hinaus sind etwaige Beweismittel vorzulegen. Das wiederum könnte Ihrem klagenden Arbeitnehmer als Prozessgegner helfen, seine Prozesschancen einzuordnen.

Wo liegen besondere Risiken bei einem Kammertermin?

Ein besonders hohes Prozessrisiko besteht für Sie als beklagten Arbeitgeber bei einem Kündigungsschutzprozess. Geht dieser verloren, müssen Sie Ihren Mitarbeiter nicht nur zukünftig weiterbeschäftigen, sondern ihm auch noch für die Dauer des Verfahrens – das in der Regel deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Kündigungsfrist läuft – unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges den Lohn nachzahlen.

Deshalb laufen in der Praxis sehr häufig Kündigungsschutzverfahren auf eine Zahlung einer Abfindung im Wege eines Prozessvergleiches hinaus. Die Höhe der Abfindung ist dabei Verhandlungssache, wobei jeweils Ihrer beiden Erfolgsaussichten eine erhebliche Rolle spielen. Eine gesetzliche Regelung zur Höhe einer Abfindung besteht nicht. Bei ausgewogener Prozesslage berechnet man sie erfahrungsgemäß nach der Formel: pro Beschäftigungsjahr ein halbes Bruttomonatsgehalt.

Ist das Ziel eines Kündigungsschutzprozesses immer Weiterbeschäftigung?

Nein. Das Kündigungsschutzgesetz hat das vorrangige Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten. Aus diesem Grund kann ein Arbeitnehmer – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht auf Zahlung einer Abfindung klagen, sondern nur auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Konditionen. In einer Vielzahl von Kündigungsschutzverfahren geht es dem gekündigten Arbeitnehmer aber gar nicht mehr darum, in den Betrieb zurückzukehren. Er will vielmehr einen finanziellen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erstreiten. Wenn hier seine Vorstellungen weit über Ihrer Schmerzgrenze als Arbeitgeber liegen, ist eine Einigung oft schwer. In diesem Fall hat es sich bewährt, im übertragenen Sinne die „weiße Flagge zu hissen“ und dem Mitarbeiter anzubieten, notgedrungen die Kündigung zurückzunehmen und eine Abfindung statt der Weiterbeschäftigung anzubieten. Nicht selten führt dieses Vorgehen zu einem Einlenken bei der Abfindungshöhe und letztendlich zu einer vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem akzeptablen finanziellen Ergebnis.

Was, wenn Sie auch keine Einigung über eine Abfindung erreichen?

Kommt eine Abfindungslösung nicht in Betracht, bietet sich insbesondere bei krankheitsbedingten Kündigungen die Vereinbarung eines Prozessarbeitsverhältnisses an. Bei dieser Variante vereinbaren Sie als Arbeitgeber mit Ihrem Mitarbeiter schriftlich, dass Sie ihn bis zum rechtskräftigen Ende des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigen. Sollte der Prozess für Sie als Arbeitgeber verloren gehen, weil das Gericht die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, besteht das Arbeitsverhältnis zwar fort, Sie als Arbeitgeber hätten aber zumindest für die Dauer des Prozesses die Arbeitsleistung des Mitarbeiters entgegennehmen können, sofern dieser während der Prozessdauer arbeitsfähig wird. Hält das Gericht die Kündigung für wirksam, endet das Prozessarbeitsverhältnis mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils.

Was bedeutet das in der Praxis für Ihr Auftreten vor Gericht?

Ein gewisser Ärger bei Ihnen ist durchaus nachvollziehbar, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter sich mit gerichtlichen Mitteln gegen Sie wendet. Dennoch sollten Emotionen bei arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen weitestgehend außen vor bleiben.

  • Richten Sie als Arbeitgeber Ihre weitere Vorgehensweise in erster Linie an wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus!
  • Halten Sie sich mit prinzipiellen Erwägungen vor Gericht möglichst zurück!
  • Beschränken Sie sie auf eine Gestaltung der Verhandlung, in der dies aus betrieblichen Gründen tatsächlich erforderlich sein sollte!
  • Wenn Sie einen Anwalt eingeschaltet haben, überlassen Sie die Verhandlungsführung auf Ihrer Seite möglichst ihm!

Ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich?

Nicht unbedingt, zumindest nicht in der ersten Instanz. Ob in einer gerichtlichen Auseinandersetzung von Anfang an Beistand durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Vor den Arbeitsgerichten besteht in erster Instanz kein Anwaltszwang. Deswegen ist es durchaus möglich, dass Sie als Arbeitgeber oder Ihr sachkundiger Personalverantwortlicher Ihren Fall selbst vor Gericht vertritt. Eine Rolle dabei spielt selbstredend, wie komplex sich der zugrunde liegende Sachverhalt darstellt:

  • Weist der Fall besondere rechtliche Probleme auf?
  • Bestehen besondere wirtschaftliche Risiken?

Ein Anwalt ist stets dazu verpflichtet, seinen Mandanten den erfolgversprechendsten Rechtsschutz zu ermöglichen. Er muss seinen Mandanten über die Erfolgsaussichten eines möglichen Gerichtsverfahrens aufklären. Denn ist ein Verfahren unwahrscheinlich zu gewinnen, bedeutet dies teils enorme Kosten für den Mandanten. Über diese Gefahr muss er aufgeklärt werden – sonst kann der Rechtsanwalt schadensersatzpflichtig werden. Es handelt sich nicht in jedem Fall um einen schadensersatzpflichtigen Beratungsfehler seitens des Rechtsanwalts, wenn er ausnahmsweise den Mandanten nicht über alle Risiken aufklärt. Dies kann beispielsweise dann zutreffen, wenn die Kosten von einer Rechtsschutzversicherung getragen werden. Der Schadensersatz gegen den eigenen Rechtsanwalt soll sicherstellen, dass der Mandant keine Vermögenseinbußen wegen schlechter Beratung erleidet (Kammergericht Berlin, 8 U 173/12).

Bei der Entscheidung, ob ein Anwalt hinzugezogen wird oder nicht, sollten Sie aber auch bedenken, dass es manchmal hilfreich sein kann, wenn der Anwalt als emotional unbeteiligter Dritter die Sach- und Rechtslage mit einer gewissen Distanz beurteilt. Wenn Sie Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind, haben Sie Anspruch auf Beratung durch einen Rechtsbeistand, dessen Kosten in der Regel durch die Mitgliederbeiträge abgedeckt sind.

Autor*in: Franz Höllriegel