27.02.2024

Fristlose Kündigung: Die wichtigsten Fakten

Ein Mitarbeiter hat sich daneben benommen. Sein Verhalten ist für Sie als Personalverantwortlicher absolut inakzeptabel. Keine Frage: Sie müssen reagieren. Streng, unerbittlich – fristlos kündigen. Doch Vorsicht! Damit kein böses Erwachen folgt, beachten Sie die rechtlichen Vorgaben.

Fristlose Kündigung

Was heißt fristlos kündigen?

Das nennt man landläufig, was der Jurist als außerordentliche Kündigung bezeichnet. In der Regel sprechen Sie als Arbeitgeber diese Kündigung aus ohne Einhaltung:

  • einer gesetzlichen oder
  • einer vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist.

Was heißt ordentlich kündigen?

Fristgerecht kündigen.

Wann kündigen Sie als Arbeitgeber außerordentlich?

Nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der es Ihnen unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis mit Ihrem betreffenden Mitarbeiter bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Das gilt übrigens genauso für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Ihnen als seinem Arbeitgeber durch einen Mitarbeiter. § 626 BGB ist für beide Vertragsparteien zwingendes Recht. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung können weder arbeitsvertragliche noch kollektive Regeln wie ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung einschränken oder ausschließen.

Was wäre ein wichtiger Grund in diesem Zusammenhang?

Was als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt, führt das Gesetz nicht aus. Diese Wertung bleibt den Arbeitsgerichten vorbehalten. Diese prüfen das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei systematisch zu trennenden Stufen:

  • Stufe 1 Objektive Eignung „an-sich“: liegt ein bestimmter Kündigungssachverhalt an sich vor, der unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles objektiv einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen würde. Ein an sich geeigneter wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt in der Regel ebenso eine ordentliche Kündigung. Umgekehrt wäre ein Grund für eine ordentliche Kündigung nicht zwangsläufig auch ein Grund für eine außerordentliche Kündigung.
  • Stufe 2 Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Einzelfall: Wird die erste Stufe bejaht, wirft das Gericht alle konkreten Umstände des Einzelfalles, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, und die beiderseitigen Interessen in die Waagschale.

Was wären an sich schon geeignete Kündigungsgründe?

Wie gesagt: zunächst führen die Arbeitsgerichte ja eine Einzelfallprüfung durch. Deswegen gibt es keine absoluten Kündigungsgründe. Die Rechtsprechung hat aber folgende Sachverhalte als wichtigen Grund an sich im Sinne des ersten Prüfungsschrittes herausgearbeitet:

  • Arbeitsverweigerung
  • Arbeitszeitbetrug
  • Selbstbeurlaubung
  • Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit
  • Straftaten zulasten des Arbeitgebers
  • sexuelle Belästigung oder Ausübung von Gewalt gegenüber Kollegen
  • rassistische Äußerungen im Betrieb
  • exzessive Internetnutzung
  • Missachtung von Alkohol- oder Drogenverboten

Was wären konkrete Umstände des Einzelfalles?

Hierzu zählen z. B.:

  • Art und Schwere des falschen Verhaltens
  • wirtschaftliche Folgen
  • lange fehlerlose Betriebszugehörigkeit
  • bisheriger Umgang des Arbeitgebers mit Regelverstößen
  • ob der Mitarbeiter wissen konnte und musste, dass er etwas falsch macht

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände prüft das Gericht, ob man Ihnen als Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumuten kann oder nicht:

  • Kann man dies, ist die fristlose Kündigung unwirksam.
  • Kann man dann dies nicht, kann gegebenenfalls eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.

So hielten sowohl die erste Instanz als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen eine fristlose Kündigung eines Arbeitgebers gegen seine Mitarbeiterin für unwirksam, weil die Beleidigungen gegen den Vorgesetzten sowie die Kollegen in einem milderen Licht zu bewerten seien (LAG Thüringen, 29.06.2022 – 4 Sa 212/13).

Worum ging es in dem Fall?

Um eine Arbeitnehmerin, der ihr Arbeitgeber gekündigt hatte. Sie klagte dagegen, gewann und wollte an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Dort erwartete sie jedoch eine Überraschung der besonderen Art. Ihr Arbeitsplatz war in einen Kellerraum verlegt worden, wo sie Archivarbeiten durchführen sollte. Es herrschte eine Temperatur von 11 °C, an den Wänden schimmelte es und offenbar fand jede Menge Mäuse dort günstige Lebensbedingungen vor. Später gab man ihr wohl ein Büro. Sie musste aber schwere Akten über den Hof transportieren, um ihre Arbeit zu verrichten.

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Irgendwann wurde es der Mitarbeiterin zu viel. Sie beschwerte sich am Telefon bei einer ehemaligen Arbeitskollegin über ihren Chef und die Kollegen. Der ganze Flur stinke, wenn der Chef ihn betrete, und die Kollegen bezeichnete sie als „fett und blöd“. Das kam offenbar dem Vorgesetzten zu Ohren, der sofort die fristlose Kündigung aussprach. Die Mitarbeiterin erhob daraufhin erneut Kündigungsschutzklage. Mit Erfolg! Die Arbeitnehmerin habe augenscheinlich unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen arbeiten müssen. Das sei jetzt keine Rechtfertigung für die Beleidigungen, aber eine Zumutung.

Entsprechend erhöht sei daher das Maß an Zumutbaren, welches die Arbeitgeberseite hinzunehmen habe. Aufgrund der geschilderten Arbeitsbedingungen habe die Dame sich offenbar in einer emotionalen außergewöhnlichen Situation befunden. Hier könne der Blick auf die Bedeutung einer Äußerung durchaus einmal verstellt sein. Eine Abmahnung sei daher hier das angemessenere Mittel gewesen.

Können Sie mit Ihrem Arbeitnehmer im Voraus einen wichtigen Grund vertraglich vereinbaren?

Nein, das geht nicht, jedenfalls nicht so einfach. Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe, die ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles per se zur fristlosen Kündigung berechtigen. Desgleichen ist es nicht möglich, im Arbeitsvertrag bestimmte Sachverhalte als fristlosen Kündigungsgrund zu deklarieren. Trotzdem kann es sinnvoll sein, die Verletzung bestimmter Vertragspflichten, deren Einhaltung Ihnen als Arbeitgeber besonders wichtig ist, als Grund für eine fristlose Kündigung aufzuführen:

  • Zum einen führen Sie als Arbeitgeber Ihrem Mitarbeiter dadurch die Bedeutung der Vertragspflicht explizit vor Augen.
  • Zum anderen schneiden Sie ihm so den Einwand ab, er habe nicht gewusst, dass Sie als sein Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten nicht dulden würden.

Angenommen, ein wichtiger Grund liegt vor: können Sie dann fristlos kündigen?

Auch nicht so ohne weiteres. Es kommt nämlich hinzu, dass Sie als Arbeitgeber trotz an sich geeignetem wichtigen Grund in der Regel zumindest einmal erfolglos abgemahnt haben, bevor Sie die außerordentliche Kündigung wirksam aussprechen können. Das wäre nur dann entbehrlich, wenn eine solche Abmahnung sowieso von vorneherein keinen Erfolg verspricht. Hiervon können Sie allerdings nur ausnahmsweise ausgehen, z. B. wenn Ihr Arbeitnehmer klar und unzweifelhaft überhaupt nicht gewillt ist, sich korrekt zu verhalten, oder die Pflichtverletzung so schwer wiegt, dass er unter keinen Umständen damit rechnen konnte, dass Sie als Arbeitgeber sein Fehlverhalten billigen würden.

Was wenn Ihr Mitarbeiter unkündbar ist?

In der Tat ein besonderes Problem. Die ordentliche Kündigung eines Mitarbeiters ist ausgeschlossen z. B.

  • bei Mandatsträgern, wie Betriebsratsmitgliedern
  • im Geltungsbereich eines Tarifvertrages:
    • bestimmte Betriebszugehörigkeit
    • bestimmtes Lebensalter

Hier ergeben sich zwei Fallvarianten, die in der Praxis zu beachten sind:

  • ein an sich geeigneter Grund zur fristlosen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer: auf der zweiten Stufe erfolgt die Interessenabwägung bei der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist dahingehend, ob Ihr Mitarbeiter ordentlich kündbar wäre. Die Interessenabwägung entspricht also jener bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz. Sie orientiert sich daran, ob bei diesem unter denselben Umständen und entsprechender Interessenlage ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben wäre.
  • eine fristlose außerordentliche Kündigung ist ausgeschlossen, weil bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer lediglich eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre: dies könnte bei striktem Festhalten am Ausschluss der ordentlichen Kündigung bedeuten, dass das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls bis zur Rente des Mitarbeiters fortbesteht. Insbesondere bei betriebsbedingten Kündigungen infolge Betriebsschließungen oder bei dauerhafter Krankheit könnte dies jedoch für Sie als Arbeitgeber unzumutbar sein. Nach der Rechtsprechung käme in derartigen Fällen eine sogenannte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist in Betracht. In einem solchen Fall wird eine außerordentlich Kündigung ausgesprochen – allerdings nicht fristlos, sondern mit der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist. Diese würde gelten, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre. Eine außerordentliche Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen wäre mit sozialer Auslauffrist möglich. Hier müssten jedoch die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen deutlich über das bei einer ordentlichen Kündigung als sozial geltende Maß hinausgehen. Voraussetzung: ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.

Sind bestimmte Fristen einzuhalten?

Ja. Neben den hohen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes schreibt § 626 Abs. 2 BGB für die außerordentliche Kündigung vor, dass Sie als Arbeitgeber sie innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen haben. Verpassen Sie diese Frist, ist eine außerordentliche Kündigung ausgeschlossen.

Ab wann läuft diese Frist zur Kündigungserklärung?

Ab Ihrer Kenntnis als Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen:

  • die belastenden Fakten
  • die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände

Diese Frist beginnt nicht zu laufen:

  • bei erforderlichen Ermittlungen durch Sie als Arbeitgeber zu Anhaltspunkten für einen kündigungsrelevanten Sachverhalt anstellen
  • Anhörungen des betroffenen Arbeitnehmers durch Sie. Wollen Sie ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben, darf das die Ausschlussfrist nicht zu lange herausschieben. Länger als eine Woche sollte die Frist zur Stellungnahme deshalb nicht dauern und Sie Ihre Ermittlungen zügig durchführen.
  • bei Dauertatbeständen, z. B.
    • Wegfall des Arbeitsplatzes
    • krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit

Die Ausschlussfrist läuft bis Abschluss des Dauerzustands nicht an.

Autor*in: Franz Höllriegel