27.02.2023

Masseschmälernde Zahlungen: Geschäftsführer haften!

Ist Ihre GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet? Dann war es das grundsätzlich für Sie als Geschäftsführer mit Zahlungen an egal wen. Der Grund: Substanzerhalt für die künftige Insolvenzmasse und Vermeidung von Nachteil für die Gläubigergesamtheit. Besser, Sie halten sich daran.

Masseschmälernde Zahlungen

Was geschieht, wenn Sie sich als Geschäftsführer nicht daran halten?

Dann droht Ihnen in der Regel die persönliche Haftung. Verurteilt das Gericht Sie als Geschäftsführer zur persönlichen Haftung, darf das allerdings nicht zu einer Bereicherung der Masse kommen. Ihnen wäre in einem solchen Falle daher von Amts wegen in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse solche Gegenansprüche gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten.

Was beachten Sie als Geschäftsführer, damit Sie nicht persönlich haften?

Eine Reihe von Punkten, die das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einer Entscheidung vom 09.12.2021 (Az.: 12 U 23/21) dargestellt hat.

Worum ging es in dem Entscheidungsfall?

Um Ansprüche eines Insolvenzverwalters gegen den früheren Geschäftsführer einer GmbH aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) in der bis zum 31.12.2020 geltenden alten Fassung (a.F., seit dem 01.01.2021 § 15b Abs. 1 Insolvenzordnung – InsO). Unternehmensgegenstand der GmbH war zunächst Gebäudereinigung, später zeitgleich mit einem Geschäftsführerwechsel am 05.08.2015 in Vertrieb und Vermarktung von Finanzdienstleistungsprodukten geändert. In diesem Zusammenhang wurde der Geschäftsbetrieb der A. UG (Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt, siehe u.a. Beitrag „Rechtsprechung zur UG: Das gilt es zu beachten!“) auf die Schuldnerin verlagert.

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Deren Unternehmensgegenstand war die Verwaltung eigenen Vermögens und das Marketing. Deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer war D. Die Schuldnerin warb vier Kunden als Investoren, die aufgrund von Kommissions- und Vertraulichkeitsvereinbarungen abhängig von der Höhe ihrer Investitionssumme an den Trading-Gebühren für die von der Schuldnerin gehandelten Kontrakte beteiligt werden sollten. Diese zahlten im Zeitraum vom 27.08. bis 02.10.2015 jeweils 25.000 Euro auf deren Geschäftskonto ein. Weitere 30.000 Euro wurden in bar eingeworben.

Die GmbH hatte den alleinigen Geschäftsführer in der Zeit vom 05.08.2015 bis 06.10.2015 eingesetzt (zum stellevertretenden Geschäftsführer demgegenüber siehe Beitrag „Der stellvertretende Geschäftsführer“). In dessen Amtszeit erfolgten vier Barabhebungen über insgesamt 78.150 Euro von einem Geschäftskonto der GmbH. Am 26.01.2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren (siehe u.a. Beitrag „Insolvenzantrag: Gründe bei einer GmbH“) eröffnet und ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Dieser nahm den Geschäftsführer klageweise auf Zahlung eben dieser 78.150 Euro in Anspruch. Zur Insolvenztabelle angemeldet wurden Forderungen von insgesamt 198.496,57 Euro.

Drang der Insolvenzverwalter mit seiner Klage bei Gericht durch?

Ja. Das OLG Düsseldorf gab seiner Klage statt. Er habe belegt, dass die GmbH überschuldet gewesen sei. § 64 Satz 1 GmbHG (a.F.) legt dem Geschäftsführer Ersatz auf von Zahlungen, die er geleistet hat:

  • nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder
  • nach Feststellung ihrer Überschuldung und
  • damit Erreichung der Insolvenzreife.

Daher hafte der alleinige Gesellschafter für die 78.150 Euro persönlich. Allerdings blieb es dem beklagten Geschäftsführer vorbehalten, nach Erstattung des Betrages an die Masse Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen.

Wie begründete der Insolvenzverwalter seine Klage?

Er trug vor, die GmbH sei bereits kurz nach Aufnahme des Geschäftsbetriebs am 01.01.2009 überschuldet gewesen.

Und? War sie es?

Ein von dem Insolvenzverwalter vorgelegtes Gutachten im Insolvenzeröffnungsverfahren behauptet, ja. Die Schuldnerin ist demnach bereits kurz nach Aufnahme des Geschäftsbetriebs am 01.01.2009 rechnerisch überschuldet gewesen.

Hätte die GmbH Aussicht gehabt, erfolgreich fortgeführt zu werden?

Nein, eine positive Fortführungsprognose hat es nicht gegeben. Deswegen habe auch rechtlich Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO vorgelegen. Im Januar 2010 sei die Schuldnerin wegen Zahlungsverzugs gegenüber der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft Bahn-See Minijob-Zentrale und einer im Juli 2010 mit dieser geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung zusätzlich zahlungsunfähig gewesen. Im Zeitpunkt der ersten streitgegenständlichen Zahlung hätten zudem fällige Verbindlichkeiten der Schuldnerin von mindestens 114.173,90 Euro bestanden, die zur Insolvenztabelle festgestellt worden seien.

Was sagt der Geschäftsführer zur Überschuldung?

Er sagt, eine solche habe nicht vorgelegen.

  • Während seiner Tätigkeit habe die GmbH Einnahmen von mindestens 130.000 Euro erzielt. Angesichts dessen habe während seiner Geschäftsführertätigkeit keine Zahlungsunfähigkeit bestanden.
  • Jedenfalls habe er keine Kenntnis von einer Überschuldung gehabt. Der vorherige Geschäftsführer D., der unstreitig im selben Büro wie er tätig war, habe ihm trotz mehrfachen schriftlichen und mündlichen Aufforderungen seit dem 12.08.2015 die Buchhaltungsunterlagen nicht herausgegeben. Deshalb habe er zuletzt sein Amt am 06.10.2015 niedergelegt.
  • Überdies habe er erst zu einem späteren Zeitpunkt alleinige Kontovollmacht erhalten.
  • Die Barabhebungen seien auch durch andere erfolgt, wie durch den bis dahin noch über eine Kontovollmacht verfügenden Gesellschafter und früheren Geschäftsführer D. oder dessen mit Buchhaltungsaufgaben betrauten Stiefvater.

Weiter hat der Beklagte behauptet, er habe die eingezahlten 100.000 Euro Kundengelder nach der schriftlich und mündlich vereinbarten Zweckbindung mit den Investoren ausschließlich für die Bezahlung der von der A. UG übernommenen fachkundigen Mitarbeiter sowie für Anschaffungen, die der Erreichung des Geschäftszwecks, d.h. der Vermittlung von Finanzdienstleistungsprodukten dienen sollten, verwendet, wie z.B. der Bezahlung von:

  • Antrittsprämien,
  • Adressmaterial,
  • Software und
  • PCs.

Er meint, er sei hierzu verpflichtet gewesen und hätte sich andernfalls wegen Untreue gem. § 266 StGB strafbar gemacht.

Hat er damit nicht einen Punkt?

Nein. Grundsatz: die Organisation muss stimmen. Sie obliegt dem Geschäftsführer einer GmbH mit dem Ziel, dass ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit möglich ist. Als Geschäftsführer handeln Sie fahrlässig, wenn Sie sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschaffen, die Sie für die Prüfung Ihrer pflichtgemäßen Notwendigkeit zum Stellen von Insolvenzantrag benötigen. Hier monierte das OLG insbesondere, dass der Geschäftsführer wegen der fehlenden Buchungsunterlagen sofort seine Tätigkeit hätte niederlegen sowie die Kontovollmachten anderer Personen hätte sperren können.

Dass auch andere Bargeld abgehoben haben können, interessiert das Gericht im Übrigen nicht. Das Zahlungsverbot sieht es auch dann als gegeben an, wenn die Zahlungen nicht vom Geschäftsführer selbst, sondern von einem Mitarbeiter des Unternehmens veranlasst wurden, und sogar dann, wenn er von den Zahlungen gar nichts wusste. Der Geschäftsführer hätte ab Insolvenzreife dafür sorgen müssen, dass solche Zahlungen unterbleiben. Für das Gericht reicht es mithin aus, dass der Geschäftsführer diese hätte verhindern können (BGH, Urt. v. 16.03.2009 – II ZR 280/07). Der Beklagte hätte bereits bei Amtsantritt am 05.08.2015 und nicht erst am 18.09.2015 die Kontovollmachten zugunsten der Herren D. und O. widerrufen können.

Trug der Geschäftsführer noch mehr zu seiner Entschuldigung vor?

Ja.

  • Alle Entnahmen seien auf Weisung und mit Wissen des Alleingesellschafters der GmbH erfolgt sowie für die Gesellschaft verwendet worden. Der Alleingesellschafter habe ihm trotz mehreren Aufforderungen die Buchungsunterlagen nicht herausgegeben. Deswegen habe der Geschäftsführer seine Tätigkeit später niedergelegt.
  • Er habe weitere Mittel ausschließlich für die Bezahlung der Mitarbeiter sowie für Anschaffungen verwendet, die der Erreichung des Geschäftszwecks dienen sollten.
  • Diese Zahlungen seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen. Er habe substantiiert unter Vorlage von Quittungen dargelegt, dass es sich bei den Zahlungen im Wesentlichen um solche an Mitarbeiter, d. h. um Gehalts- oder Prämienzahlungen gehandelt habe. Ferner seien Computer und Software angeschafft worden. Den Zahlungen habe ein direkter Gegenwert gegenübergestanden und sie hätten der Fortführung des Betriebes gedient.

Wären solche Zahlungen rechtens?

Nein, nicht in diesem Fall. Solche Zahlungen wären nur rechtens, wenn ohne sie der Betrieb sofort eingestellt werden müsste und damit eine ernsthafte Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichtegemacht würde. So kann es etwa sinnvoll sein, Löhne und Gehälter, Rechnungen für Telekommunikation sowie Mieten zu zahlen, wenn Aufträge noch abgeschlossen werden sollen, die erst nach deren Beendigung abgerechnet werden können. Die Beweislast für das Bestehen einer ernsthaften Sanierungschance läge bei dem Geschäftsführer. Die hat er hier nach Ansicht der Richter nicht mit Erfolg getragen. Die Zahlungen an die Mitarbeiter sahen sie als masseschmälernde Gehaltszahlung an.

Was ist eine masseschmälernde Gehaltszahlung?

Das ist eine Zahlung, die die Insolvenzmasse verringert. Zwar stellt ein Transfer vom Bankkonto der Gesellschaft in deren eigene Kasse noch keine Zahlung i.S. von § 64 Satz 1 GmbHG (a.F. bzw. § 15b Abs. 1 InsO) dar (vgl. BGH, Beschluss vom 05.11.2007 – II ZR 262/06). Werden hieraus wie unstreitig in diesem Fall wiederum Auszahlungen vorgenommen, sei eine Zahlung in diesem Sinne gegeben. Dies hat der Beklagte mit seiner Berufung auch nicht angegriffen. Eine solche Zahlung liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Gehälter an Mitarbeiter der Gesellschaft zahlt. Arbeits- oder Dienstleistungen können die Gläubiger normalerweise nicht verwerten. Das gilt insbesondere dann, wenn wie im Entscheidungsfall solche Zahlungen für vergangene Zeiträume geleistet wurden.

Spielt das Verhalten des Alleingesellschafters eine Rolle?

Nein. Weisungen des Gesellschafters spielen nach Insolvenzreife keine Rolle. Derartige Weisungen können Zahlungen des Geschäftsführers nach Insolvenzreife regelmäßig nicht rechtfertigen, weil der von ihm zu leistende Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Der Alleingeschäftsführer konnte sich daher nicht auf die Weisungen des Alleingesellschafters berufen.

Autor*in: Franz Höllriegel