21.02.2024

Lohnsteuerliche Abrechnung behördlicher Erstattungsbeträge

Corona lässt uns nicht los. Die Pandemie führte zu Verdienstausfall mit entsprechender Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Regeln zur Abrechnung der Lohnsteuer hierauf hat das Bundesfinanzministerium in einem Rundschreiben aufgestellt – mit Handhabung von Bagatellfällen.

Erstattungsbeträge

Welche gesetzlichen Vorschriften regeln Verdienstausfallentschädigungen?

  • 56 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gewähren – so der Bundesgerichtshof (BGH) im Leitsatz zu seinem Urteil vom 17.03.2022 (III ZR 79/21) – Ihnen als Gewerbetreibender die im Rahmen der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützte flächendeckende Schutzmaßnahme, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung noch im Wege verfassungskonformer Auslegung einen Anspruch auf Entschädigung. Der Zwölfte Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes erhält demzufolge punktuelle Anspruchsgrundlagen mit
  • den Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Abs. 1 und 1a IfSG,
  • dem Anspruch auf Impfschadenversorgung nach § 60 IfSG und
  • der Entschädigung für Nichtstörer nach § 65 IfSG

Ihnen liege das planmäßige Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, die Entschädigungstatbestände auf wenige Fälle zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen.

Entschädigungsansprüchen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht beziehungsweise aus enteignendem Eingriff stehe entgegen, dass die im Zwölften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes enthaltenen Entschädigungsbestimmungen jedenfalls für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen eine abschließende spezialgesetzliche Regelung mit Sperrwirkung darstellten.

Worum ging es in dem Urteil?

Um einen Gastronomen und Hotelier. Er begehrte von seinem Bundesland Entschädigung beziehungsweise Schadensersatz für Einnahmeausfälle, die ihm entstanden seien, weil er Gaststätte und Hotel im Frühjahr 2020 auf Grund von staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten Covid-19-Krankheit vorübergehend teilweise schließen musste. Dadurch habe er finanzielle Einbußen in existenzbedrohender Höhe erlitten. Sein Bundesland wies  seine Klage auf Schadensersatz aber ab.

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Die Sache ging nach erfolgloser Berufung vor den BGH, der die Klage als unbegründet zurückwies. Dem Gastronomen und Hotelier stehe weder ein Anspruch aus Amtshaftung oder Staatshaftung zu, noch könne er Entschädigung nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes fordern. Er sei nicht als Ansteckungsverdächtiger im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG einem Tätigkeitsverbot unterworfen worden. Er sei vielmehr einer von vielen Betroffenen von flächendeckenden Betriebsschließungen, die ohne Zuordnung zu einem konkreten Ansteckungsverdacht erfolgt seien und daher keine Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 IfSG auslösten.

Wer bekommt die Entschädigung für Verdienstausfall?

Ihr Arbeitnehmer nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG), wenn er

  • sich auf Anordnung des Gesundheitsamts in Quarantäne begeben muss oder
  • von einem Tätigkeitsverbot betroffen ist,
  • ohne selbst krank zu sein,
  • aber bei ihm Verdacht auf Ansteckung oder Krankheit besteht.

Bei eine epidemische Lage von nationaler Tragweite auch dann, wenn er

  • seine Kinder selbst beaufsichtigen muss,
  • weil Betreuungseinrichtung oder Schule geschlossen wurde.

Das kam während der Coronapandemie reihenweise vor.

Wer zahlt diese Entschädigung?

Zunächst Sie als Arbeitgeber in den ersten sechs Wochen in Höhe des ausgefallenen Nettolohns über die Lohnabrechnung. Anschließend können Sie die Entschädigung auf Antrag von der Erstattungsbehörde wieder zurückbekommen.

Welches ist die Erstattungsbehörde?

Für gewöhnlich das für den Wohnsitz Ihres Arbeitnehmers zuständige Gesundheitsamt. Dieses prüft Ihren Anspruch dem Grunde nach und betragsmäßig. Dabei kommt es in der Praxis immer wieder zu Abweichungen. Sie resultieren daraus, dass Arbeitgeber einen anderen Betrag erstatten, als ihn die Behörde letztlich feststellt. In einem Schreiben vom 25.01.2023 (IV C 5 – S 2342/20/10008:003) befasst sich das Bundesfinanzministerium mit der Frage, wie Sie Arbeitgeber solche Abweichungen lohnsteuerlich behandeln.

Was gilt danach für die Verdienstausfallentschädigungen?

Dass sie zwar gemäß § 3 Nr. 25 Einkommensteuergesetz (EStG) bis zu dem von der Erstattungsbehörde festgestellten Betrag steuerfrei sind, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegen.

Was bedeutet Progressionsvorbehalt?

Dass die Entschädigung als Lohnersatzleistung zwar nicht dem steuerpflichtigen Einkommen zugerechnet wird, jedoch den Steuersatz erhöht, was zu einer Steuernachzahlung führen kann. Ihr Arbeitnehmer muss daher verpflichtend eine Einkommensteuererklärung abgeben, wenn die Summe aller Lohnersatzleistungen z.B. aus Arbeitslosen-, Eltern-, Kranken- und Kurzarbeitergeld im Kalenderjahr mehr als 410 Euro beträgt.

Betrifft das BMF-Schreiben alle Fälle von Verdienstausfall?

Nein, nur jene, für die eine Quarantäne behördlich angeordnet wurde. Es gilt nicht, wenn diese;

  • lediglich vorsorglich,
  • auf ärztlichen Rat hin oder
  • aus sonstigen Gründen wie z.B. zur Verringerung des Infektionsrisikos im Betrieb erfolgte.

Bleibt Ihr Arbeitnehmer in solchen Fällen auf Ihre Weisung als sein Arbeitgeber zu Hause, zahlen Sie das normale Gehalt weiter.

Was bedeutet das für Ihre Praxis als Arbeitgeber?

Sie als Arbeitgeber zeichnen die Entschädigungszahlungen im Lohnkonto auf und tragen sie nach Abschluss eines jeden Jahres bei Nr. 15 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung ein. So kann das für den Wohnsitz Ihres Arbeitnehmers zuständige Finanzamt sie bei dessen Einkommensteuerveranlagung berücksichtigen.

Bescheinigen Sie als Arbeitgeber die Entschädigung nicht, und kommt es deswegen zur Verkürzung von Lohn- oder Einkommensteuer, können Sie in Haftung genommen werden:

  • als Arbeitgeber nach § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG
  • als Datenübermittler nach § 72a Abs. 4 Abgabenordnung (AO).

Stellen Sie als Arbeitgeber fest, dass Sie eine Entschädigung falsch abgerechnet haben, korrigieren Sie dies bei der nächsten Lohnabrechnung.

Wie führen Sie als Arbeitgeber die Korrektur durch?

Sie ist nur möglich, solange die elektronische Lohnsteuerbescheinigung noch nicht an die Finanzverwaltung übermittelt wurde. Die Übermittlung erfolgt spätestens am letzten Februartag des Folgejahrs. Eine nachträgliche Korrektur einer bereits übermittelten Lohnsteuerbescheinigung ist nicht erlaubt. Das BMF-Schreiben betrifft also alle Fälle der Jahre 2020 bis 2023, bei denen Sie als Arbeitgeber ab dem 1. März des Folgejahrs erkennen, dass Sie die Lohnsteuer falsch einbehalten haben, aber eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr möglich ist.

Ansonsten

  • fordern Sie zu wenig einbehaltene Lohnsteuer nach: Sie haben zum Nachteil Ihres Arbeitnehmers gehandelt, wenn Sie von der Erstattungsbehörde eine höhere Entschädigung erhalten, als Sie Ihrem Arbeitnehmer ausbezahlt haben. Die Lohnversteuerung ist dann zu hoch, weil die Entschädigung ja eigentlich steuerfrei ist. Eine Anzeige- bzw. Mitteilungspflicht beim Betriebsstätten-Finanzamt besteht hier nicht. Möchte Ihr Arbeitnehmer die zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuer zurückbekommen, beantragt er das im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung. Weisen Sie als Arbeitgeber ihre Mitarbeiter rechtzeitig auf diese Möglichkeit hin, damit keine Erstattungsansprüche verloren gehen!
  • erstatten Sie zu viel einbehaltene Lohnsteuer: Handlungsbedarf besteht für Sie als Arbeitgeber, wenn Sie eine steuerfreie Entschädigung an Ihren Arbeitnehmer ausbezahlt haben und der Erstattungsantrag später abgelehnt oder nur teilweise bewilligt wird. In diesem Fall wurde die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten.

Wie gehen Sie als Arbeitgeber bei nicht vorschriftsmäßiger Einbehaltung der Lohnsteuer vor?

Zunächst prüfen Sie – so das BMF-Schreiben –, ob eine Steuerfreiheit nach anderen Vorschriften möglich wäre. Hierfür kommt in Betracht § 3 EStG Nr. 11:

  • Buchstabe a: Coronaprämie, bis 31.03.2022, bis 1.500 Euro
  • Buchstabe b: Pflegebonus im Kranken- und Pflegebereich, bis 31.12.2022, bis 4.500 Euro
  • Buchstabe c: Inflationsausgleichsprämie, bis 31.12.2024, bis 3.000 Euro

Erst wenn sich nach der Einzelfallprüfung ergibt, dass keine Steuerfreiheit möglich ist, machen Sie als Arbeitgeber die haftungsbefreiende Anzeige beim Betriebsstätten-Finanzamt. Hier gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Die zu viel erhaltene Verdienstausfallentschädigung wird vom Arbeitnehmer zurückgefordert: dies vermindert im Jahr der Zahlung den Betrag, den Sie als Arbeitgeber auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung unter Nr. 15 als Minusbetrag eintragen, wenn der Rückzahlungsbetrag größer als die zu bescheinigende Entschädigung ist.
  • aus Gründen wie z.B. Tarifvertrag oder zur Erhaltung des Betriebsfriedens verzichten Sie als Arbeitgeber auf die Rückforderung: Sie machen als Arbeitgeber gemäß § 41c Abs. 4 EStG eine haftungsbefreiende Anzeige über nicht durchgeführten Lohnsteuerabzug beim Betriebsstätten-Finanzamt. Dann können Sie als Arbeitgeber nicht mehr in Haftung genommen werden, und das Finanzamt wird die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nachfordern, entweder über einen Nachforderungsbescheid oder im Wege der Einkommensteuerveranlagung.

Als Arbeitgeber können Sie unter www.formulare-bfinv. de einen Vordruck der Finanzverwaltung verwenden. Gehen Sie als Arbeitgeber zur haftungsbefreienden Anzeige nach folgender Checkliste vor:

  • gemäß R 41c.2 LStR Angaben des betroffenen Arbeitnehmers:
    • Name, Anschrift und Geburtsdatum
    • Identifikationsnummer
    • Lohnsteuermerkmale wie Steuerklasse/Faktor, Kinderfreibeträge, Kirchensteuermerkmal, Frei- oder Hinzurechnungsbetrag
    • Grund der Anzeige
    • richtige Höhe des Arbeitslohns

Wie verfahren Sie bei Bagatellfällen?

Für diese sieht das BMF-Schreiben eine Nichtbeanstandungsregelung vor. Sie gilt bei einer Differenz zwischen der an den Arbeitnehmer steuerfrei ausbezahlten Verdienstausfallentschädigung und der bewilligten Erstattung pro Quarantänefall von höchstens 200 Euro. Als Arbeitgeber haben Sie hierbei nichts zu befürchten, wenn Sie auf die Anzeige über die zu wenig einbehaltene Lohnsteuer verzichten. Das Finanzamt wird Sie als Arbeitgeber dann nicht in Haftung nehmen und bei Ihrem Arbeitnehmer keine Nachforderung der Lohnsteuer stellen.

Autor*in: Franz Höllriegel